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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
ZWEIUNDDREISSIGSTE HOMILIE: Kap. XVI, V. 5—16.

1.

Kap. XVI, V. 5—16.

V. 5: „Grüßt meinen geliebten Epänetus, welcher der erste Achaias für Christus ist.“

Ich glaube, daß viele auch scheinbar recht eifrige Schriftleser dieses Kapitel des Briefes als überflüssig und inhaltslos überschlagen. Ich meine, es geht ihnen damit ebenso wie mit dem Geschlechtsregister im Evangelium. Weil es nur ein Verzeichnis von Namen ist, so glauben sie keinen großen Gewinn daraus ziehen zu können. Die Kinder der Goldarbeiter sammeln sorgfältig auch die kleinsten Goldstäubchen, diese Leute aber gehen an ganzen Goldmassen achtlos vorbei. Um sie von dieser leichtfertigen Auffassung abzubringen, reicht das Gesagte hin. Ich habe euch in meiner letzten Rede gezeigt, daß sich kein geringer Gewinn aus diesem Schlußkapitel ziehen lasse, indem ich eure Seele durch die darin enthaltenen Grüße aufgefrischt habe. Ich will versuchen, auch aus der verlesenen Stelle wieder das Gold auszumünzen. Es ist nämlich möglich, auch in bloßen Namen einen großen Schatz zu finden. Wenn du erfährst, warum Abraham so genannt wurde, warum Sara, warum Israel, warum Samuel, so kannst du aus den Namen allein die Geschichte zahlreicher Begebenheiten herauslesen. Dasselbe gilt von den Zeit- und Ortsnamen. Der eifrige Schriftleser gewinnt aus ihnen reichen Ertrag, der nachlässige zieht auch aus den deutlichsten Stellen keinen Gewinn. So erschließt uns der Name Adam keine geringe Erkenntnis, ebenso der seines Sohnes, seines Weibes und mehrerer anderer. Die Namen sind nämlich Denkmäler mancher geschichtlicher Ereignisse. Sie weisen hin auf eine Wohltat Gottes und den Dank dafür von Seiten der Frauen. Je nach den Gnadengeschenken, die sie von Gott empfangen hatten, legten sie ihren Kindern die Namen bei.

Doch was stellen wir jetzt tiefsinnige Untersuchungen an über die Namen, wo doch so viele nicht auf die S. d274 Gedanken achten, ja nicht einmal die Namen der heiligen Bücher kennen? Doch nein, wir dürfen uns die Erklärung der Hl. Schrift nicht leicht machen; heißt es ja: „Du hättest sollen dein Geld auf die Tische der Wechsler legen“ 1. Darum wollen wir das unsrige tun, auch wenn uns niemand dafür Dank wüßte, und aufzeigen, daß nichts in der Schrift überflüssig, nichts umsonst steht. Wenn das Schlußkapitel nicht auch seinen Nutzen hätte, so hätte es Paulus nicht hergesetzt, und er hätte nicht geschrieben, was er geschrieben hat. Aber da gibt es so unwissende, blöde, des Himmels unwerte Leute, die nicht bloß Namen, sondern ganze Bücher der Hl. Schrift für überflüssig halten, z. B. das Buch Levitikus, das Buch Josua und mehrere andere. So haben manche von diesen urteilslosen Leuten sogar das ganze Alte Testament beiseite geworfen und, in Fortsetzung dieses unheilvollen Verfahrens auch viele Stellen aus dem Neuen Testament gestrichen. Doch auf diese wollen wir als auf Trunkene und dem Fleisch Nachlebende nicht viel Rücksicht nehmen. Wer aber ein Liebhaber der christlichen Wahrheit und ein Freund geistiger Erbauung ist, der möge sich es gesagt sein lassen, daß auch die scheinbar geringfügigen Stellen in der Hl. Schrift nicht umsonst und ohne Grund darin stehen, und daß auch das Alte Testament seinen großen Nutzen hat. Es heißt ja: „Das alles waren Vorbilder, und es wurde zu unserer Warnung geschrieben“ 2; und zu Timotheus spricht Paulus: „Halte dich ans Vorlesen, ans Ermahnen!“ 3 Damit empfiehlt er das Lesen der Hl. Schrift des Alten Testaments einem Manne, der solchen Geist besaß, daß er Teufel austrieb und Tote auferweckte.

