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Works John Chrysostom (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
FÜNFTE HOMILIE: Kap. 1, V. 26 und 27.

2.

Glaube nicht, will der Apostel sagen, ihre Krankheit sei ein bloßes Begehren gewesen, wenn du hörst, daß sie „entbrannten“. Die weitere Folge ihrer Schwachherzigkeit war es, daß sie auch ihre Begierlichkeit entflammte. Darum sagt der Apostel hier nicht wie anderswo: „sie wurden hingezogen“ oder „sie wurden übereilt“, sondern: „sie verübten“. Sie setzten die Sünde also in Form einer Tat, ja nicht bloß einer Tat im allgemeinen, sondern einer solchen mit Wissen und Willen. Er sagt auch nicht „böse Lust“, sondern geradezu: „Schändlichkeit“. Sie schändeten nämlich die Natur und traten die Gesetze mit Füßen. Sieh nun die große Verwirrung, die auf beiden Seiten einriß, das Oberste wurde zu unterst gekehrt, das Unterste zu oberst. Sich selbst und einander gegenseitig zu Feinden geworden, begannen sie miteinander einen unglückseligen Krieg, vielverzweigt und wechselreich, der mehr gegen das (Natur-) Gesetz verstieß als jeder andere Bürgerkrieg. Sie führten ihn in vier verschiedenen Formen, die alle leer und ungesetzlich waren. Dieser S. b54 Krieg war in der Tat nicht bloß zweifach und dreifach, sondern sogar vierfach. Schau an! Ich sage: Mann und Weib sollten eins sein. Heißt es ja: „Sie werden zwei sein in einem Fleisch“ 1. Das bewirkte der Trieb nach (geschlechtlichem) Verkehr; er verband die beiden Geschlechter miteinander. Diesen natürlichen Trieb nun hob der Teufel auf, indem er ihm eine andere Richtung gab. Er trennte die Geschlechter voneinander, indem er dem Geschlechtstrieb eine andere Art von Befriedigung bot, und bewirkte, daß aus einem (Fleische) zwei Teile wurden, im Gegensatz zu Gottes Gesetz. Denn dieses spricht: „Sie werden zwei sein in einem Fleisch“; der Teufel dagegen hat das eine in zwei geteilt. Sieh da die eine Form des Krieges! Weiter stachelte er beide Teile sowohl gegen sich selbst wie auch gegeneinander zum Kriege auf. Die Weiber begingen Frevel gegen Weiber, nicht bloß gegen Männer, die Männer wieder standen gegeneinander auf und gegen das Weibergeschlecht wie in einem nächtlichen Kampfe. Siehst du da den zweiten und dritten Krieg, ja den vierten und fünften? Es kommt nämlich noch ein anderer dazu. Außerdem sündigten sie nämlich auch gegen die Natur selbst. Weil der Teufel wußte, daß der (natürliche) Trieb die Geschlechter zusammenführt, darum bemühte er sich, dieses Band zu zerreißen. Auf diese Weise wird nicht bloß aus Mangel an Nachkommenschaft das menschliche Geschlecht naturgemäß zum Aussterben gebracht, sondern auch dadurch, daß die beiden Geschlechter gegeneinander zum Kampfe aufgestachelt werden.

