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Die Frau nimmt die zweite Stelle ein, die ihr aber einen bedeutenden Rang und ein großes Maß von Gleichberechtigung verleiht; immerhin verbleibt aber dem Manne ein gewisser Vorrang. Darauf beruht hauptsächlich das Wohl der Familie. Denn nach dem Beispiele Christi hat der Mann die Verpflichtung übernommen, sein Weib nicht nur zu lieben, sondern auch zum Guten anzuleiten, "damit sie" wie der Apostel sagt, "heilig und untadelig sei". Das Wort von dem "eigenen Fleische" aber bezieht sich auf die Liebe, und auch der Ausdruck "er wird dem Weibe anhangen" bezieht sich auf die Liebe. - Wenn du nämlich deine Frau heilig und untadelig machst, so ergibt sich alles andere von selbst. Suche zuerst das Göttliche, dann wird das Menschliche sehr leicht nachfolgen. Leite deine Frau; so wird das Hauswesen zusammenstimmen. Höre, was Paulus sagt: "Wenn sie aber etwas lernen wollen, so mögen sie zu Hause ihre Männer befragen"1 . Wenn wir so unser eigenes Haus verwalten, dann werden wir auch imstande sein, der Gemeinde vorzustehen; ist ja doch die Familie eine Gemeinde im kleinen. So können Männer und Frauen, wenn sie tugendhaft geworden sind, alle übertreffen. Denke an S. 427 Abraham, Sara, Isaak und die dreihundertachtzehn Knechte, wie in diesem Hauswesen alles zusammenstimmte, wie die ganze Familie voll Gottesfurcht war! Da erfüllte die Frau das apostolische Mahnwort und fürchtete ihren Mann; höre nämlich, was sie spricht: "Bis jetzt ist mir das noch nicht begegnet, und auch mein Mann ist alt"2 . Da liebte der Mann seine Frau so sehr, daß er ihr in allem nachgab, was sie verlangte. Da war der Sohn tugendhaft; da waren auch die Knechte bewunderungswürdig, die mit ihrem Herrn die Gefahr teilten, ohne zu zaudern, ohne Ausflüchte zu suchen, ohne nach dem Warum zu fragen. Ja, einer von ihnen, der Oberknecht, zeichnete sich so sehr aus, daß ihm sogar die Brautwerbung für den einzigen Sohn und die Reise in fernes Land anvertraut wurde. - Gleichwie bei einem Heerführer, wenn auch das Heer wohlgeordnet ist, der Feind von keiner Seite eindringen kann. so verhält es sich auch hier. Wenn Mann und Frau und Kinder und Gesinde von gleicher Gewissenhaftigkeit beseelt sind, dann herrscht im Hause die größte Ordnung; während im entgegengesetzten Falle oft durch einen einzigen schlechten Dienstboten das Ganze in Verwirrung und Auflösung gerät, und dieser einzige oft alles vernichtet und zerstört.
