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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
DREISSIGSTE HOMILIE: Kap. XV, V. 14—24.

1.

Kap. XV, V. 14—24.

V. 14: „Allerdings, Brüder, bin auch ich selbst durchaus überzeugt, daß ihr auch selbst guter Gesinnung voll seid, mit aller Erkenntnis voll versehen, so daß ihr imstande wäret, auch den andern Ermahnungen zu geben.“

Der Apostel hatte gesagt: „Mein Amt als Heidenapostel will ich mit Ehren führen“ 1; er hatte gesagt: „Gott könnte vielleicht auch deiner nicht schonen“ 2; er hatte gesagt: „Haltet euch nicht selbst für klug“ 3; und wieder: „Du aber, was bekrittelst du deinen Bruder?“ 4; und weiter: „Wer bist du denn, daß du den Sklaven eines andern Herrn bekrittelst?“ 5 Das und mehr anderes Derartiges hatte er gesagt. Nachdem er also öfter ein härteres Wort gebraucht hat, schlägt er im folgenden einen milderen Ton an. Was er am Anfang des Briefes gesagt hat, darauf kommt er jetzt am Schluß desselben wieder zurück. Am Anfang hatte er gesagt: „Ich danke Gott für euch alle, daß euer Glaube auf der ganzen Welt verkündigt wird“ 6; hier aber sagt er: „Ich bin durchaus überzeugt, daß ihr auch selbst guter Gesinnung voll seid, imstande, auch den andern die nötigen Ermahnungen zu geben.“ Und das besagt mehr als das erstere. Er sagt auch nicht: „Ich habe es gehört“, sondern: „ich bin durchaus überzeugt“ und brauche mich darüber nicht von einem andern belehren zu lassen. Auch heißt es: „ich selbst“, d. h. ich, derselbe, der euch hart angelassen, der euch Vorwürfe gemacht hat. „Daß ihr guter Gesinnung voll seid.“ Das bezieht sich auf die unmittelbar vorausgegangene Ermahnung. Er will gleichsam sagen: „Nicht als ob ihr hart und lieblos gegen eure Mitbrüder wäret, habe ich euch ermahnt, sie (die S. d245 Judenchristen) milde zu behandeln, sie nicht sich selbst zu überlassen, das Werk Gottes nicht zu zerstören; denn ich weiß ja, daß ihr „guter Gesinnung voll seid“. — Übrigens scheint es mir, als wolle der Apostel hier mit diesem Ausdruck die Tugend überhaupt bezeichnen. — Er sagt auch nicht: „ihr habt sie“, sondern: „ihr seid voll davon“. Auch das folgende spricht er mit demselben Vollton aus: „mit aller Erkenntnis voll versehen“. Denn was hätte es genützt, wenn sie zwar von liebevoller Gesinnung gewesen wären, aber nicht verstanden hätten, mit denen richtig umzugehen, denen sie ihre Liebe hätten zuwenden wollen. Darum setzt der Apostel bei: „Mit aller hierzu nötigen Erkenntnis voll versehen, so daß ihr imstande wäret, auch den andern Ermahnungen zu geben“, also nicht bloß zu lernen, sondern auch zu lehren.

V. 15: „Ich habe euch zum Teil etwas freimütiger geschrieben.“

Beachte die Demut des Paulus, beachte seine Weisheit, wie er im Vorausgehenden einen tiefen Schnitt geführt und erreicht hat, was er wollte, nun wiederum ein Heilmittel anwendet. Denn auch ohne den gemachten Zusatz wäre schon das Bekenntnis, freimütig gewesen zu sein, allein imstande gewesen, ihre Gereiztheit zu besänftigen. Dasselbe tut er im Briefe an die Hebräer, wenn er spricht: „Von euch, Geliebte, versehen wir uns eines Besseren und Heilbringenden, wenn wir auch so sprechen“ 7. Und im Brief an die Korinther wieder heißt es: „Das allerdings lobe ich an euch, daß ihr euch in allem meiner erinnert und so an den Verordnungen festhaltet, wie ich sie gegeben habe“ 8. Und im Brief an die Galater spricht er: „Von euch bin ich überzeugt, daß ihr nicht anderen Sinnes seid“ 9. Und so findet man überall in den Briefen diesen Gedankengang häufig, hier aber in vergrößertem Maße. Die Römer schätzten sich nämlich höher ein; darum war es notwendig, ihre Ein- S. d246 bildung niederzudrücken nicht allein durch Tadel, sondern auch durch Besänftigung. Der Apostel tut dies denn auch auf verschiedene Weise. Darum sagt er hier: „Ich habe euch etwas freimütiger geschrieben.“ Aber das genügt ihm noch nicht, sondern er setzt noch hinzu: „zum Teil“, d. h. stellenweise. Auch dabei bleibt er nicht stehen, sondern was sagt er? „Um eure Erinnerung aufzufrischen.“ Er sagt nicht: „um euch zu lehren“, auch nicht: „um euch zu erinnern“, sondern: „um eure Erinnerung aufzufrischen“, d. h. um euch ein wenig zu erinnern.

