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Works John Chrysostom (344-407) In epistulam ii ad Corinthios argumentum et homiliae 1-30 Homilien über den zweiten Brief an die Korinther (BKV)
Siebenzehnte Homilie.

II.

13. Nicht damit Anderen Erleichterung werde, euch aber Bedrängniß.

Nun hat aber Christus das Gegentheil an jener Wittwe gelobt, daß sie nämlich ihren ganzen Unterhalt erschöpft und vom eigenen Mangel gegeben habe. Aber da Paulus wußte, daß er zu den Korinthern rede, bei denen er es vorzog, für sich zu hungern, — „denn eher frommt es mir, zu sterben,“ sagt er, „als daß Jemand meinen Ruhm vereitle,“1 — so richtet er auch seine Ermahnung nach den Verhältnissen ein; er lobt zwar Jene, die über Vermögen gaben, ohne jedoch sie selbst zwingen zu wollen, das Gleiche zu thun, nicht als hätte er es nicht gewünscht, sondern weil er ihrer Schwäche schonen wollte. Weßhalb rühmt er denn sonst von den Macedoniern, „daß bei vieler Bewährung durch Drangsal die Fülle der Freude in ihnen war, und daß ihre gar tiefe Armuth übergeströmt ist im Reichthum ihrer Milde?“ Nicht offenbar darum, weil er auch die Korinther zu Gleichem bewegen will? Wenn er sich daher scheinbar mit dem Minderen begnügt, so thut er es nur in der Absicht, sie vom Minderen allmählig zum Größeren zu erheben. Beachte nur, wie er auch durch das Folgende unvermerkt nach diesem Ziele strebt! Er fährt nämlich fort:

S. 289 14. Euer Überfluß sei für den Mangel Jener.

Wie durch das eben Bemerkte, so will ihnen Paulus auch mit diesen Worten den Auftrag erleichtern. Und nicht Das allein ist es, wodurch er ihnen denselben annehmlicher zu machen sucht; er verweist auch auf die Gegengabe, die sie empfangen, und die größer ist als ihr Verdienst, wenn er sagt: „Damit Gleichmäßigkeit werde in der gegenwärtigen Zeit, und der Überfluß Jener eurem Mangel zu Gute komme.“ Damit will er eigentlich sagen: Ihr seid reich an irdischem Gute, Jene sind reich an Tugend und Verdiensten vor Gott. So gebet ihnen denn von den Gütern, an denen ihr Überfluß und sie Mangel haben, damit ihr von den Verdiensten empfanget, an denen sie reich sind und ihr nachstehet! Siehe, wie er es ihnen unvermerkt nahe legt, über Vermögen und aus eigenem Mangel zu geben! Willst du, sagt er, vom Überflusse empfangen, so gib auch vom Überflusse; willst du aber das Ganze an dich reissen, so gib aus dem eigenen Mangel und über Vermögen! Das sagt er nun zwar nicht ausdrücklich, legt aber dem Zuhörer diese Folgerung nahe. Er selbst bleibt bei seinem Gegenstande, nämlich bei der Ermahnung zum angemessenen Geben, und auf einen einleuchtenden Grunde sich stützend sagt er: „Damit Gleichmäßigkeit werde in der gegenwärtigen Zeit.“ Wie soll Gleichmäßigkeit werden? Indem ihr gegenseitig den Überfluß austauscht und den Mangel ersetzt. Was ist aber das für ein Austausch, wenn man Geistiges für Leibliches gibt? Wie kann hier von „Gleichmäßigkeit“ die Rede sein? Entweder will Paulus sagen, diese Ausgleichung beziehe sich bloß auf Überfluß und Mangel, oder sie finde nur Anwendung für das gegenwärtige Leben. Darum hat er zum Worte „Gleichmäßigkeit“ hinzugefügt: „in der gegenwärtigen Zeit.“ So sagt er, um den Stolz der Reichen zu beschämen und S. 290 zu zeigen, daß nach dem Scheiden von hier der geistige Reichthum den Vorzug habe. Denn hier genießen wir alle so ziemlich gleiche Rechte und Ehren; dann aber ist ein großer Unterschied und ein mächtiger Abstand, indem die Gerechten mehr als die Sonne leuchten.

