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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ii ad Corinthios argumentum et homiliae 1-30 Homilien über den zweiten Brief an die Korinther (BKV)
Fünfzehnte Homilie.

II.

Aber Kain, wendest du ein, betrübte sich ja gerade darüber, daß er bei Gott nicht in Gnade stand. Nicht darüber, sage ich, sondern weil er die Bevorzugung des Bruders sah. Denn hätte seine Betrübniß den Grund gehabt, den du meinst, so hätte er ja dem Bruder nacheifern und mit ihm sich freuen sollen; so aber gab er dadurch, daß er sich gekränkt fühlte, deutlich zu erkennen, daß seine Betrübniß der Welt gemäß war. Aber nicht so David, nicht so Petrus oder sonst einer von den Gerechten. S. 256 Darum fanden diese auch Gnade vor Gott, weil sie über Sünden, entweder über eigene oder über fremde sich betrübten. Nun aber frage ich, was ist quälender als Betrübniß? Doch wenn sie gottgemäß ist, so ist sie besser, als alle Freude der Welt. Denn diese zergeht in Nichts, jene aber wirkt Sinnesänderung zum Heile, die man niemals bereut. Das ist eben das Merkwürdige an dieser Betrübniß, daß ihr niemals die Reue folgt, während an der weltlichen Trauer gerade die Reue ein unterscheidendes Merkmal ist.

Was vermißt man wohl härter als ein geliebtes Kind? Was fällt schwerer als ein solcher Verlust? Gleichwohl sehen wir Väter, die, während sie in der ersten Heftigkeit des Schmerzes von keinem Troste hören wollen und kläglich sich abhärmen, nach einiger Zeit das Übermaß ihrer Trauer bereuen, weil sie sehen, daß sie damit Nichts ausgerichtet, sondern vielmehr ihren Jammer vermehrt haben. Aber anders ist es mit der gottgemäßen Betrübniß. Diese hat zwei Dinge voraus, einmal daß man sich wegen ihrer keine Vorwürfe macht, und dann, daß diese Betrübniß mit dem Heile endet, beides Vortheile, deren die weltliche Trauer beraubt ist. Denn diese härmt sich zum eigenen Schaden, um dann nach bitterem Grame sich selbst anzuklagen, zum deutlichsten Beweise, daß sie sich zum Schaden gehärmt hat. Wie ganz verschieden ist die gottgemäße Betrübniß! Von ihr rühmt Paulus, daß sie „Sinnesänderung wirke zum Heile, die man niemals bereut“. Denn Niemand wird hernach sich anklagen, der um der Sünde willen sich betrübt, gehärmt und gequält hat.

Indem nun der selige Paulus Dieses einleuchtend machen will, so braucht er nicht anderswoher den Beweis zu suchen und etwa aus der alten Geschichte Beispiele von Männern anzuführen, die sich gottgemäß betrübt haben; er kann sich vielmehr auf die Korinther selbst berufen und S. 257 aus ihrem eigenen Verhalten den Beweis erbringen. Und damit erreicht er einen doppelten Zweck; mit dem Lobe unterweist er sie zugleich und gewinnt sie noch mehr für sich.

11. Denn siehe, sagt er, gerade diese gottgemäße Betrübniß, welchen Eifer hat sie in euch bewirkt!

Eure Betrübniß war so weit entfernt, euch Ursache zu der Anklage zu geben, als hättet ihr es umsonst gethan, daß sie vielmehr euren Eifer vermehrt hat. Und jetzt führt er aus, wie dieser Eifer sich kundgegeben, indem er sagt: „Welche Entschuldigung,“ mir gegenüber; „welchen Unwillen,“ gegenüber jenem Sünder; „welche Furcht;“ denn von heilsamer Furcht zeigt ein solcher Eifer und eine so rasche Besserung; „welche Sehnsucht,“ nach mir; „welchen Eifer,“ für Gott; „welche Ahndung;“ denn ihr habt den Frevel gegen die Gebote Gottes geahndet. — „In Allem habt ihr euch ausgewiesen, daß ihr rein seid in der Sache,“* und zwar rein insoferne, als ihr solchen Frevel nicht bloß selbst nicht begangen, — denn Das war offenkundig, — sondern auch dem Sünder nicht Beifall gegeben habt. Im ersten Briefe hatte er nämlich gesagt: „Und ihr seid stolz darauf?“ Darum sagt er hier: Auch von diesem Verdachte habt ihr euch gereinigt, indem ihr, statt beizustimmen, vielmehr Tadel und Unwillen geäussert habt.

12. Wenn ich demnach auch euch geschrieben habe, so war es nicht wegen Dessen, der das Unrecht gethan, noch wegen Dessen, der es erlitten hatte.

