V.
Wenn nun ich Etwas zeige, woran Alexander selbst bei Lebzeiten niemals gedacht hätte, weder er noch jemals irgend ein Mensch, welch anderen Beweis verlangst du dann noch für Christi Auferstehung? Denn daß man bei Lebzeiten glückliche Kriege führt und Siege erficht, wenn man König ist und Heere hat, Das ist weder wunderbar noch überraschend und neu; aber nach Kreuz und Grab überall zu Land und zu Meer solche Thaten zu vollbringen, S. 423 Das ist Etwas, worüber man nicht genug staunen kann, und was laut eine göttliche und geheimnißvolle Macht verkündet. Alexander hat nach seinem Tode sein zerrissenes und völlig vernichtetes Reich nicht wieder hergestellt; wie könnte er es auch als todt? Aber Christus hat sein Reich erst recht begründet, nachdem er gestorben war.
Und was rede ich von Christus, während er es auch seinen Jüngern gewährte, nach ihrem Hingange wunderbar zu leuchten? Wo ist denn, frage ich, das Grabmal Alexanders? Zeige es mir und sage mir den Tag, an welchem er gestorben ist! Von den Dienern Christi aber sind die Grabmäler herrlich und befinden sich in der vornehmsten Stadt des Reiches, ihre Tage sind glorreich und werden in der ganzen Welt festlich begangen. Alexanders Grab wissen nicht einmal seine eigenen Verehrer, aber Christi Grab ist auch den Barbaren wohlbekannt.
Die Gräber der Diener des Gekreuzigten sind glänzender als die Paläste der Könige, nicht bloß durch Größe und Schönheit der Gebäude, denn auch darin stehen sie voran, sondern, was noch weit mehr ist, durch den Eifer der sie besuchenden Menge. Ja Der selbst, den der Purpur schmückt, geht hin, um jene Gräber zu verehren; und er legt den Prunk nieder und steht flehend vor den Heiligen, sie mögen bei Gott sich für ihn verwenden; den Zeltwirker und den Fischer, beide längst gestorben, bittet Der um Hilfe, der die Krone trägt. Wagst du es nun noch, frage ich, jenen Herrn todt zu nennen, dessen Diener auch nach dem Tode noch die Schützer der Könige der Erde sind?
Und Das kann man nicht bloß in Rom so sehen, sondern auch in Konstantinopel. Denn auch hier glaubte der Sohn Konstantins des Großen seinem Vater eine vorzügliche Ehre zu erweisen, wenn er ihn in der Vor- S. 424 halle des Fischers zur Ruhe legte; und was die Hüter den Kaisern in ihren Palästen sind, Das sind jetzt die Kaiser den Fischern an ihrem Grabe. Jene haben als Herren den inneren Raum inne, diese sind es als Anwohner und Nachbarn wohl zufrieden, wenn ihnen die Thüre der Vorhalle eingeräumt wird; und damit geben sie auch den Ungläubigen deutlich zu verstehen, daß die Fischer bei der Auferstehung einen höheren Rang einnehmen werden. Denn wenn es schon hier so ist bei den Gräbern, um so mehr dann bei der Auferstehung. Und die Ordnung ist umgekehrt; die Kaiser erscheinen als Diener und Untergebene, die Unterthanen sind mit der Würde der Kaiser, ja mit einer noch glänzenderen geschmückt. Und daß die Sache nicht Übertreibung ist, Das zeigt die augenscheinliche Thatsache, daß von den Aposteln sich auch über die Kaiser ein großer Glanz verbreitet. Denn weit mehr geehrt sind diese Grabmäler als die übrigen königlichen Gräber; dort ist Alles so verlassen und hier Alles so belebt.
Ja wollte man diese Gräber sogar mit der kaiserlichen Burg vergleichen, so kommt ihnen auch hier wieder der Vorrang zu. Dort sind Viele, die wegscheuchen, hier Viele, die herbeirufen und einladen, und zwar rufen sie Reich und Arm, Männer wie Frauen, Sklaven wie Freie; dort herrscht die Furcht und hier unbeschreibliche Freude. „Aber es ist doch,“ sagst du, „ein liebliches Schauspiel, den Kaiser zu sehen in goldenem Gewande, im Schmuck der Krone, umgeben von Feldherrn, Statthaltern, Obersten, Reiterführern und Unterstatthaltern.“ Doch hier ist Alles um so viel hehrer und ehrfurchtgebietender, daß man im Vergleich damit Jenes für leeres Schaugepränge und Kinderspiel halten muß. Denn kaum trittst du über die Schwelle hier, so erhebt schon der Ort deine Gedanken zum Himmel, zum hohen Könige und zur Heerschaar der Engel, zum erhabenen Throne und zur unnahbaren Herrlichkeit.
S. 425 Und hier überträgt der Kaiser dem Statthalter die Gewalt, von den Unterthanen dem Einen die Bande abzunehmen, dem Anderen sie anzulegen; aber die Gebeine der Heiligen haben nicht eine so klägliche und armselige Gewalt, sondern eine ungleich erhabenere. Denn sie ziehen Dämonen vor ihr Gericht und foltern sie und lösen die armen Gebundenen von deren grausamen Fesseln. Was ist furchtbarer als ein solcher Richterstuhl? Niemand ist zu sehen, Niemand legt Hand an den Leib des Dämon; und dennoch Geschrei und Zerfleischung, dennoch Geißelstreiche und Folterqualen und dorrende Zungen; denn der Dämon kann jene wunderbare Macht nicht ertragen. Und Die, welche mit Leibern bekleidet waren, herrschen jetzt über die unkörperlichen Gewalten; Staub und Asche und Gebein zerreißt jene unsichtbaren Naturen. Darum reist denn wohl Niemand in ein fernes Land, um einen königlichen Palast zu schauen; aber viele Könige haben oftmals weite Fahrten unternommen, um ein solches Schauspiel zu sehen. Denn Züge und Bilder des künftigen Gerichtes gewähren uns die Ruhestätten der Blutzeugen: sie wirken Qual den Dämonen, den Menschen Züchtigung und Erlösung.
Siehst du die Macht der Heiligen auch nach ihrem Tode? Siehst du die Ohnmacht der Sünder auch zur Zeit ihres Lebens? Darum fliehe die Sünde, auf daß du nicht ebenso ohnmächtig werdest, und strebe mit allem Eifer nach der Tugend! Denn wenn der Unterschied schon hier so hervortritt, wie wird es erst in der Zukunft sein? Und von dieser Liebe zur Tugend immerdar beseelt ergreife den Besitz des ewigen Lebens! Möge dieses uns allen zu Theil werden durch die Gnade und Güte unseres Herrn Jesus Christus, mit welchem dem Vater zugleich mit dem heiligen Geiste Ruhm, Macht und Ehre jetzt und immer und zu ewigen Zeiten. Amen.