4.
Damit uns das nun nicht widerfahre, darum laßt uns die Furcht Gottes immer recht lebhaft vor Augen haben! Denn nichts, gar nichts ist dem Menschen so verderblich, als wenn er sich von diesem Anker losreißt, wie ihm andererseits auch nichts so zur Rettung dient, als wenn er beständig seinen Blick darauf gerichtet hält. Wenn wir schon angesichts von Menschen uns S. b59 vor Sünden mehr hüten, wenn wir schon in Gegenwart besserer Sklaven uns scheuen, etwas Unstatthaftes zu tun, bedenke, welche Sicherung es uns geben muß, wenn wir Gott vor Augen haben! Nie wird uns der Teufel angehen, wenn wir uns so halten, weil ja sein Bemühen doch vergeblich wäre. Sieht er uns dagegen draußen herumschweifen und ohne Zügel einhergehen, dann wird er uns bald ganz von der Herde abschneiden, da wir ihm ja selbst die Handhabe dazu bieten. Wie leichtsinnigen Sklaven, die notwendige Besorgungen, derentwegen sie von ihren Herren hinausgeschickt worden sind, außer acht lassen und zwecklos und müßig mit Leuten herumlungern, die sie zufällig treffen, und so die Zeit vergeuden, so wird es auch uns ergehen, wenn wir von den Geboten Gottes abweichen. Wir stehen dann nämlich auch herum und bewundern Reichtum, Körperschönheit und andere Dinge, die uns nichts angehen, ähnlich wie jene Sklaven den Kunststücklein von armen Gauklern zuschauen. Wenn sie dann zu spät nach Hause kommen, erwartet sie harte Züchtigung. Manche von ihnen kommen ganz von ihrem Wege ab, indem sie solchen Gauklern nachlaufen. Wir wollen nun aber nicht so handeln; denn wir haben ja viele und dringende Geschäfte aufbekommen. Wenn wir unbekümmert um diese solche sinnlose Dinge begaffen und damit unsere ganze Zeit unnütz vergeuden, so werden wir dafür auch schwere Strafe erleiden. Nun, und willst du dich wirklich einmal unterhalten, so hast du ja genug andere Dinge, die du bewundern magst und nach denen du jederzeit Verlangen haben darfst, Dinge, die nicht lächerlich sind, sondern Bewunderung und Lob vollauf verdienen. Wer Lächerlichkeiten anstaunt, der ist oft auch darnach und schlimmer als der Possenreißer. Damit dich ein solcher Vorwurf nicht treffe, steh sogleich ab von solchem Gehaben!
Was stehst du z. B., sag’ mir nur, mit offenem Munde vor dem Reichtum und sehnst dich darnach? Was siehst du daran so Bewundernswertes, das deine Blicke fesseln könnte? Die goldbeschirrten Pferde? die Sklaven, fremdländische und verschnittene? die Prachtgewänder? die verweichlichte Seele, die darin steckt? Den S. b60 stolzen Blick ? das Umschwärmtsein? den Trubel ? Steht denn das alles dafür, daß man es bewundert? Was haben denn eigentlich solche Leute voraus vor den armen Teufeln, die auf dem Markte tanzen und pfeifen? Hungrige Bettler sind sie auch — an Tugend. Einen Tanz führen sie auf, der noch viel lächerlicher ist, indem sie sich nämlich herumtreiben bald an reichbesetzten Tafeln, bald in den Gemächern liebeslustiger Weiber, bald in einem Schwarm von Schmeichlern und Schmarotzern. Wenn sie dabei goldenen Schmuck an sich tragen, so sind sie um so bemitleidenswerter, weil sie da gar etwas zum Gegenstand ihrer Sorge machen, was nicht sie selbst sind. Schau nicht auf das äußere Gewand, sondern decke ihre Seele auf und schau, ob sie nicht aus tausend Wunden blutet, ob sie nicht in Lumpen gehüllt, ob sie nicht einsam und verlassen ist. Was nützt sie da ihr wahnsinniges Streben nach Dingen, die außerhalb ihres Ich liegen? Es ist viel besser, ein Bettler zu sein und ein tugendhaftes Leben zu führen, als ein König zu sein mit Lastertaten. Denn der Bettler genießt ein volles inneres Glück; seine äußere Not kommt ihm gar nicht zum Bewußtsein wegen seines inneren Reichtums. Ein König dagegen, der sein Glück in Dingen sucht, die nicht mit seinem Ich in Beziehung stehen, empfindet in seinem Innern die größte Pein, in seiner Seele, in seinen Gedanken, in seinem Gewissen, die doch seine steten Begleiter in diesem Leben sind.
In dieser Überzeugung laßt uns also die goldgewirkten Kleider beiseite legen, laßt uns vielmehr nach Tugend streben und der Seelenwonne, die ihr folgt! So werden wir im Jenseits wie im Diesseits wie bei einem Festmahl schmausen durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, mit welchem dem Vater und dem Hl. Geiste sei Ehre, Ruhm und Herrlichkeit bis in alle Ewigkeit. Amen.