V.
Denn sage mir, wenn zwölf des Krieges unkundige Männer, dazu noch wehrlos und schwächlichen Körpers, sich S. 49 in ein zahlloses Heer von Bewaffneten stürzten und Nichts dabei litten; wenn sie von tausend Pfeilen getroffen dennoch nicht verwundet würden; wenn sie nacht und mit Geschoßen bedeckt, ohne Waffen, mit der bloßen Hand Alles vor sich hertrieben, und die Einen tödteten, die Andern gefangen nahmen, ohne selbst verwundet zu werden: wer würde behaupten, daß Dieß eine menschliche That sei? Und doch ist der Sieg der Apostel noch weit wunderbarer als Jenes. Denn daß Unwissende, Ungelehrte, Fischer eine solche Rednerweisheit überwanden, und daß weder ihre geringe Anzahl noch die Armuth, weder die Gefahren noch die herrschende Gewohnheit, weder die strengen Gebote, die sie gaben, noch die täglichen Todesgefahren, weder die Menge der Irregeführten, noch das Ansehen der Irreführenden sie verhindern konnten. Das ist weit wunderbarer, als daß ein Wehrloser ohne Wunden davon komme. So also wollen wir die Heiden bekämpfen und überwinden, aber mehr noch durch unsern Wandel als durch Worte laßt uns sie schlagen; denn das ist die große Art des Kampfes, das der unwiderlegliche Beweis, der Beweis der That; denn wenn wir auch noch so viel mit Worten philosophiren, in unserm Lebenswandel uns aber nicht besser zeigen als die Heiden, so werden wir Nichts gewinnen. Die Heiden achten nicht auf unsere Worte, sondern sie prüfen unsere Handlungen und sagen: Folge du zuerst deinen Worten, und dann ermähne Andere! Wenn du von tausend zukünftigen Gütern sprichst und doch so sehr an den irdischen haftest, als wären jene gar nicht vorhanden, so sind mir deine Handlungen glaubwürdiger als deine Worte. Denn wenn ich sehe, daß du fremdes Eigenthum raubst, daß du die Verstorbenen unmäßig betrauerst und viele andere Ungebührlichkeiten begehst: wie soll ich dir glauben, daß es eine Auferstehung gibt? Wenn sie Das auch nicht sagen, so denken sie es doch und bewahren es im Herzen; und Das hält die Ungläubigen vom Christenthum ab; suchen wir also sie durch unsern Lebenswandel anzuziehen! Auf diese Weise haben selbst viele Ungebildete die Spitzfindigkeiten S. 50 von Philosophen besiegt, indem sie durch ihre Handlungen ihre Weisheit an den Tag legten und sie durch ihren Tugendwandel lauter als eine Drommete verkündeten; denn Thaten sind stärker, als Worte. Wenn ich nämlich sage, man solle nicht Böses mit Bösem vergelten, und füge dann dem Heiden tausendfaches Unrecht zu: wie kann ich ihn da durch Worte gewinnen, während ich ihn durch meine Handlungen zurückstoße? Laßt uns also durch unsern Wandel die Heiden bekehren1 und aus diesen Seelen die Kirche aufbauen und solchen Reichthum sammeln! Nichts kommt an Werth einer Seele gleich, nicht einmal die ganze Welt. Wenn du den Armen auch zahllose Almosen spendest, so hast du noch nicht so viel gethan als Der, welcher eine einzige Seele bekehrt; „denn wer Edles vom Schlechten absondert, wird wie mein Mund sein.“2 heißt es. Es ist ist zwar etwas Großes, sich der Dürftigen erbarmen, aber nichts der Art, wie einen Menschen vom Irrthum befreien; denn wer Dieses thut, der wird dem Paulus, dem Petrus ähnlich. Wir können ihnen im Predigtamte nachfolgen, ohne uns in dieselben Gefahren zu wagen und Hunger und Elend und anderes Ungemach auszustehen, denn es ist jetzt eine ruhige Zeit; nur denselben Eifer der guten Gesinnung sollen wir zeigen. Wir können zu Hause sitzen und doch diesen Fischfang betreiben. Hat Jemand einen Freund, einen Verwandten, einen Hausgenossen, der rede, der handle so, und er wird dem Petrus und dem Paulus ähnlich sein; ja, was fasse ich, dem Petrus und Paulus ähnlich sein? er wird Christi Mund sein; „denn wer Edles vom Schlechten absondert, wird wie mein Mund sein,“ — heißt es. Und wenn du ihn heute nicht überredest, so wirst du ihn morgen überreden; und wenn du ihn gar nicht überreden kannst, so wirst du doch deinen Lohn vollkommen erhalten. Und wenn du auch nicht Alle gewinnst, so wirst du doch aus den Vielen Einige S. 51 überreden können; denn auch die Apostel haben nicht Alle bekehrt, aber sie redeten zu Allen und wurden auch wegen Aller belohnt. Denn Gott pflegt die Kronen auszutheilen nicht nach dem Erfolge der guten Werke, sondern nach der guten Absicht, die man dabei hat. Hast du auch nur zwei Pfennige geopfert, so nimmt er sie an, und wie er es mit jener Wittwe machte, so verfährt er auch mit Denen, die da lehren. Da du also die ganze Welt nicht zu retten vermagst, so verschmähe die Wenigen nicht, und entziehe dich dem Kleinen nicht aus Verlangen nach dem Großen! Kannst du nicht für hundert sorgen, sorge für zehn, und kannst du nicht für zehn sorgen, so verschmähe nicht fünf; und kannst du nicht fünf gewinnen, so verachte auch Einen nicht; und kannst du auch den Einen nicht retten, so laß den Muth nicht sinken und es an deiner Mitwirkung nicht fehlen! Siehst du nicht, daß die Handelsleute bei ihrem Gewerbe nicht nur mit Gold, sondern auch mit Silber Geschäfte machen? Denn wenn wir das Kleine nicht verschmähen, so werden wir auch das Größere erlangen; vernachlässigen wir aber das Kleine, so werden wir selbst Dieses nicht leicht erhalten. So wird Jeder reich, der das Kleine und Große sammelt. So sollen es auch wir machen, damit wir reich an allen Gütern den Himmel erlangen durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit unseres Herrn Jesus Christus, durch welchen und mit welchem dem Vater und dem heiligen Geiste sei Ruhm, Herrschaft und Ehre jetzt und allezeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