„Und empfingen die Vergeltung für ihre Verirrung, wie sie sich gebührte, an sich selbst“. — Sieh, wie der Apostel wieder auf die Quelle des Übels zurückkommt, die Gottlosigkeit nämlich, die in den Glaubenslehren der Heiden lag! Er nennt (die geschlechtlichen Verirrungen) geradezu die „Vergeltung“ für jene Sünde. Hätte er von den Höllenstrafen gesprochen, so hätte er bei den Gottlosen und S. b55 denen, die an einer solchen Lebensführung Gefallen fanden, kaum Glauben gefunden, ja, er wäre wohl gar verlacht worden. Darum zeigt er, wie in einem solchen Genusse selbst die Strafe liege. Wenn sie selbst es nicht merken, sondern sich noch wohl fühlen dabei, mag dich das nicht wundern. Tun ja auch Wahnsinnige und Gehirnkranke manchmal sich selbst wehe und treiben Dinge zum Erbarmen; andere beklagen sie darob, sie selbst aber lachen dazu und haben ihre helle Freude an ihren tollen Stücklein. Wir sagen deswegen nicht, daß sie um so unglücklicher daran sind, je weniger sie von ihrem Zustand wissen. Denn nicht auf das Urteil der Kranken kommt es an, sondern auf das der Gesunden. Bei den Heiden allerdings schien dieser Brauch [die Päderastie] uralt, ja Gesetz zu sein. Hatte doch einer ihrer Gesetzgeber 2 den Sklaven verboten, sich trocken zu salben und Knabenliebe zu treiben, und dieses Vorrecht, oder vielmehr diese Schändlichkeit, nur den Freien eingeräumt. So hielt denn das hochweise Volk der Athener und sein großer Solon diesen Brauch nicht für eine Schändlichkeit, sondern für vornehm, zu gut für den Stand der Sklaven und nur für Freie passend. Auch viele andere Bücher von Weltweisen kann man finden, die angesteckt sind von dieser Krankheit. Deswegen werden wir aber diesen Brauch doch nicht ordnungsgemäß nennen, sondern wir halten die, welche ein solches Gesetz annahmen, für erbarmungswürdige und höchst beweinenswerte Menschen. Denn sie lassen an sich dasselbe geschehen wie Huren, ja noch etwas viel Traurigeres. Denn der geschlechtliche Verkehr mit diesen ist zwar auch unerlaubt, aber doch naturgemäß; dieser andere dagegen ist gegen das Gesetz und gegen die Natur. Wenn es gar keine Hölle gäbe und keine Strafe dafür drohte, so läge schon in dieser Sünde selbst die schlimmste Strafe. Wenn du sagst, sie fühlen sich wohl dabei, so sprichst du eben damit eine Verschärfung der Strafe aus. Wenn ich jemanden nackt herumlaufen sehe, den Körper ganz mit Kot beschmiert, und ich sähe, S. b56 daß er sich nicht im mindesten zu verbergen sucht, sondern sich noch etwas darauf einbildet, so würde ich nichts Gutes für ihn darin sehen, sondern ich würde ihn um so mehr bedauern, weil er seine Schande nicht einmal fühlt. Erlaubt mir noch ein anderes Beispiel, um das Frevelhafte daran noch besser aufzuzeigen. Eine Jungfrau würde dazu verurteilt, mit Tieren eingesperrt sich von ihnen begatten zu lassen, und sie würde mit der Zeit an diesem Geschlechtsverkehr Gefallen finden; wäre sie nicht um so bedauernswerter, weil sie eben deswegen, daß sie ihren schlimmen Zustand nicht fühlt, nicht von ihm befreit werden kann? Das ist doch jedem einleuchtend. Ist nun dieser Zustand recht schlimm, so ist es der in Rede stehende nicht weniger. Denn von den eigenen Leuten schimpflich behandelt zu werden, ist trauriger als von Fremden. Solche Knabenschänder, behaupte ich, sind schlimmer als Menschenmörder; denn es ist besser, zu sterben, als so geschändet zu leben. Der Mörder trennt die Seele vom Leibe; ein solcher aber stürzt die Seele mitsamt dem Leibe ins Verderben. Welche Sünde immer du mir nennen magst, du kannst mir keine nennen, die dieser Widernatürlichkeit gleich käme. Wenn diese Kranken ein Gefühl dafür hätten, was ihnen geschieht, sie würden tausendmal lieber sterben als so etwas erdulden.


  1. Gen. 2, 24. ↩

  2. Solon, wie Plutarch in dessen Lebensbeschreibung berichtet: „Sich trocken salben“ ist gleichbedeutend „wettkämpfen“, wozu die Trockensalbung die Vorbereitung war. ↩

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