3.
Das sind ja auch recht ansehnliche Leistungen; viel größer aber ist das, was Paulus von ihnen berichtet. Was sagt er: Erstlich nennt er sie „Mitarbeiter“ und deutet dadurch an, daß sie an seinen unaussprechlichen Mühen und Gefahren teilgenommen haben. Dann sagt er:
V. 4: „Weil sie für mein Leben ihren Hals eingesetzt haben.“
— Siehst du da die fertigen Märtyrer? Es ist ja auch naheliegend, daß unter Nero tausend Gefahren die Christen umlauerten, da er auch den Befehl gegeben hatte, daß alle Juden aus Rom fort müßten.
„Denen danke nicht allein ich, sondern auch alle heidenchristlichen Gemeinden.“
Hier deutet der Apostel ihre Gastfreundlichkeit und ihre Hilfeleistung durch Geld an; er bewundert sie, daß sie ihr Blut vergossen und ihr ganzes Vermögen der Gemeinde zur Verfügung gestellt hatten. Siehst du da hochgemute Frauen, die sich durch die Schwäche ihrer Natur nicht aufhalten ließen auf der Bahn der Tugend? Und das ist echt christliche Art; „denn in Christus Jesus gibt es nicht Mann und nicht Frau“ 1. Dasselbe, was Paulus von der erstgenannten Frau gesagt hat, das sagt er auch von dieser; von jener hieß es: „Sie ist vielen eine Stütze gewesen und auch mir“; von dieser heißt es: „Nicht allein ich danke ihr, sondern auch alle heidenchristlichen Gemeinden.“ Damit seine Worte nicht als bloße Schmeichelei erscheinen, führt er noch viel mehr Zeugen für diese Frauen an: S. d267
V. 5: „Und ihre kirchliche Hausgemeinde.“
Sie war nämlich so bewährt (im Glauben), daß sie ihr Haus zu einer kirchlichen Gemeinde machte teils dadurch, daß sie alle zu Gläubigen machte, teils dadurch, daß sie es allen Fremden öffnete. Nicht leicht pflegt der Apostel Privathäuser kirchliche Gemeinden zu nennen; nur dann, wenn große Frömmigkeit und große Gottesfurcht darin Wurzel geschlagen hat. Darum sagt er auch im Briefe an die Korinther: „Grüßt den Aquila und die Priscilla mitsamt ihrer Hausgemeinde!“ 2 Und betreffs des Onesimus schreibt er: „Paulus an Philemon und Apphia, die geliebte Schwester, und deine Hausgemeinde“ 3. Es ist ja auch im verheirateten Stande möglich, Bewunderung zu verdienen und Edelmut zu haben. Sieh, auch Aquila und Priscilla waren verheiratet und leuchteten doch gewaltig hervor, obzwar ihr Beruf nicht gerade ein glänzender war; sie waren nämlich Zeltmacher. Aber ihre Tugend verdeckte alles und machte sie glänzender als die Sonne. Weder ihr Handwerk noch das Joch der Ehe war ihnen zum Schaden; sie legten eben jene Liebe an den Tag, welche Christus gefordert hat. „Eine größere Liebe“, sagt er, „hat niemand als der, welcher sein Leben einsetzt für seine Freunde“ 4. Auch was das Zeichen eines Jüngers (Christi) ist, das übten sie: sie nahmen ihr Kreuz auf sich und folgten ihm nach. Denn wenn sie für Paulus dies taten, so würden sie dieselbe Mannhaftigkeit noch viel eher für Christus an den Tag gelegt haben.
Hört das, ihr Armen und ihr Reichen! Wenn Leute, die von ihrer Hände Arbeit lebten und einer Werkstätte vorstanden, eine solche Freigebigkeit an den Tag legen, daß sie vielen kirchlichen Gemeinden nützlich wurden, wie sollen reiche Leute Verzeihung erlangen, die Arme über die Achsel ansehen? Jene achteten nicht einmal ihres Lebens, um Gott zu gefallen, du aber schaust auf ein paar Heller und schaust dabei oft auf deine Seele nicht? Oder hat sich jenes Ehepaar nur gegen den S. d268 Völkerlehrer so benommen, nicht aber gegen seine Schüler? Nein, das läßt sich nicht behaupten. Heißt es ja doch, daß auch „die heidenchristlichen Gemeinden“ ihnen danken. Obzwar von Hause aus Juden, hatten sie den christlichen Glauben doch so aufrichtig angenommen, daß sie mit aller Bereitwilligkeit auch den Heiden Dienste leisteten.
So sollen die Frauen sein. „Nicht in künstlich gekräuselten Haaren oder in Goldschmuck oder Prunkkleidern“ 5, sondern in solchen guten Werken sollen sie ihren Ruhm suchen. Sag’ an, welche Königin hat solchen Glanz erlangt, welche wird so besungen wie diese Frau des Zeltmachers? Sie ist in aller Mund, nicht zehn oder zwanzig Jahre lang, sondern bis zur Wiederkunft Christi. Alle preisen sie auf Grund dieser paar Worte des Paulus, die sie mehr zieren als ein königliches Diadem. Denn was gibt es Größeres, was kommt dem gleich, dem Paulus eine Stütze gewesen zu sein, den Lehrer des Erdkreises mit eigener Gefahr gerettet zu haben? Bedenke, wie viele Königinnen werden mit Schweigen übergangen, diese Zeltmachersfrau dagegen wird mit ihrem Manne allenthalben gepriesen, und so weit die Sonne die Erde bescheint, reicht ihr Ruhm. Perser und Skythen und Thraker und die an den Enden des Erdkreises wohnen, besingen dieses Weib und preisen es selig. Was für Geld, was für Geschmeide, was für Purpurgewänder sollte man nicht gerne hingeben dafür, ein solches Zeugnis zu bekommen! Man kann auch nicht einwenden, daß sie nur in Gefahren sich so benahmen und freigebig im Geldausgeben waren, um die Verkündigung des Evangeliums aber sich nicht kümmerten; der Apostel nennt sie ja seine Helfer und Mitarbeiter. Er findet es auch nicht unter seiner Würde, ein Weib seine „Mitarbeiterin“ zu nennen, er, das Gefäß der Auserwählung, sondern er rühmt sich dessen sogar. Nicht auf das Geschlecht kommt es ihm an, sondern dem guten Willen reicht er die Krone. Was kommt solchem Schmucke gleich? Wo bleibt da der Reichtum, der euch allenthalben umgibt? Wo das schön ge- S. d269 schminkte Gesicht? Wo der eitle Ruhm? Lerne da den echten Schmuck des Weibes kennen, der nicht am Leibe hängt, sondern die Seele ziert, der niemals abgelegt wird, der nicht im Kasten liegt, sondern im Himmel hinterlegt ist!