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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam i ad Corinthios argumentum et homiliae 1-44 Homilien über den ersten Brief an die Korinther (BKV)
Fünfunddreissigste Homilie.

IV.

Weil er nun Diejenigen, welche die Sprachengabe besaßen, ernstlich zurechtgewiesen und ihnen dargethan hat, daß sie nichts Großes besäßen, so sagt er jetzt — um den Schein zu vermeiden, als verachte er sie (αὐτούς) weil er etwa selber dieser Gabe beraubt sei:

S. 618 18. Ich sage Gott Dank, daß ich mehr als ihr alle in Sprachen rede.

Das thut er auch anderswo. Wenn er die Vorzüge, womit das Judenthum sich brüstete, herabdrücken und in ihrer Nichtigkeit darstellen will, so zeigt er zuerst, daß er selbst diesen und noch größere besitze, und nennt sie dann sogar einen Schaden, indem er spricht: „Wenn Jemand vermeint, Zuversicht zu haben im Fleische, dann ich um so mehr, als beschnitten am achten Tage aus dem Geschlechte Israel, dem Stamme Benjamin, Hebräer von Hebräern, dem Gesetze nach Pharisäer, dem Eifer nach ein Verfolger der Kirche Gottes, der Gerechtigkeit nach, wiefern sie im Gesetze ist, wandelnd ohne Vorwurf.“1 Und nun, nachdem er gezeigt hat, daß er Dieß alles in hohem Grade besitze, spricht er: „Aber was mir Gewinn gewesen, Dieß habe ich um Christi willen als Verlust erachtet.“2 So sagt er denn auch hier: „Ich rede mehr als ihr alle in Sprachen.“ Seid daher nicht aufgeblasen und voll Selbstgefälligkeit, als besäßet ihr diese Gabe allein; denn auch ich besitze sie, und zwar in höherem Maße als ihr.

