VI.
Auf diese Weise wollen wir das Unsrige leisten, — ein Leben wollen wir führen, reich an guten Werken, und die Tugend wie ein mächtiges Feuer leuchten lassen; „denn ihr seid Lichter,“ heißt es, „die da leuchten mitten in der Welt.“1 Ja, Gott hat einem Jeden aus uns einen grössern Werth ertheilt als der Sonne, dem Himmel, der Erde und dem Meere einen um so viel größeren Werth, als das Geistige das Sichtbare übertrifft. Wenn wir also die Sonnenscheibe sehen, und die Schönheit, die Größe und den Glanz dieses Gestirnes betrachten, so laßt uns bedenken, daß das Licht in uns weit größer und herrlicher sei: sowie denn auch ärger unsere Finsterniß, wenn wir nicht wachsam sind; denn eine tiefe Nacht bedeckt die ganze Erde, und diese Nacht sollen wir aufheben und vertreiben. Nacht ist es nicht nur bei den Irrlehrern und Heiden, sondern auch bei Vielen aus uns in Bezug auf Lehre und Wandel. Denn Viele glauben nicht an die Auferstehung, Viele bauen auf den Stand der Gestirne bei ihrer Geburt, Viele halten auf gewisse Beobachtungen, auf Vorbedeutungen, auf den Flug der Vögel und auf Zeichen; Andere bedienen sich der Amulette und der Zaubersprüche. Jedoch gegen Diese wollen wir später reden, wenn wir mit den Heiden fertig sind. Für jetzt aber behaltet das Gesagte und bietet mir im Kampfe hilfreiche Hand, indem ihr durch eueren S. 68 Wandel Jene für uns gewinnt und bekehret. Denn, wie ich immer sage, wer die Weisheit lehrt, der muß zuerst an sich selber die Probe davon zeigen und sich so bei den Zuhörern beliebt machen. Laßt uns also liebenswürdig sein und die Heiden durch Freundlichkeit an uns ziehen! Das wird aber geschehen, wenn wir bereit sind, nichts Böses zu thun, sondern vielmehr Böses zu dulden. Sehen wir denn nicht, wie die Väter, wenn sie ihre Kinder auf den Armen tragen und diese ihnen mit den Händchen in’s Angesicht schlagen, ohne Weiteres ihnen gestatten, ihren Zorn auszulassen, und sich dann freuen, wenn sie dieselben wieder besänftiget sehen? So wollen auch wir es machen: wie Väter mit ihren Kindern wollen wir mit den Heiden sprechen: denn wirklich sind alle Heiden Kinder. Auch haben Dieß Einige aus ihnen gesagt, daß sie alle Kinder seien, und daß es unter ihnen keinen Greis gebe. Die Kinder können aber über nichts Ernsthaftes nachdenken. So ist es auch mit den Heiden: sie wollen immer spielen und auf dem Boden kriechen, sie sind niedrig und liegen auf der Erde. Oft, wenn wir über nothwendige Dinge sprechen, verstehen die Kinder Nichts davon, sondern lachen nur. So auch die Heiden. Reden wir ihnen von dem Himmel, so lachen sie. Und sowie den Kindern häufiger Speichel aus dem Munde fließt und Speise und Trank besudelt, so fließen aus dem Munde der Heiden thörichte und unreine Worte. Und reicht man den Kindern die nöthige Nahrung, so lästern sie stets Diejenigen, die sie ihnen reichen, und wollen, daß man sie wegschaffe. Ferner, wenn die Kinder einen Räuber ins Haus gehen und, was darin ist, wegtragen sehen, so widersetzen sie sich nicht nur nicht, sondern lachen sogar dem Diebe entgegen. Nimmt man ihnen aber Ihr Körbchen oder ihre Klapper oder ein anderes Spielzeug, dann klagen sie, gerathen in Zorn, zerren an den Kleidern und stampfen auf den Boden. Das thun eben auch die Heiden; wenn sie sehen, daß der Teufel Ihr ganzes Erbgut und die Stütze ihres Lebens raubt, so lachensie und gehen ihm wie einem Freunde entgegen. Nimmt S. 69 man ihnen aber Etwas von ihrem (zeitlichen) Besitze, von ihrem Reichthum oder sonst Etwas von diesen unbedeutenden Dingen, so werden sie unwillig und schlagen um sich. Und gleichwie die Kinder, ohne es zu wissen, sich entblößen und sich dessen nicht schämen: so schämen sich auch die Heiden nicht der schmählichen Gemeinschaft mit Huren und Ehebrecherinen, der schändlichen und widernatürlichen Wollust, die sie erfunden haben.
Ihr habt mir laut Beifall und Lob gespendet; jedoch sorget nach diesem Beifallrufen, daß nicht Dieß alles auch auf euch bezogen werden dürfe. Darum ermahne ich euch alle: Seid Männer! Denn woferne wir selbst Kinder sind, wie können wir Jene lehren, Männer zu sein? Wie werden wir sie von kindischen Thorheiten entwöhnen? Also Männer wollen wir sein, damit wir zu dem Maße des vollkommenen von Christus bestimmten Alters gelangen und der zukünftigen Güter theilhaftig werden durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit u. s. w. Amen.
Philipp. 2, 15. ↩