Nachdem ihnen nun Paulus gezeigt hat, daß sie nicht bloß geben, sondern auch empfangen, so sucht er auch noch mit anderen Gründen ihre Bereitwilligkeit zu mehren; er macht sie nämlich aufmerksam, wie sie sogar in dem Falle, daß sie Alles für sich behielten, vor den Armen Nichts voraushaben würden, selbst wenn sie Alles zusammenrafften. Und zum Beweise beruft er sich auf die Geschichte vom Manna, indem er sagt: Gleichwie geschrieben stecht:

15. Der mit dem Vielen hatte nicht Überfluß, und der mit dem Wenigen nicht Mangel.

Dieses aber ist beim Manna geschehen. Denn während die Einen mehr, die Andern weniger gesammelt hatten, so fand sich doch schließlich bei Allen das gleiche Maß, indem Gott auf diese Weise die Unersättlichkeit strafte. Dieses sagt Paulus, um die Korinther durch den Hinweis auf das damals Geschehene zu schrecken und sie zugleich zu warnen, jemals nach Mehrerem zu trachten oder sich über das Wenigere zu betrüben.

So kann man es auch jetzt noch in den Dingen des Lebens sehen, nicht bloß damals beim Manna. Denn wenn wir alle einen Magen zu füllen und einen Leib zu kleiden haben und die gleich lange Zeit leben, so nutzt weder dem Reichen sein Überfluß, noch schadet dem Armen seine Dürftigkeit. Was zitterst du also vor der Armuth, was jagst du nach Reichthum?

„Ich fürchte,“ sagst du, „ich möchte mich gezwungen sehen, vor die Thüren Anderer zu kommen und den Ne- S. 291 benmenschen um eine Gabe zu bitten.“ Ja, Viele höre ich beständig um Dieses sogar beten und also sprechen: „Laß mich, o Herr, nie in die Nothwendigkeit kommen, Anderer zu bedürfen.“ Da muß ich immer lachen, wenn ich Das höre; denn es zeigt von einer kindischen Furcht. Tag für Tag und in Allem, möchte ich sagen, sind wir in der Nothwendigkeit, einander zu bedürfen. Daher verrathen solche Sprüche eine kurzsichtige, dünkelhafte Seele, die von der Lage der Dinge kein Verständniß hat. Siehst du nicht, wie wir alle auf einander angewiesen sind? Der Krieger bedarf des Handwerkers, der Handwerker des Kaufmanns, der Kaufmann des Landmanns, der Sklave des Freien, der Herr des Sklaven, der Arme des Reichen, der Reiche des Armen; Der, welcher Nichts verdienen kann, bedarf Dessen, der Almosen gibt, und der Geber bedarf des Empfängers. Denn auch der Empfänger des Almosens füllt ein großes Bedürfniß aus, ja ein größeres als die anderen Alle. Denn gäbe es keine Armen, so wäre eine der schönsten Hoffnungen unseres Heiles vernichtet, weil wir dann nicht wüßten, wo wir unser Vermögen anlegen sollten. Darum ist gerade der Arme, welcher von Allen am unnützesten zu sein scheint, von Allen am nützlichsten. Wenn es aber wirklich schimpflich ist, eines Anderen zu bedürfen, so bleibt nur übrig zu sterben; denn zu leben ist bei solcher Befürchtung nicht möglich.

„Aber ich kann,“ sagst du, „emporgezogene Augenbrauen nicht ertragen.“ Wie? du zeihst den Andern des Hochmuthes, während du mit dieser Anklage dich selbst beschämst? Denn Hochmuth verräth es, den Dünkel einer übermüthigen Seele nicht ertragen zu können. Was fürchtest du Dinge, die gar keine Beachtung verdienen, was zitterst du vor ihnen und schauderst deßhalb vor der Armuth? Denn gesetzt auch, du wärest reich, so wirst du nur noch von mehreren Menschen abhängen, von mehreren, sage ich, und gewöhnlicheren. Und je reicher du bist, desto mehr S. 292 mußt du unter das Joch dich beugen, das du so sehr verabscheust.