Siehst du, wie der Schluß des Briefes mit dem Eingange zusammenkommt? Wie der Apostel dort gesagt hat: „Euer Glaube wird auf der ganzen Welt verkündigt“, so sagt er am Ende des Briefes: „Euer Gehorsam ist allen kund geworden.“ Und wie er am Anfang geschrieben hat: „Es verlangt mich, euch zu sehen, um euch geistige Gabe mitzuteilen zu eurer Stärkung“, d. h. zu eurer gegenseitigen Tröstung, so sagt er hier: „um eure Erinnerung aufzufrischen“. Er steigt herab vom Lehrstuhl und spricht hier und dort wie zu Brüdern und gleichstehenden Freunden. Das ist ja die Hauptsache bei einem Lehrer, daß er seine Rede verschieden zu drehen versteht je nach dem Bedürfnis seiner Zuhörer. — Beachte nun, wie der Apostel, nachdem er gesagt hat: „Ich habe etwas freimütiger geschrieben“ und: „zum Teil“ und; „um eure Erinnerung aufzufrischen“, sich auch daran noch nicht genügen läßt, sondern einen noch demütigeren Ton anschlägt, indem er fortfährt:

„wegen der mir von Gott verliehenen Gnade.“

So hatte er auch am Anfang gesagt: „Ich bin es schuldig“, wie wenn er sagen wollte: Ich habe mir dieses Ehrenamt nicht selbst angemaßt und habe nicht zuerst darnach gegriffen, sondern Gott hat es mir übertragen, und zwar aus Gnade, nicht als ob ich dessen wert gewesen wäre. Also regt euch nicht auf! Ich maße mir nichts an. Gott ist der Auftraggeber. Und wie er dort gesagt hat: „dem ich diene im Evangelium seines Sohnes“, so fährt er auch hier nach den Worten: „wegen der mir von Gott verliehenen Gnade“ fort; S. d247 V. 16: „Zu dem Zwecke (verliehen), daß ich ein Priester Jesu Christi sei für die Heidenwelt, der ich das Evangelium Gottes mit heiliger Treue verwalte.“

Nachdem er im vorausgehenden die Sache in groben Strichen dargetan hat, kommt er zu einer feineren Unterscheidung; er spricht nicht mehr bloß von einem „Dienst“ wie am Anfange, sondern von einem „Priesterdienst“ und einem „heiligen Dienst“. Mein Priestertum besteht darin, daß ich predige und verkünde; das ist das Opfer, welches ich darbringe. Einem Priester aber macht niemand einen Vorwurf, daß er sich bemüht, sein Opfer tadellos darzubringen. Das sagt aber der Apostel, um dem Geist seiner Zuhörer zugleich einen höheren Flug zu geben und zu zeigen, daß sie das Opfer seien, und um sich damit zu verteidigen, daß ihm dies aufgetragen sei. Mein Schwert, will er sagen, ist das Evangelium, das Wort, das ich verkündige. Der Grund, warum ich es tue, ist nicht, damit ich mir Ruhm erwerbe und einen glanzvollen Namen bekomme, sondern:

„Damit das Opfer der Heidenwelt wohlgefällig angenommen werde, geheiligt durch den Hl. Geist“,

d. h. damit die Seelen, die hier Lehren empfangen, gute Aufnahme finden. Denn nicht so sehr, um mich zu ehren, als aus Besorgnis um euch hat Gott mich dazu angeleitet.


  1. Röm. 11, 13. ↩

  2. Ebd. 11, 21. ↩

  3. Ebd. 12, 16. ↩

  4. Röm. 14, 10. ↩

  5. Ebd. 14, 4. ↩

  6. Ebd. 1, 8. ↩

  7. Hebr. 6, 9. ↩

  8. 1 Kor. 11, 2. ↩

  9. Gal. 5, 10. ↩

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