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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
SECHSUNDZWANZIGSTE HOMILIE: Kap. XIV, V. 1—13.

6.

Höre nur, welches Gebot er gegeben hat! „Wenn du deinem Nächsten vergibst, so vergebe ich auch dir“ 1, sagt er. Liegt darin eine Schwierigkeit? „Schaffet Recht der Waise und nehmt euch der Witwe an bei Gericht“, spricht er, „und dann werden wir rechten mitsammen. Wenn eure Sünden rot wären wie Purpur, so will ich sie weiß machen wie Schnee.“ 2 Kostet das eine Anstrengung? „Bekenne deine Sünden, auf daß du der Rechtfertigung teilhaftig werdest!“ 3 Ist das etwas Schweres? „Kaufe dich los von deinen Sünden durch S. d205 Almosen!“ 4 Gehört dazu besondere Mühe? Der Zöllner sprach bloß: „Sei gnädig mir Sünder!“ 5 und er ging gerechtfertigt von dannen. Ist es denn schwer, diesem Zöllner es nachzutun?

Und doch willst du es immer noch nicht glauben, daß es eine Strafe und eine rächende Vergeltung gibt? „Gehet hinweg in das Feuer“, heißt es, „das dem Teufel bereitet ist!“ 6 Gibt es keine Hölle, dann hat auch der Teufel keine Strafe zu erleiden. Wird aber der Teufel gestraft, dann auch wir; denn auch wir haben Gott den Gehorsam verweigert, wenn auch nicht auf dieselbe Weise. Wie du dich nur nicht fürchtest und es wagst, eine so vermessene Rede zu führen? Denn wenn du sagst: Gott liebt uns Menschen und straft uns darum nicht, und er straft euch dennoch, so erscheint er euch gegenüber nicht als Gott der Liebe. Siehst du, zu was für törichten Reden euch der Teufel verleitet? — Und was weiter? Werden denn wohl die Mönche, die einsam in Gebirgen wohnen und ungezählten Tugendübungen obliegen, keinen Lohn dafür empfangen? Denn wenn die Bösen nicht bestraft werden und es keine Vergeltung gibt, so könnte jemand mit dem gleichen Recht behaupten, daß es auch keine Belohnung der Guten geben wird. — Nein, antwortest du. Gerade das geziemt sich für Gott, daß es einen Himmel gebe, aber keine Hölle. — Also wird der Unzüchtige und der Ehebrecher und der schlimmste Sünder der nämlichen Seligkeit teilhaftig werden wie jene, die sich durch ein enthaltsames und heiligmäßiges Leben ausgezeichnet haben? Und Paulus wird neben Nero gestellt werden, ja selbst der Teufel neben Paulus? Denn wenn es keine Hölle gibt, aber doch eine Auferstehung aller, dann werden die Bösen ja derselben Seligkeit teilhaftig werden wie die Gerechten. Welcher Mensch, und wäre er auch ganz vom Verstand gekommen, möchte so etwas behaupten? Ja, welcher Teufel, frage ich, möchte so etwas sagen? Denn auch die bösen Geister bekennen, S. d206 daß es eine Hölle gibt. Darum schrien sie (zu Christi Zeiten): „Bist du hierher gekommen, uns vor der Zeit zu quälen?“ 7 Fürchtest du dich nicht, erschauderst du nicht davor, das zu leugnen, was selbst die bösen Geister bekennen? Wie kannst du nur nicht sehen, wer der ist der dich so verderbliche Sätze lehrt? Es ist der, welcher schon von Anbeginn den Menschen betrogen, ihm Hoffnungen auf Größeres vorgespiegelt und ihm dabei das Gute, das er in Händen hielt, entrissen hat; derselbe ist es auch jetzt, der dir solche Reden und Gedanken einflüstert. Seine Absicht, warum er manche überreden möchte, zu denken, es gebe keine Hölle, ist die, daß er sie in die Hölle hinabstürze, Gott dagegen droht mit der Hölle und hat sie vorbereitet, damit du dir die Drohung zu Gemüte führest und so lebest, daß du nicht in die Hölle kommst. Es könnte noch die Frage entstehen, warum die bösen Geister, wenn es keine Hölle gäbe, doch ihren Glauben an eine solche bekannten, während der Teufel dich überreden möchte, nicht daran zu glauben, obzwar es doch eine gibt? Liegt ja jenen doch auch daran, daß wir nichts dergleichen fürchten, damit wir auf diese Weise sorglos und um so leichtsinniger werden und so mit ihnen in jenes Feuer hinabstürzen. Warum bekannten sie also, könnte man fragen, zu Jesu Zeit ihren Glauben an die Hölle? Sie konnten einfach dem Zwange, der sich ihnen aufdrängte, nicht widerstehen.

