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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
ACHTUNDZWANZIGSTE HOMILIE: Kap. XIV, V. 25—27 und Kap. XV, V. 1—7.

4.

Schämen wir uns demnach denn nicht, daß wir nicht imstande sind, eine Liebe gegen Gott an den Tag zu legen, die eine so große Gewalt hat wie die teuflische, sündhafte Liebe? Merkst du denn nicht, daß das die stärkste Waffe ist, die der Teufel gegen uns in der Hand hat? Siehst du denn nicht, daß der böse Geist bereit steht, den an sich zu ziehen, der von uns gehaßt wird, und den Willen hat, dieses Glied sich einzuverleiben? Du aber gehst achtlos vorbei und läßt den Kampfpreis fahren? Der Kampfpreis, der vor dir liegt, ist nämlich dein Bruder. Wirst du seiner Herr, so empfängst du den Lorbeerkranz; kümmerst du dich aber weiter nicht um ihn, so gehst du unbekränzt von dannen. Laß also nicht mehr das teuflische Wort aus deinem Munde vernehmen: „Wenn mich mein Auge haßt, so will ich es nicht mehr sehen“ 1. Es gibt nichts Schändliche- S. d233 res als eine solche Rede, obgleich sie viele für das Zeichen eines vornehmen Charakters halten. Aber es gibt nichts Unedleres, nichts Sinnloseres und nichts Törichteres. Das ist es ja, was ich so sehr bedauere, daß das, was Sünde ist, für Tugend angesehen wird; daß einen andern schneiden und ihn unbeachtet lassen für vornehm und fein gilt. Das ist ja der gefährlichste Fallstrick des Teufels, daß er dem Bösen den Schein des Guten zu geben weiß; gerade deswegen ist ihm auch so schwer beizukommen. Ich habe schon oft Leute sich rühmen hören, daß sie solchen, mit denen sie auseinander geraten sind, nicht mehr nahe kommen mögen. Und doch macht sich der Herr gerade daraus eine Ehre. Wie oft haben ihm die Menschen nicht ihre Verachtung gezeigt? Wie oft haben sie ihn nicht von sich gestoßen? Er aber hört nicht auf, ihnen nachzulaufen.

Sag’ also nicht: „Ich kann solchen, die mich hassen, nicht nahe kommen“, sondern sprich: „Ich kann solchen keine Verachtung zeigen, die mir sie zeigen.“ Das ist die Sprache eines Jüngers Christi, wie die andere die des Teufels. Die eine verschafft Ansehen und Ruhm, die andere Schande und Spott. Darum bewundern wir Moses, der, als Gott sprach: „Laß mich, ich werde sie vernichten in meinem Zorne“, sich von den Juden nicht abwenden konnte, obgleich sie ihn so oft beleidigt hatten, sondern daß er sprach: „Wenn du ihnen die Sünde nachlassen willst, so laß sie ihnen nach, sonst tilge auch mich aus“ 2 Er war ja ein Freund und Nachahmer Gottes.

Rühmen wir uns also nicht solcher Dinge, deren wir uns schämen sollten! Sprechen wir nicht wie die gemeinen Leute von der Gasse: „Ich verstehe es, Tausenden Verachtung zu zeigen“, sondern wenn ein anderer so spricht, dann wollen wir ihn auslachen und ihn schweigen heißen, weil er sich mit etwas rühmt, dessen er sich schämen sollte. Was sprichst du da? Du zeigst einem Gläubigen Verachtung, den Christus nicht verachtet hat, als er noch ein Ungläubiger war? Doch was sage ich: er hat ihn nicht verachtet? Er hat ihn sogar S. d234 so sehr geliebt, daß er für ihn, da er noch sein Feind und (an seiner Seele) ganz unschön war, gestorben ist. In diesem Zustande hat er ihn geliebt, und du willst ihn verachten jetzt, nachdem er wunderbar schön, ein Glied Christi und ein Bestandteil seines Leibes geworden ist? Bedenkst du nicht, was du da sagst? Siehst du nicht ein, was für ein gewagtes Wort du da aussprichst? Er hat Christus zu seinem Haupt, zu seinem Tisch, zu seinem Kleid, zu seinem Leben, zu seinem Licht, zu seinem Bräutigam, alles ist er ihm, und du wagst es, auszusprechen: „Ich verachte diesen Menschen“? Ja, nicht allein, das, sondern auch tausend andere mit ihm? Halt ein, Mensch, laß ab von deiner Raserei, erkenne deinen Bruder! Lerne einsehen, daß solche Reden sinnlos und verrückt sind, und sprich im Gegenteil: „Wenn er mir auch tausendmal Verachtung bezeigt, ich will mich nicht von ihm abwenden.“ So wirst du deinen Bruder gewinnen und ein Leben führen zur Verherrlichung Gottes und der zukünftigen Güter teilhaftig werden, die wir alle erlangen mögen durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, mit dem Ehre sei dem Vater zugleich mit dem Hl. Geiste jetzt und allezeit bis in Ewigkeit. Amen. S. d235


  1. Eine andere Lesart ist: „Wenn mich mein Bruder haßt, …“ Der Sinn ist: „Wenn mich jemand haßt, der mir so nahe steht wie mein Auge …“ ↩

  2. Exod. 32, 10. 31-32. ↩

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