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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ii ad Corinthios argumentum et homiliae 1-30 Homilien über den zweiten Brief an die Korinther (BKV)
Dritte Homilie.

VII.

Was läßt sich denn, sage mir, an Abrahams Heldenmuth noch vermissen? Er konnte doch die Zukunft nicht vorauswissen, nicht schon im voraus auf die göttliche Großmuth rechnen! Wenn er auch ein Prophet war, so weiß doch auch der Prophet nicht Alles. Denn sonst wäre ja das ganze Opfer überflüssig und Gottes unwürdig gewesen. Und sollte Abraham daraus lernen, daß Gott die Macht habe, vom Tode zu erwecken, so hatte er gerade davon einen weit stärkeren Beweis in der wunderbaren Mutterschaft seiner Gattin gesehen; und auch vor diesem Erweise wußte er es schon, denn er war ja gläubig. — Du aber bewundere nicht bloß diesen Gerechten, sondern suche ihn auch nachzuahmen; und wenn du siehst, wie er in solchem Auffuhr und Gebrause der Wogen wie über spiegelklare Fläche ruhig dahinfährt, so greife auch du nach dem Steuer des Gehorsams und des männlichen Muthes. Denn nicht Das allein mußt du mir sagen, er habe nur einen Altar hergerichtet und das Holz, sondern gedenke auch der Stimme des Knaben und erwäge, welch’ zahllose Heerhaufen wohl mit furchtbarem Ungestüm auf ihn eindrangen, als er die Worte des Sohnes hörte: „Das Opferthier, wo ist es?“ Welch ein Gewühle von Gedanken mochte da aufgeregt werden, und alle bewaffnet nicht mit Schwertern, sondern mit glühenden Speeren, die von allen Seiten dem S. 73 Vater in’s Herz sich bohrten und es zerrissen. Wenn es so schon Manchen, auch Solchen, die nicht Väter sind, zu Herzen geht und sie weinen würden, wenn sie nicht den Ausgang wüßten — ja Manche sehe ich wirklich weinen, obschon sie ihn wissen — wer vermag erst den Schmerz des Vaters zu ermessen, des Vaters, der den Knaben erzeugt und aufgezogen, der selbst schon hochbejahrt war, der nur diesen einen Sohn, den herrlichen hatte, der ihn sah und hörte und jetzt schlachten sollte!

Und von welcher Einsicht zeugen Isaaks Worte, von welcher Sanftmuth seine Frage! Aber wer hat ihm denn diese Worte eingegeben? Etwa der Satan, um die väterlichen Gefühle in Brand zu setzen? Das sei ferne! Es war im Gegentheile Gott selbst, um die Seele des Gerechten, schon lauter wie Gold, noch mehr zu läutern. Wenn das Weib des Job den Mund öffnet, so ist es auf Antrieb des Teufels; denn solcher Art ist ihr Rath. Aber aus Isaaks Munde kommt kein frevelnd Wort; an ihm ist Alles fromm und sinnig. Und welche Lieblichkeit liegt über seine Reden gebreitet, wie strömen sie so süß wie Honig aus dem Innern einer sonnigklaren und sanften Seele! Wahrlich ein Herz von Stein hätten solche Worte erweichen mögen; aber Abrahams eherne Seele konnten sie nicht bezwingen, nicht wankend machen. Er spricht nicht etwa, Was nennst du mich Vater? Noch eine kurze Zeit, und ich bin nicht mehr dein Vater, ja diesen Ehrennamen habe ich jetzt schon eingebüßt! — Aber was bewegt denn auch den Knaben zu fragen? Es war durchaus nicht die Begierde, auszuforschen, was ihn nicht anging, sondern die Angst, was da kommen würde. Denn er dachte bei sich: Wollte der Vater mich bei Dem, was er thun will, nicht zum Theilnehmer haben, so hätte er nicht die beiden Knechte unten gelassen und mich allein mitgenommen. Darum frägt er auch jetzt erst, nachdem sie allein waren und sonst Niemand das Gesagte vernehmen konnte; so einsichtsvoll war dieser Knabe. Fühlt ihr euch nicht alle im Innersten ergriffen, Männer wie Frauen? Umarmt nicht ein Jedes von euch und küßt im Geiste diesen Kna- S. 74 ben und bewundert seine Einsicht und schaut mit Ehrfurcht auf den kindlich frommen Sinn, mit dem er sich binden und auf’s Holz legen läßt, ohne ausser sich zu gerathen, ohne aufzuspringen und den Vater des Wahnsinns zu zeihen? Ja er läßt sich binden und emporheben und auf’s Holz legen, geduldig und schweigsam wie ein Lamm, oder vielmehr wie unser aller Herr. Denn Isaaks Sanftmuth war das Vorbild der Sanftmuth Christi, von dem geschrieben steht: „Wie ein Schaf zur Schlachtbank läßt er sich führen, und dem Lamme gleich vor seinem Scheerer ist er stumm.“1 Aber Isaak hat doch geredet, und auch sein Herr hat geredet. Woher nun „stumm“? Das will sagen, Isaak sprach kein erzürntes, kein rauhes Wort, sondern nur Sanftes und Liebliches, und mehr als das Schweigen offenbarte gerade sein Reden die Milde seines Herzens. So sprach auch Christus: „Habe ich unrecht geredet, so erweise das Unrecht, wenn aber recht, warum schlägst du mich?“2 Und Das gibt deutlicher von seiner Sanftmuth Zeugniß, als wenn er ganz geschwiegen hätte. Und wie Isaak zum Vater vom Opferaltare, so spricht auch Christus vom Kreuze herab; „Vater,“ sagt er, „verzeihe ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun!“3 Was antwortet nun der Patriarch? „Gott wird sich ersehen ein Thier zum Brandopfer, mein Sohn.“ Beide nennen die Namen der innigsten Beziehung, der Sohn spricht „Vater“ und der Vater „Sohn“; und in beider Herzen schwerer Kampf und gewaltiger Sturm, aber nirgends Schiffbruch; denn die Stärke der Seele überwindet Alles. Und wie Isaak den Namen Gottes gehört, da frägt und forscht er nicht weiter, eine solche Reise war schon in ihm in der ersten Blüthe der Jahre.