Wenn du also um Vermögen bittest, um von Niemand abzuhängen, so verstehst du so wenig, um was du bitten sollst, als wenn Einer, der auf’s Meer geht, wo man Schiffer und Fahrzeug und unzählige Ausrüstung braucht, beten würde, daß er durchaus Niemands Hilfe bedürfe. Denn willst du so wenig als möglich Anderer bedürfen, so bete um Armuth; wenn du als arm auch Jemands Hilfe brauchst, so ist es doch nur um Brod oder Kleid; als reich aber wirst du für Güter und Häuser, für Zölle und Pachten, für Stellung und Wohlfahrt, für Ruhm und für die Gunst der Herrscher der Hilfe Anderer bedürfen; ja nicht bloß für die Gunst der Herrscher, sondern auch für die ihrer Unterthanen, der Leute in Stadt und Land, der Kaufleute und Krämer. Seht ihr also nicht, daß solche Sprüche den äussersten Unverstand verrathen? Denn scheint es dir unter allen Umständen schrecklich, Jemand anderen zu brauchen, so ist es zwar nicht möglich, davon gänzlich befreit zu werden; doch willst du dem großen Haufen entgehen, — das steht dir ja frei, — so flüchte dich zum wellenlosen Hafen der Armuth, mindere die Unzahl der Geschäfte und halte es nicht für schimpflich, Anderer zu bedürfen; denn Gottes unaussprechliche Weisheit hat Das so angeordnet. Wenn schon jetzt, wo wir doch auf einander angewiesen sind, uns der Zwang des Bedürfnisses nicht mit dem Bande der Liebe umschlingt, würden wir dann, frage ich, nicht wilden Thieren gleichen, wenn Jeder sich selbst genügte? So hat uns Gott durch Zwang und Nöthigung an einander gewiesen, und doch stoßen wir jeden Tag feindlich auf einander; wäre erst dieser Zwang aufgehoben, wer würde dann so schnell sich für die Freundschaft des Nebenmenschen erwärmen? Halten wir also dieses Bedürfniß für keine Schande, und beten wir nicht: „Laß mich, o Herr, nicht in die Lage kommen, eines Anderen zu bedürfen.“ Beten wir lieber also: "Laß nicht zu, daß im S. 293 Falle der Noth uns Die, welche uns helfen können, die Bitte versagen!“ Nicht die Hilfe Anderer zu brauchen, sondern das Gut Anderer an sich zu reissen, ist entehrend. So aber beten wir um Das niemals, und nie sprechen wir: „Laß mich, o Herr, nicht nach fremdem Gute begehren!“ Nur das Bedürfniß fremder Hilfe scheint uns so entsetzlich zu sein. Und doch kam Paulus oftmals in solche Lage; aber statt sich dessen zu schämen, rühmt er sich vielmehr und lobt Diejenigen, welche ihm zu Hilfe kamen. „Schon ein und das andere Mal,“ sagt er, „habt ihr in meinen Bedürfnissen mir geschickt;“2 und wiederum: „Andere Kirchen habe ich beraubt, indem ich Unterhalt nahm zu eurem Dienste.“3 So ist es also kein Zeichen von edler Gesinnung, sich dessen zu schämen, sondern vielmehr von Schwachheit und von einer niedrigen, unverständigen Seele.

„Aber ich kann,“ sagst du, „einen Menschen nicht ertragen, den ich oftmals bitte, ohne daß er mich erhört.“ Und wie wird dann Gott dich ertragen, wenn er oftmals dich bittet, ohne daß du auf ihn hörst, und dazu dich noch bittet zu deinem eigenen Besten? „Denn für Christus,“ sagt Paulus, „sind wir Gesandte, als ob Gott ermahnte durch uns: Versöhnet euch mit Gott!“4

„Aber ich bin doch Gottes Diener,“ sagst du. Und was soll Das? Wenn du, der Diener, trunken bist, und er, dein Herr, nicht einmal die nothwendige Nahrung hat, was soll dann der Name Diener dir helfen? Ja gerade Das wird deine Schuld noch erschweren, wenn du in dreistöckigen Häusern wohnst, während er nicht einmal ein ordentliches Dach besitzt, wenn du auf weichen Matten ruhst, und er nicht einmal ein Kissen hat.

