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Wie nun die Kirche Christus untertan ist - Was ist die Kirche? Eine Vereinigung von Männern und Frauen - , so seien auch die Weiber ihren Männern wie Gott untertan!
V.25: „Ihr Männer, liebet eure Weiber, sowie auch Christus die Kirche geliebt hat.“
Du hast gehört, welch tiefe Unterwürfigkeit Paulus verlangt; du hast ihn als unvergleichlichen Geistesmann S. 414 gepriesen und bewundert, weil er auf die innigste Lebensgemeinschaft unter uns dringt. Gut. Er bedient sich wiederum desselben Gleichnisses. „Ihr Männer“, sagt er, „liebet eure Weiber, sowie auch Christus die Kirche geliebt hat“. Hast du das Maß des Gehorsams gesehen? Vernimm nun auch das Maß der Liebe! Du willst, daß die Frau dir gehorche, wie die Kirche Christus gehorcht? So sorge du auch für sie, wie Christus für die Kirche sorgt! Müßtest du auch dein Leben für sie hingeben, müßtest du dich auch in tausend Stücke zerreißen lassen, müßtest du auch alles Erdenkliche ertragen und leiden, weigere dich dessen nicht! Wenn du auch all das leidest, so hast du doch noch lange nicht getan, was Christus getan hat. Denn du tust das für eine, an welcher du bereits mit ganzer Seele hängst; er aber tat es für eine, welche sich von ihm abwendete und ihn haßte. Gleichwie nun er die Kirche, die sich von ihm abwendete, ihn haßte, verabscheute und mutwillig verhöhnte, durch seine große Fürsorge sich unterworfen hat, nicht durch Drohungen, Beschimpfungen, Einschüchterung und dergleichen: so benimm auch du dich gegen dein Weib! Auch wenn du siehst, daß sie dich verschmäht, spröde behandelt und verachtet, kannst du sie dir doch durch große Sorge um sie, Liebe und Freundschaft unterwerfen. Nichts fesselt mächtiger als diese Fesseln; namentlich der Mann und die Frau. Einen Sklaven kann man möglicherweise durch Furcht bändigen - nein, auch ihn nicht; denn bei der ersten Gelegenheit wird er davonlaufen -; die Lebensgefährtin aber die Mutter der Kinder, den Quell aller Freude, darfst du nicht durch Furcht und Drohungen fesseln, sondern durch Liebe und herzliches Benehmen. Denn was ist das für eine Ehe, wenn die Frau vor dem Manne zittert? Und welches Vergnügen kann der Mann selbst darin finden, wenn er mit seiner Frau wie mit einer Sklavin und nicht wie mit einer Freien S. 415 zusammenlebt? Solltest du dich auch um ihretwillen erzürnen, so mache ihr keine Vorwürfe! Denn das hat auch Christus nicht getan. „Er hat sich selbst für sie hingegeben“, sagt der Apostel,
V.26: „damit er sie heilige, nachdem er sie gereinigt.“
Sie war also unrein, mit entstellenden Flecken behaftet, häßlich, unansehnlich. Du magst heiraten wen immer, keinesfalls wirst du eine solche Braut bekommen, wie Christus an der Kirche, oder eine, die so sehr von dir abstäche wie die Kirche von Christus; aber gleichwohl verabscheute und haßte er sie nicht wegen ihrer außerordentlichen Häßlichkeit. Willst du diese Häßlichkeit kennenlernen? Höre, was Paulus sagt: „Ihr waret einst Finsternis“1 . Siehst du, wie schwarz sie war? Was ist schwärzer als die Finsternis? Siehst du, wie verwegen sie war? „Ihr lebtet“, heißt es, „in Bosheit und Neid“2 . Siehst du, wie unrein sie war? „Ihr waret widerspenstig, unverständig“3 . Doch was sage ich? Sogar töricht und verleumderisch war sie. Dessen ungeachtet gab er sich selbst für die Häßliche hin, als wenn sie reizend, lieblich und wunderschön gewesen wäre. Seiner Verwunderung hierüber gibt Paulus Ausdruck in den Worten: „Es wird einer schwerlich für einen Gerechten sterben“4 ; und in den weiteren: „Da wir noch Sünder waren, ist Christus für uns gestorben“5 . Und nachdem er eine solche Braut bekommen, verschmäht er es nicht, sie zu waschen und zu schmücken. „Damit er sie heilige“, heißt es, „indem er sie reinigte im Bad des Wassers durch das Wort;
V.27: um sich die Kirche herrlich darzustellen, ohne Makel, ohne Runzel oder etwas Dergleichen, sondern daß sie heilig und untadelig sei“.
S. 416 Durch das Bad wäscht er ihre Unreinigkeit ab. Der Apostel sagt: „durch das Wort.“ Durch welches Wort? „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“6 . Und er hat sie nicht schlechthin geschmückt, sondern sie herrlich gemacht, „ohne Makel, ohne Runzel oder etwas Derartiges“.
Auch wir wollen also nach dieser Schönheit streben, und wir können ihre Schöpfer werden. Verlange nicht von deiner Frau, was nicht in ihrer Macht steht! Siehst du nicht, daß die Kirche alles vom Herrn erhielt? Durch ihn ist sie herrlich, durch ihn ist sie rein, durch ihn ist sie untadelig geworden. Wende dich von deiner Frau nicht ab, weil es ihr an Schönheit gebricht! Höre, was die Schrift sagt: „Klein zwar ist unter den geflügelten Tieren die Biene, aber ihre Frucht hat den Vorrang unter den Süßigkeiten“7 . Sie ist ein Gebilde von Gottes Hand; dein Vorwurf trifft nicht sie, sondern den, der sie geschaffen. Was kann die Frau dafür? - Lobe sie nicht wegen ihrer Schönheit! Lob und Haß solcher Art, ja selbst die Liebe, sind ein Merkmal ungeordneter Seelen. Verlange nach seelischer Schönheit; ahme hierin den Bräutigam der Kirche nach! Die äußere Schönheit ist eine reiche Quelle von Prahlerei und Torheit, stürzt in Eifersucht und läßt dich häufig den lächerlichsten Verdacht hegen. - Aber man hat doch an ihr seine Lust? Ja, im ersten und zweiten Monat, oder, wenn es hoch kommt, ein Jahr lang, dann nicht mehr; sondern infolge des Zuammenlebens schwindet der Reiz. Aber die durch die Schönheit verursachten Fehler dauern fort: die Hoffart, der Dünkel und der Übermut. Bei einer anderen Frau dagegen ist nichts davon der Fall; vielmehr erhält sich da natürlicherweise die anfängliche Liebe in ungeminderter Stärke, weil sie eben auf der Schönheit der Seele und nicht auf der des Leibes beruht.