Siehst du also den König? Siehst du die Heere, die er überwunden, die Schlachten, aus denen er siegreich her- S. 75 vorgegangen? Denn so fürchterlich waren nachmals nicht die Barbaren für die Stadt Jerusalem, als sie Sturm auf Sturm folgen ließen, wie diese Gedanken damals den Patriarchen von allen Seiten umlagert hielten; und doch hat er sie alle bezwungen ! Willst du auch den Priester sehen? Du brauchst nicht lang zu suchen. Wenn du ihn mit dem Feuer und dem Schwerte vor dem Opferaltare stehen siehst, was zweifelst du noch weiter über sein Priesterthum? Und willst du auch das Opfer sehen, so ist es ein zweifaches: Er opfert den Sohn, er opfert das Lamm und vor beiden seinen eigenen Willen. Und mit dem Blute des Thieres weiht er seine Hand, mit dem Opfer des Sohnes sein Herz. Und so wird er zum Priester geweiht durch das Blut des Eingebornen und das Opfer des Lammes. Denn auch die Priester wurden einst geheiligt mittels des Blutes, nämlich des Blutes der Gott dargebrachten Opferthiere. Willst du endlich auch den Propheten sehen? Christus sagt: „Abraham, euer Vater, hat frohlockt, meinen Tag zu schauen; er hat ihn gesehen und hat sich gefreut.“4 Und so bist auch du König, Priester und Prophet im Taufbade geworden: König, indem du die schlechten Handlungen zu Boden geschmettert und die Sünden ertödtet hast; Priester, indem du dich selbst Gott dargebracht und deinen eigenen Leib geopfert hast und selbst zum Opfer geworden bist; denn „wenn wir mit ihm sterben,“ heißt es, „so werden wir auch mit ihm leben.“5 Prophet endlich, indem du die Geheimnisse der Zukunft weißt und von Gottes Geist durchweht und mit dem Merkmal des Geistes bezeichnet bist. Denn wie den Kriegern ein Mal, so wird den Gläubigen der heilige Geist eingeprägt; und würdest du ausreissen, so bist du Allen erkennbar. Wie nämlich die Juden einst als Siegel die Beschneidung, so haben wir das Pfand des Geistes.

S. 76 Indem wir nun Dieses wissen und unsere hohe Würde erwägen, so wollen wir auch ein Leben führen würdig der Gnade, damit wir einst des himmlischen Reiches theilhaftig werden; zu welchem wir alle gelangen mögen durch die Gnade und Güte unseres Herrn Jesus Christus, mit welchem dem Vater zugleich mit dem heiligen Geiste Ruhm, Macht und Ehre jetzt und immer und für ewige Zeiten. Amen.

S. 77


  1. Is. 53, 7. ↩

  2. Joh. 18, 23. ↩

  3. Luk. 23, 34. ↩

  4. Joh. 8, 56. ↩

  5. II. Tim. 2, 11. ↩

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