• Start
  • Werke
  • Einführung Anleitung Mitarbeit Sponsoren / Mitarbeiter Copyrights Kontakt Impressum
Bibliothek der Kirchenväter
Suche
DE EN FR
Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
DREIZEHNTE HOMILIE: Kap. VI, V. 19—23 u. Kap. VII, V. 1—13.

7.

Das wissen auch die weltlichen Gesetzgeber und überhaupt alle Menschen; sie suchen nur die aus böser Gesinnung entspringenden Übel einzuschränken, maßen sich aber nicht an, die der menschlichen Natur anhaftenden auszurotten; denn das ist nicht möglich. Was von der Natur herkommt, ist nicht zu ändern, wie ich euch dies schon mehrfach in andern Reden gesagt habe. — Doch lassen wir diese Streitfragen beiseite und sprechen wir wieder über praktische Dinge des sittlichen Lebens! Übrigens ist dieses nur die andere Seite jener Streitfragen; denn wenn wir das Böse ablegen und dafür die Tugend annehmen, so führen wir eben dadurch den klaren Beweis für die Lehre, daß das Böse nicht in der Natur (des Menschen) liegt. Denen, die sich mit der Frage abmühen, woher das Böse, können wir dann nicht bloß mit Worten, sondern mit Taten leicht Stillesein gebieten; wir selbst haben ja dieselbe menschliche Natur wie sie und sind doch frei von der Schlechtigkeit, die ihnen eigen ist. — Laßt uns auch nicht immer das vor Augen haben, daß die Tugend mühevoll ist, sondern daß S. b231 es möglich ist, recht zu handeln; ja wenn wir mit Eifer dabei sind, so wird uns ihre Übung leicht und zur Fertigkeit. Sprichst du mir aber von der Befriedigung der Wollust durch die Sünde, so sprich auch von ihrem Ausgang; sie stürzt nämlich in den Tod, während die Tugend zum Leben führt. Fragen wir ferner, wenn es beliebt, auch nach dem, was bei der einen wie der andern vor dem Ende kommt. Da sehen wir, daß die Sünde viel Weh bringt, die Tugend aber viel Lust; denn was ist, sag mir, qualvoller als ein schlechtes Gewissen? Was dagegen angenehmer als eine schöne Hoffnung? Nichts brennt und drückt uns so wie eine schlimme Erwartung; nichts hält uns so aufrecht, ja gibt uns gleichsam Flügel, wie ein gutes Gewissen. Das läßt sich aus der Erfahrung des täglichen Lebens ersehen. So führen die Bewohner der Gefangenenhäuser, die ihre Bestrafung erwarten, mögen sie auch noch so gute Kost haben, doch ein viel unglücklicheres Leben als Bettler auf der Landstraße, die sich keiner bösen Tat bewußt sind. Denn die Erwartung ihres Unglücks läßt sie nicht zum Genuß der gegenwärtigen Annehmlichkeiten kommen. Doch was rede ich von Gefangenen? Auch solche, die sich frei bewegen und dabei reich sind, aber ein böses Gewissen haben, sind in derselben Lage; viel besser als sie sind Handwerker daran, die sich den ganzen Tag mit schwerer Arbeit abplagen müssen. Auch die Gladiatoren, obzwar wir sie häufig in Schenken sich betrinken, schwelgen und dem Bauche dienen sehen, bedauern wir, daß sie elender daran sind als alle andern Menschen, weil der Gedanke an den elenden Tod, der ihnen bevorsteht, ihnen jenes Wohlleben vergällt. Wenn ihnen selbst aber dieses ihr Leben doch angenehm vorkommt, so denkt an meine Rede, die ich euch schon oft und oft wiederholt habe. Es ist nicht zu wundern, daß ein Mensch, der immerfort in der Sünde lebt, das bittere Weh derselben nicht flieht. Sieh, ein so trauriges Geschäft (wie das der Gladiatoren) kommt denen, die es treiben, doch liebenswert vor. Aber deswegen nennen wir sie nicht glücklich, sondern bedauern sie eben grade deswegen, weil sie gar nicht wissen, in welchem Elend sie stecken. — Was soll man von den Ehebrechern S. b232 sagen, die für eine geringe Lust eine schmähliche Knechtschaft, große Geldausgaben und ein wahres Kainsleben auf sich nehmen müssen? Ja, sind sie nicht gewissermaßen noch schlimmer daran als Kain? Sie dürfen der Gegenwart nicht trauen und müssen zittern vor der Zukunft; Freund wie Feind, Mitwisser wie Nichtmitwisser halten sie für verdächtig. Ja nicht einmal im Schlafe sind sie frei von dieser Unruhe; ihr böses Gewissen gaukelt ihnen böse Träume vor und setzt sie so in Schrecken. — Nicht so der, welcher sich selbst beherrscht; in Seelenruhe und großer innerer Freiheit verbringt er sein ganzes Leben. Stelle also der kurzen Lust des einen die vielen Stürme solcher Befürchtungen im Leben des andern gegenüber, der kurzen Mühe der Selbstüberwindung die stete Ruhe des Lebens, und du wirst sehen, daß ein enthaltsames Leben angenehmer ist als ein genußtrunkenes. — Und der Habgierige, der auf Bereicherung durch fremdes Gut ausgeht, sag an, muß der nicht tausenderlei Mühe auf sich nehmen? Muß er nicht hin und her laufen, Kratzfüße machen vor Sklaven und Freien und Türstehern, Furcht einjagen, drohen, unverschämt sein, auf der Hut sein, zittern, sich raufen, alles mit argwöhnischen Augen ansehen? Nicht so der Verächter des Reichtums; dieser genießt vielmehr ebenfalls viel Freude an seinem ruhig und sicher dahinfließenden Leben. — Und es mag jemand andere Gebiete der Sünde betreten, überall wird er viel Aufregung, viel Klippen erblicken. Noch mehr: bei der Tugend kommt zuerst das Schwierige, dann das Angenehme und wird so durch das letztere das erstere leicht gemacht. Bei der Sünde ist es umgekehrt; nach der Lust kommen die Wehen und Strafen und zerrinnt so das Vergnügen in nichts. Denn wie einer, der eine Belohnung erwartet, der gegenwärtigen Mühten nicht achtet, so kann der andere, der nach der Lust Strafe voraussieht, keine ungetrübte Freude genießen, weil ihm die Furcht alles vergällt. Ja noch mehr; wenn man die Sache recht betrachtet, so findet man, abgesehen von der Strafe, die für solche Dinge droht, schon gleich dann, daß man die Sünde wagt, ein bitteres Weh. S. b233

pattern
  Drucken   Fehler melden
  • Text anzeigen
  • Bibliographische Angabe
  • Scans dieser Version
Download
  • docxDOCX (477.49 kB)
  • epubEPUB (446.80 kB)
  • pdfPDF (1.69 MB)
  • rtfRTF (1.43 MB)
Übersetzungen dieses Werks
Commentaire sur l'épître aux Romains vergleichen
Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
Kommentare zu diesem Werk
Einleitung

Inhaltsangabe

Theologische Fakultät, Patristik und Geschichte der alten Kirche
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Impressum
Datenschutzerklärung