Laßt uns daher große Sorgfalt verwenden auf unsere Frauen, Kinder und Sklaven, durchdrungen von dem Bewußtsein, daß wir uns dadurch die Herrschaft erleichtern und uns dereinst eine gnädige und gelinde Rechenschaft bereiten und sagen können: "Sieh, ich und die Kinder, die Gott mir gegeben!"3 . Ist der Mann achtungswert, ist das Haupt gut, so wird auch der übrige Körper keinen Schaden nehmen. Der Apostel hat also genau angegeben, wie das Verhältnis zwischen Mann und Weib zu einem schönen gestaltet werden könne, indem er die Frau ermahnt, den Mann zu fürchten als ihr Haupt, und den Mann, die Frau zu lieben als sein S. 428 eigen Fleisch. - Wie aber kann das geschehen, höre ich fragen? Daß es geschehen soll, hat der Apostel gezeigt; das Wie aber will ich euch jetzt ausführen: Wenn wir das Geld verachten, wenn wir einzig auf die Tugend der Seele schauen, wenn wir die Furcht Gottes vor Augen haben. Denn was der Apostel in der Ansprache an die Knechte sagt: "Was jeglicher Gutes oder Böses getan hat, das wird er vom Herrn empfangen!4 , das gilt auch hier. Liebe also die Frau nicht so fast im ihrer selbst als um Christi willen! Dieses hat er auch angedeutet in dem Worte: "Wie dem Herrn". Also tue alles so, als wenn du dem Herrn gehorchtest und um seinetwillen alles tätest. Dies ist geeignet zu gewinnen und zu überzeugen, Streit und Zwistigkeit nicht aufkommen zu lassen. Kein Gläubiger verklage den Mann bei der Frau; aber auch der Mann glaube nicht ungeschaut alles, was gegen seine Frau gesagt wird! Die Frau spüre nicht leichtgläubig allen Schritten und Tritten ihres Mannes nach; aber es soll auch der Mann keinen gerechten Anlaß zum Verdachte geben! Denn sage mir, was soll das sein? Den ganzen Tag hindurch widmest du dich deinen Freunden, der Frau schenkst du kaum die Abende, und selbst da willst du ihr nicht volle Beruhigung gewährend und jeden Verdacht benehmen? Wenn die Frau dir Vorwürfe darüber macht, so nimm es ihr nicht übel! Das ist ein Zeichen der Liebe, nicht der Anmaßung; aus glühender Liebe entspringen diese Vorwürfe, aus feuriger Zuneigung und aus Furcht. Sie besorgt nämlich, es möchte ihr jemand heimlich ihr eheliches Recht geraubt, es möchte jemand sie um ihr teuerstes Gut gebracht, es möchte jemand ihr das Haupt entrissen, es möchte jemand ihre Ehe untergraben haben.
Es gibt noch eine andere Quelle des Mißtrauens. Kein Teil lasse sich mit dem Gesinde in allzu große S. 429 Vertraulichkeit ein, weder der Mann mit der Magd, noch die Frau mit dem Knechte; denn das ist dazu angetan, Argwohn zu erzeigen. Denke nur an jene Gerechten des Alten Bundes! Sara selbst riet dem Patriarchen, die Agar zu nehmen5 . Sie selbst forderte ihn dazu auf; niemand zwang sie dazu, ihr Mann hatte mit jener keinen Umgang gehabt. Obschon er lange Zeit kinderlos geblieben war, wollte er doch lieber auf das Vaterglück verzichten, als sein Weib kränken. Und dennoch, was spricht nach all dem Sara zu ihm? "Der Herr richte zwischen mir und dir!" Wenn Abraham wie die anderen Männer gewesen wäre, würde er daraufhin nicht in Zorn geraten sein? Würde er nicht die Hand gegen sie erhoben oder wenigstens erwidert haben: Was sagst du? Ich wollte ja mit dem Weibe nichts zu tun haben, das Ganze ist ja dein Werk; und nun willst du mir darüber Vorwürfe machen? Jener aber sagte nichts Derartiges, sondern? "Sieh, deine Magd ist in deiner Hand; verfahre mit ihr nach deinem Belieben!" Diejenige, die das Lager mit ihm geteilt hatte, gab er preis, um Sara nicht zu kränken. Er konnte ihr keinen stärkeren Beweis der Zuneigung geben als diesen. Wenn schon die Gemeinschaft des Tisches selbst Räuber zur Eintracht mit ihren Gegnern bestimmt und wenn der Psalmist klagt: "Der du zusammen mit mir süße Speisen gekostet"6 , so muß folgerichtig die Vereinigung zu einem Fleische - denn das ist die Gemeinschaft des Lagers - noch viel mehr geeignet sein, Anhänglichkeit zu begründen. Doch nichts von all dem vermochte über ihn Macht zu gewinnen, sondern er gab sie seinem Weibe preis, um zu zeigen, daß das Geschehene nicht seine Schuld sei; ja noch mehr, er schickte sie fort, trotzdem sie schwanger war. Wer hätte mit der kein Erbarmen gefühlt, die ein Kind von ihm unter dem Herzen trug? Der Gerechte S. 430 jedoch ließ sich dadurch nicht rühren; denn höher als alles stellte er die Liebe zu seinem Weibe.