19. Aber in der Kirche will ich lieber fünf Worte mit meinem Verstande sprechen, damit ich auch Andere unterweise.

Was heißt Das: „Mit meinem Verstande sprechen, damit ich auch Andere unterweise?“ Worte, die ich selbst verstehe, und Andern auslegen und so mit Verständniß vortragen und die Zuhörer belehren kann. „Als zehntausend Worte in (fremder) Sprache.“ Warum Dieß? Weil ich Andere unterweisen will, sagt er. Denn Jenes heißt nichts Anderes als prahlen, S. 619 Dieses aber bringt großen Nutzen; er dringt nämlich überall auf das Gemeinnützige. Die Sprachengabe war etwas Neues, die Gabe der Weissagung aber von Alters her bekannt und war schon Vielen mitgetheilt worden; dennoch kümmerte er sich, wiewohl jene erst neulich zu Tage getreten war, gar wenig um sie. Darum machte er davon keinen Gebrauch, nicht, als hätte er sie nicht besessen, sondern weil er mehr nach dem Nützlichen strebte; denn er war frei von jeder eitlen Ruhmsucht und einzig auf die Besserung seiner Zuhörer bedacht. Weil er aber frei war von eitler Ruhmsucht, konnte er auch sehen, was ihm selber und Andern fromme; denn wer ihr Sklave geworden, sieht weder, was Andern, noch was ihm selber zum Nutzen gereicht. So war es mit Simon, der von Ehrgeiz geblendet nicht einmal sah, was ihm selber zuträglich war. So waren die Juden, die für eitle Ehre dem Teufel ihr Seelenheil preisgaben. Daraus entstand auch die Abgötterei, und die heidnischen Philosophen wurden durch diese Raserei zu schlimmen Lehrmeinungen getrieben. Betrachte, wie schlimm diese Leidenschaft ist! Einige sind dadurch in Armuth gerathen. Andere jagten dem Reichthume nach. So groß ist ihre Gewalt, daß sie sogar über entgegengesetzte Dinge ihre Herrschaft ausdehnt. Denn der Eine erhebt sich eitel über seine Enthaltsamkeit, der Andere über begangenen Ehebruch; der Eine über seine Gerechtigkeit, der Andere über seine Ungerechtigkeit; Dieser über seine Schwelgerei, Jener über sein Fasten; Dieser über sein mildes, Jener über sein widerhaariges Wesen; Dieser über seinen Reichthum, Jener über seine Armuth. Denn mehrere unter den Heiden nahmen eben deßhalb die angebotenen Geschenke nicht an, um desto mehr bewundert zu werden. Nicht so die Apostel. Denn daß diese vom Ehrgeiz rein waren, bewiesen sie durch ihre Thaten. Denn als das Volk sie Götter nannte, und ihnen bekränzte Stiere zum Opfer darbringen wollte, verboten sie Dieses nicht nur, sondern zerrissen sogar ihre Kleider; und als sie nach der Heilung des Lahmen von Allen angestaunt wurden, sprachen sie: „Was S. 620 schaut ihr uns an, als hätten wir aus eigener Kraft diesen Menschen zum Gehen gebracht?“3 Jene wählten die Armuth, wenn sie darob Menschenlob ernten konnten; Diese hingegen lebten arm unter Leuten, welche die Armuth verachteten und die Reichthümer priesen; sie unterstützten mit Dem, was sie empfingen, die Armen: so thaten sie Alles, nicht aus eitler Ruhmsucht, sondern aus Liebe zum Nächsten. Jene hingegen handelten als Feinde und Verderber des Menschengeschlechtes auch hierin feindselig und thaten gerade das Gegentheil. Denn Einer versenkte gleich Wahnsinnigen und Rasenden all seine Habe leichtsinnig und thörichter Weise in’s Meer; ein Anderer ließ sein ganzes Saatfeld von Schafen abweiden. So thaten sie Alles aus Ruhmsucht. Nicht so die Apostel; diese nahmen an, was man ihnen gab, und theilten davon den Armen so reichlich mit, daß sie selber fortwährend in Dürftigkeit lebten. Hätten sie aber die Ehre vor der Welt geliebt, so würden sie nicht so gethan haben: sie würden Nichts angenommen und Nichts ausgetheilt haben, aus Furcht, sie möchten dem Verdachte der Selbstsucht verfallen. Denn wer aus Ruhmsucht das Seinige hingibt, der wird um so weniger von Andern Etwas annehmen, damit es nicht scheine, als bedürfe er Anderer oder als suche er seinen eigenen Vortheil. Die Apostel aber siehst du die Armen bedienen und für sie Almosen sammeln: so sehr übertraf ihre Liebe die aller Väter. Schau aber auch, wie ihre Vorschriften so bescheiden und von aller Eitelkeit frei sind; denn es heißt: „Wenn wir Kleidung und Nahrung haben, so werden wir damit uns begnügen;“4 nicht wie Jener von Sinope, der ohne Ursache sich in Lumpen gehüllt und in einem Fasse gewohnt hat, wodurch er zwar Viele in Staunen versetzte, Keinem aber einen Vortheil gewährte. Ganz anders Paulus: denn er kannte weder Ehrgeiz noch Ruhmsucht; er kleidete sich immer ganz anständig, wohnte stets in einem Hause und war strenge S. 621 bedacht auf jede andere Tugend, die jener Cyniker verachtet, und dabei öffentlich ein unzüchtiges und schamloses Leben geführt hat, von rasendem Ehrgeiz getrieben. Denn wollte Jemand nach der Ursache fragen, warum er in dem Fasse gewohnt, so würde man keine andere finden, als seine Ruhmsucht.


  1. Philipp. 3, 4—6. ↩

  2. Ebd. V. 7. ↩

  3. Apostelg. 3, 12. ↩

  4. I. Tim. 6, 8. ↩

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Homilien über den ersten Brief an die Korinther (BKV)

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