Das alles mögen die bedenken, welche solche Reden führen, und einmal aufhören, sich und andere damit irrezuführen. Sie werden einmal gestraft werden für diese Reden, durch die sie jene überaus ernsten Dinge lächerlich machen und viele, die guten Willens wären, von einer wachsameren Lebensführung abhalten. Sie kommen nicht einmal den Niniviten gleich. Diese hatten keine Kenntnis von allen diesen Dingen; und doch blieben sie nicht ungläubig, als sie hörten, daß ihre Stadt untergehen solle, sondern sie seufzten reumütig zu Gott, taten in Sack und Asche Buße und ließen nicht früher ab, alles zu tun, bis sie den Zorn Gottes besänftigt S. d207 hatten. Du dagegen kennst Tatsachen und kennst Aussprüche (daß es eine Hölle gibt), schlägst aber alle Drohworte in den Wind. Darum wirst du das entgegengesetzte Los haben. Die Niniviten fürchteten die Drohreden, und darum entgingen sie der tatsächlichen Bestrafung; du dagegen gibst nichts auf Drohworte, und darum wirst du die Strafe in ihrer vollen Wirklichkeit zu fühlen bekommen. Wenn dir auch jetzt die Drohworte wie eine Fabel klingen, sie werden es nicht mehr, wenn dich einmal die harte Wirklichkeit überzeugen wird.

Siehst du denn nicht, was der Heiland schon hienieden getan hat? Wie er von den zwei Räubern, die er neben sich hatte, nicht jedem dasselbe Schicksal zuteil werden ließ, sondern den einen in den Himmel einführte, den andern aber zur Hölle schickte? Doch was spreche ich von einem Räuber und Mörder? Hat er doch seines Apostels nicht geschont, als er zum Verräter geworden war! Obzwar er voraussah, daß er dem Stricke zurenne, sich aufhängen und zerbersten werde — „er barst mitten entzwei, und alle seine Eingeweide fielen heraus“ 8 —, obzwar er das alles vorauswußte, so ließ er ihn doch alles das erleiden, um dich zum Glauben an die Strafen im Diesseits und Jenseits zu bewegen. Betrügt euch also nicht selbst, indem ihr euch vom Teufel beschwatzen laßt! Jawohl, Teufelsgedanken sind das. Denn wenn schon irdische Richter und Herren und Lehrer, auch Heiden, die Guten belohnen und die Bösen bestrafen, was wäre das für eine Gerechtigkeit, wenn bei Gott das Gegenteil der Fall wäre, wenn er den Guten und den Bösen ganz gleich behandelte? Wie sollten da die Menschen ablassen von der Sünde? Wenn sie schon jetzt, wo sie doch Strafe zu fürchten haben und in beständiger Furcht vor den Richtern und den Gesetzen schweben, nicht abstehen von der Sünde, wie sollen sie erst dann davon ablassen, wenn sie sich auch noch frei gemacht haben von der Furcht vor einer Strafe nach dem Tode im Jenseits, ja, wenn sie nicht bloß nicht in die Hölle, sondern sogar noch in den Himmel S. d208 kommen sollen? Sag’ nun, ist das Liebe, wenn man die Schlechtigkeit fördert, wenn man für die Sünde noch eine Belohnung in Aussicht stellt, wenn man den Enthaltsamen und den Wüstling, den Gläubigen und den Gottlosen, Paulus und den Teufel ganz gleich einschätzt?

Doch was ereifern wir uns noch weiter darüber? — Ich bitte euch also, laßt ab von diesem Wahnsinn, kommt zu euch selbst, lehrt eure Seele Furcht und Zittern! So werdet ihr im Jenseits der Hölle entgehen, im Diesseits ein eingezogenes Leben führen und einst die ewigen Güter erlangen, was uns allen zuteil werden möge durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, durch den und mit dem Ehre sei dem Vater zugleich mit dem Hl. Geiste bis in alle Ewigkeit. Amen. S. d209


  1. Ebd. 6, 14. Dem Sinne nach zitiert. ↩

  2. Is. 1, 17. 18. ↩

  3. Ebd. 43, 26. ↩

  4. Dan. 4, 24. ↩

  5. Luk. 18, 13. ↩

  6. Matth. 25, 41. ↩

  7. Matth. 8, 29. ↩

  8. Apg. 1, 18. ↩

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