Die Korinther konnten etwa fragen: Wozu nun dein Tadel, wenn wir schuldlos waren an der Sache? Gegen diesen Einwurf hatte Paulus sich schon früher (7, 8) gewendet und ihm vorgebaut, indem er unter Anderem sprach: „Ich S. 258 bereue es nicht, wenn ich es auch bereute.“ Ich bin so weit entfernt, will er sagen, jetzt Das zu bereuen, was ich damals geschrieben habe, daß ich vielmehr damals noch eher es bereute als jetzt, wo ihr euch ausgewiesen habt. Siehst du wieder, mit welcher Kraft, mit welchem Nachdruck er den Einwand zu seinen Gunsten kehrt? Die Korinther mochten etwa wähnen, wegen ihrer Zunahme im Guten würde Paulus sich beschämt fühlen, weil er sehe, daß er sie ohne Grund getadelt habe; der Apostel aber zeigt ihnen, wie gerade dieser Umstand ihn berechtige, recht zuversichtlich zu sprechen. Denn er verschmäht es auch nicht, ihnen jetzt, wo er es thun darf, mit aller Güte entgegenzukommen. Denn während er früher in strengem Tone sprach: „Wer mit der Buhlerin sich verbindet, der ist ein Leib mit ihr;“1 und weiters: „Übergebet den so Gearteten dem Satan zum Verderben des Fleisches;“2 und wiederum: „Jede Sünde, die der Mensch thut, ist ausser dem Leibe;“3 wie kann er nun hier, frage ich, sagen: „Nicht wegen Dessen habe ich geschrieben, der das Unrecht gethan, noch wegen Dessen der es erlitten?“ Damit setzt er sich in keinen Widerspruch, sondern bleibt sich völlig getreu. Und wie bleibt er sich getreu? Insoferne sein vornehmstes Bestreben darauf ging, die Liebe zu erkennen zu geben, die er zu den Korinthern hegte. Er will also damit nicht die Sorge um jenen Sünder verneinen, sondern vielmehr seine Liebe zu ihnen hervorheben, und wie es mehr die Furcht für die gesammte Kirche gewesen, die ihn beunruhigt habe. Er mußte nämlich fürchten, es möchte das Übel weiter um sich greifen und in allmähliger Ausdehnung sich über die ganze Kirche verbeiten. Darum sprach er auch: „Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig.“4 So nun damals; aber jetzt, nachdem die Sache in Ordnung war, führt S. 259 er nicht mehr die gleiche Sprache; während der Gedanke derselbe bleibt, wird der Ausdruck viel milder. Denn er sagt: Ich habe geschrieben, „damit offenbar würde die Sorge, die wir um euretwillen für euch hegen;“ mit anderen Worten, damit ihr inne würdet, wie sehr ich euch liebe. Das ist nun mit dem Früheren genau Dasselbe; weil es aber anders ausgedrückt ist, so scheint es für den ersten Blick auch etwas Anderes zu bedeuten. Um aber zu erkennen, daß es genau Dasselbe ist, brauchst du bloß auf den Gedankengang des Apostels einzugehen, und du wirst finden, daß kein Unterschied ist. Weil ich euch so innig liebe, will er sagen, so fürchtete ich, es möchte für euch die Sache schlimme Folgen haben und euch Anlaß zur Betrübniß werden. Es ist die Stelle hier gerade so zu verstehen, als wenn Paulus anderswo sagt: „Kümmert sich denn Gott um die Ochsen?“5 Damit will er nicht sagen, daß Gott sich nicht darum kümmere; denn vom Geschaffenen kann Nichts bestehen ohne die Fürsorge Gottes; sondern nur, daß Gott nicht in erster Linie um der Ochsen willen das Gesetz gegeben. So nun auch hier; in erster Linie schrieb ich um euretwillen, in zweiter auch wegen jenes Sünders. Und in meinem Innern hatte ich die Liebe, auch abgesehen von jenem Briefe; ich wollte sie aber auch nach aussen euch und Allen ohne Unterschied durch jenes Schreiben zu erkennen geben.

13. Darum sind wir getröstet;

nachdem wir nämlich unsere Fürsorge zu erkennen gegeben und Alles zu so gutem Ausgange geführt sehen. So sag er auch anderswo: „Nun leben wir, wenn ihr feststehet im Herrn.“6 Und wiederum: „Wer ist uns Hoffnung und Freude und Ruhmeskranz? nicht etwa ihr?“7 Denn das ist Leben, das Trost und Erquickung S. 260 für den verständigen Lehrer, wenn er seine Schüler im Guten zunehmen sieht.


  1. I. Kor. 6, 16. ↩

  2. I. Kor. 5, 5. ↩

  3. I. Kor. 6, 18. ↩

  4. I. Kor. 5, 6. ↩

  5. I. Kor. 9, 9. ↩

  6. I. Thess. 3, 8. ↩

  7. I. Thess. 2, 19. ↩

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Homilien über den zweiten Brief an die Korinther (BKV)

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