Halten wir uns also an den vorliegenden Text: „Grüßt meinen geliebten Epänetus!“ Es ist hier bemerkenswert, wie Paulus dem einzelnen in verschiedener Weise Lob erteilt. Es ist gewiß kein geringes Lob, sondern ein recht großes und läßt auf viel Tugend schließen, daß Paulus, der nicht nach blinder Gunst, S. d275 sondern mit weisem Urteil zu lieben verstand, einen lieb hat. Dann folgt ein anderes Lob: „welcher der erste Achaias für Christus ist.“ Das will entweder sagen, daß Epänetus allen andern in der Annahme des Glaubens zuvor kam — und das ist auch kein geringes Lob — oder daß er größere Frömmigkeit als alle anderen an den Tag legte. Doch bricht der Apostel nach dem Satze: „welcher der erste Achaias ist“, nicht ab, damit man nämlich nicht an einen weltlichen Ruhm denke, sondern setzt hinzu; „für Christus“. Denn wenn es schon als etwas Großes erscheint, in Dingen des öffentlichen Lebens als erster zu glänzen, um wieviel mehr in denen des geistlichen Lebens? Da Epänetus wahrscheinlich von niederer Herkunft war, nennt Paulus seinen wahren Adel und Vorzug und zeichnet ihn dadurch aus. Er sagt von ihm, daß er nicht nur der erste von Korinth, sondern von dem ganzen Volke sei, gleichsam die Tür und der Eingang für die andern. Dafür winkt aber kein geringer Lohn; denn ein solcher wird auch Vergeltung für die guten Werke der andern ernten, da er zu denselben dadurch, daß er den Anfang gemacht hat, viel beigetragen hat.

V. 6: „Grüßt Maria, die sich viel Mähe um euch gemacht hat!“

Wie? Wieder wird ein Weib belohnt und gepriesen, wieder werden wir Männer beschämt, oder besser gesagt: wir werden nicht allein beschämt, sondern wir können uns auch geehrt fühlen. Geehrt können wir uns fühlen, daß wir solche Frauen haben; beschämt werden wir aber dadurch, daß wir Männer weit hinter ihnen zurückbleiben. Aber wenn wir nur einmal erkannt haben, wo sich der Ruhm jener Frauen herschreibt, werden auch wir ihnen bald nachkommen. Wo schreibt sich ihr Ruhm also her? Hört es, ihr Männer und Frauen! Nicht von Armbändern, nicht von Halsketten, nicht von Kammerdienern und Kammerzofen und goldgestickten Gewändern, sondern von Mühen für die Verbreitung der Wahrheit. „Denn diese“, heißt es, „hat sich viel Mühe um euch gemacht“; nicht allein um sich, nicht um ihre eigene Tugend, was viele Frauen auch jetzt tun, indem S. d276 sie fasten und auf der bloßen Erde schlafen, sondern auch um andere. Sie hat Apostel- und Evangelistenarbeit geleistet. Wie kann also der Apostel sagen: „Zu lehren gestatte ich dem Weibe aber nicht“? 4 Damit untersagt er ihr nur, den Vorsitz in der Versammlung zu führen und den Sitz auf der Rednerbühne einzunehmen, nicht aber überhaupt mit Worten zu lehren. Wenn dem so wäre, wie könnte er da zu einer Frau, die einen ungläubigen Mann hat, sagen: „Denn was weißt du, Frau, ob du deinen Mann nicht zum Heile führen wirst?“ 5 Wie hätte er die Frau dazu anhalten können, ihre Kinder zu unterweisen, indem er sagt: „Sie wird aber selig werden durch Kindergebären, wenn diese im Glauben und in der Liebe und im Streben nach Heiligkeit, verbunden mit Sittsamkeit, verharren“? 6 Wie hätte Priscilla den Apollo unterweisen können? — Der Apostel will also damit (den Frauen) nicht Privatbelehrung verbieten, die ja mit allem Nutzen geschehen kann, sondern nur das Lehren in der öffentlichen Versammlung, das allerdings nur den Predigern zukommt. Ebensowenig hindert er den Mann, wenn er im Glauben ziemlich fortgeschritten und imstande ist, zu lehren, seine Frau zu belehren und auf den rechten Weg zu bringen, damit sie weiser werde. Der Apostel sagt auch nicht: „die viel gelehrt hat“, sondern: „die sich viel Mühe gemacht hat“. Er gibt damit zu verstehen, daß sie außer der privaten Unterweisung auch andere Dienste geleistet hat: Gefahren auf sich genommen, Geld hergegeben, Reisen gemacht.


  1. Matth. 25, 17. ↩

  2. 1 Kor. 10, 11. ↩

  3. 1 Tim. 4, 13. ↩

  4. 1 Tim. 2, 12. ↩

  5. 1 Kor. 7, 16. ↩

  6. 1 Tim. 2, 15. ↩

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