S. 294 „Doch ich habe ja schon gegeben,“ wendest du ein. Man darf nicht aufhören, Dieses zu thun. Denn dann erst wirst du entschuldigt sein, wenn du nicht mehr geben kannst, wenn du Nichts mehr besitzest; solange du aber kannst, und hättest du auch Unzähligen gegeben, es wären aber noch Andere da, die hungern, solange hast du keine Entschuldigung. Wenn du aber noch das Getreide aufspeicherst und den Preis in die Höhe treibst und andere ungehörige Wege schlechten Gewinnes erdenkst, was soll dir dann noch für eine Hoffnung zum Heile bleiben? Umsonst dem Hungernden zu geben ist dir befohlen, und du gibst ihm nicht einmal um den angemessenen Preis; der Herr hat um deinetwillen sich solcher Herrlichkeit entäussert, und du hältst ihn nicht einmal Brodes werth! Ja, dein Hund ist angefüllt, Christus aber wird von Hunger gequält; und dein Diener will bersten vor Überfüllung, aber dein und sein Herr leidet Mangel am Nöthigen. Machen es denn so die Freunde? Ja, versöhnet euch mit Gott! Denn so betragen sich Feinde und offene Widersacher.

So schämen wir uns denn wegen all der Wohlthaten, die wir schon empfangen haben, und die wir noch empfangen werden. Und wenn bittend sich uns ein Armer naht, so wollen wir ihn mit allem Wohlwollen aufnehmen, ihn trösten, ihn freundlich aufrichten, damit wir ebenfalls bei Gott und Menschen das Gleiche finden.

„Denn Alles, was ihr wollt, daß euch die Menschen thun, Das thuet auch ihr ihnen!“5 Nichts Drückendes, nichts Beschwerliches enthält dieses Gebot. Was du an dir erfahren willst, S. 295 heißt es, Das thue auch Anderen; gleichmäßig ist der Austausch. Und das Gebot sagt nicht: Was ihr nicht wollt, daß euch geschehe, Das thuet auch nicht, sondern es enthält noch mehr. Denn so würde es bloß die Enthaltung vom Bösen gebieten, während das Gebot selbst auch die Erweisung des Guten verlangt; und in diesem ist auch Jenes schon inbegriffen. Es heißt auch nicht: Das wollet auch ihr ihnen, sondern: „Das thuet ihnen!“ Und welchen Gewinn bringt es? „Dieß ist das Gesetz und die Propheten.“ Du willst Erbarmung finden? So übe Erbarmen. Du willst Verzeihung erlangen? So gewähre Verzeihung! Du willst nicht in üblen Ruf kommen? So rede auch Niemand Übles nach! Du wünschest gelobt zu werden? So lobe auch Andere! Du willst nicht übervortheilt werden? So bringe auch Niemand um das Seine!

Siehst du, wie wir nach den Worten des Herrn das Geziemende von Natur aus wissen, ohne daß wir der Gesetze von aussen oder der Lehrer bedürfen? Denn in Hinsicht auf Das, was wir vom Nebenmenschen erfahren oder nicht erfahren wollen, geben wir uns selbst das Gesetz. Wenn du daher willst, daß Etwas dir nicht geschehe, und du thust es dem Andern, oder wenn du willst, daß es dir geschehe, und du thust es ihm nicht, so hast du dir das Urtheil selbst gesprochen, und keine Entschuldigung kann dir mehr helfen, als hättest du nicht verstanden und nicht gewußt, was man zu thun habe.

So laßt uns denn, bitte ich, um unser selbst willen dieses Gesetz wieder in uns erwecken, und so oft wir diese klare und bündige Stelle lesend den Vorsatz fassen, gegen die Mitmenschen uns so zu betragen, wie wir wollen, daß sie gegen uns sich betragen, damit wir sowohl hier ruhig und sicher leben, als auch der künftigen S. 296 Güter theilhaftig werden, durch die Gnade und Güte unseres Herrn Jesus Christus, mit welchem dem Vater zugleich mit dem heiligen Geiste Ruhm, Macht und Ehre jetzt und immer und für ewige Zeiten. Amen.

S. 297


  1. I. Kor. 9, 15. ↩

  2. Phil. 4, 16. ↩

  3. I. Kor. 11, 8. ↩

  4. II. Kor. 5, 20. ↩

  5. Matth. 7, 12. ↩

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Commentaire sur la deuxième épitre aux Corinthiens Compare
Homilien über den zweiten Brief an die Korinther (BKV)

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