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Works John Chrysostom (344-407) In epistulam ad Philippenses Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Philipper (BKV)
Vierte (Dritte) Homilie. *Phil. I, 18—24.*

2.

Dies aber sagt er nicht, als ob ihm der Tod jetzt schon bevorstände, sondern damit ihnen, wenn er ein- S. 46 mal stürbe, nichts Menschliches begegnen möge. Daß er an unserer Stelle seinen Tod nicht als unmittelbar bevorstehend ankündigen wollte, was sie in die größte Betrübnis versetzt hätte, magst du aus der schonenden Art und Weise ersehen, wie er es vorbringt; so fast, als würde er sagen: Ich erwähne dieses aber, nicht als ob ich sterben müßte. Deswegen setzt er im weiteren Verlaufe hinzu: „Und in dieser Zuversicht weiß ich, daß ich bleiben und mit euch allen zusammenbleiben werde1.“ — „Daß ich in keinem Falle,“ heißt es, „werde zuschanden werden“; das heißt: der Tod bringt mir keine Schande, sondern sogar großen Gewinn. Warum denn? Ich bin nicht unsterblich, aber ich werde herrlicher glänzen, als wenn ich selbst unsterblich wäre. Denn es ist nicht gleich, ob ein Unsterblicher oder ein Sterblicher den Tod verachtet. Also wäre selbst das keine Schande, wenn ich schon jetzt sterben müßte; indessen, ich werde noch nicht sterben. „In keinem Falle werde ich zuschanden werden,“ weder im Leben noch im Sterben; denn ich werde beides standhaft ertragen, es sei das Leben, es sei der Tod. Ein herrliches Wort, würdig einer in Christus ruhenden Seele! — „... sondern in aller Freimütigkeit,“ fährt er fort. Siehst du, warum ich nicht zuschanden werde? Ja wenn die Furcht vor dem Tode mir die Freimütigkeit benähme, dann wäre das Sterben für mich schmachvoll. Wenn aber selbst die drohende Todesgefahr mich nicht einschüchtern kann, so ist das Sterben für mich keine Schande. Vielmehr sei es, daß ich am Leben bleibe, — ich werde dadurch nicht zuschanden werden, denn ich predige das Evangelium; sei es, daß ich sterben muß, — ich werde dadurch nicht zuschanden werden, denn die Furcht gewinnt über mich keine Gewalt; denn ich lege die gleiche Unerschrockenheit an den Tag. — Ihr dürft nämlich nicht, weil ich von Fesseln gesprochen habe, darin eine Schande erblicken. Diesen Fesseln verdanke ich soviel Gutes, da sie auch andere mit zuversichtlichem Mute erfüllt haben. Denn um Christi Willen in Ketten liegen, ist keine Schande; aber aus S. 47 Furcht vor den Ketten an Christus zum Verräter werden, das ist Schande. Ist letzteres nicht der Fall, so erhöhen die Ketten nur noch das Selbstgefühl. Da ich oft den Gefahren entronnen bin und mich dessen den Ungläubigen gegenüber rühmen kann, so haltet es nicht schon für ein Zuschandenwerden, wenn euch etwas Derartiges zustößt; denn das eine muß euch nicht weniger mit Zuversicht erfüllen als das andere. — Beachte, wie er diese Belehrung an seine eigene Person anknüpft, ein Verfahren, das er auch sonst vielfach beobachtet; so wenn er im Briefe an die Römer sagt: „Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht2“, so im Briefe an die Korinther: „Dieses aber habe ich auf mich und Apollo übertragen3.“ — „Sei es durch Leben, sei es durch Tod.“ Nicht als ob er darüber in Unkenntnis wäre, spricht er so; denn er weiß, daß er nicht jetzt schon sterben wird, sondern erst später; indes er will ihre Seelen schon im voraus für diesen Fall wappnen,

V. 21: „Denn mir ist das Leben Christus,“ fährt er fort, „und das Sterben Gewinn.“

Auch wenn ich sterben muß, das ist der Sinn, so werde ich doch nicht tot sein, da ich das Leben in mir habe. Nur dann könnte man mich vernichten, wenn es gelänge, durch Einschüchterung den Glauben aus meiner Seele zu verbannen; so lange aber Christus mit mir verbunden bleibt, lebe ich, selbst wenn der Tod (mich) überkommt. Aber auch in dem gegenwärtigen Leben ist nicht dieses mein eigentliches Leben, sondern Christus. Wenn also auch in dem gegenwärtigen Leben nicht, was4 besagen dann die Worte: „Was ich aber jetzt lebe im Fleische, das lebe ich im Glauben5.“? Dieses spreche ich an der nämlichen Stelle aus: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in S. 48 mir6.“ — So soll der Christ beschaffen sein. — Ich lebe nicht, versichert er, das gewöhnliche Leben. Wieso lebst du nicht, heiliger Paulus? Siehst du nicht die Sonne? Atmest du nicht die gemeinsame Luft? Nährst du dich nicht mit derselben Nahrung wie alle andern? Trittst du nicht die Erde wie wir? Bedarfst du nicht des Schlafes? nicht der Kleider? nicht der Schuhe? Wie kannst du da sagen: ich lebe nicht? Inwiefern lebst du nicht? Was prahlst du so? — Das ist keine Großsprecherei. Ja, wenn nicht die Tatsachen es bezeugten, dann könnte man mit Recht von Großsprecherei reden; wenn aber die Tatsachen es bezeugen, wie sollte es da Großsprecherei sein? Laßt uns also kennen lernen, inwiefern er nicht lebt! Er äußert sich ja auch anderswo: „Ich bin der Welt gekreuzigt und mir die Welt7.“ Höret denn, inwiefern er sagen konnte: „Nicht mehr ich lebe,“ und inwiefern er sagen konnte: „Mir ist das Leben Christus!“ — Das Wort „Leben“ ist vieldeutig, Geliebte, wie auch das Wort „Tod“. Es gibt ein Leben, das des Leibes nämlich, es gibt ein Leben der Sünde; wie er selbst an anderer Stelle sagt: „Wenn wir aber der Sünde abgestorben sind, wie sollten wir noch in ihr fortleben?8“ Man kann also ein Leben der Sünde leben. Gebt sorgfältig acht, ich bitte euch, damit wir uns nicht umsonst bemühen! Es gibt (sodann) ein immerwährendes und unsterbliches Leben, das himmlische mit ewigem Leben. Denn es heißt: „Unser Wandel ist im Himmel9.“ Das leibliche Leben hat der Apostel im Auge, wenn er sagt: „Durch ihn leben wir, bewegen wir uns und sind wir10.“ Nicht vom natürlichen Leben nun behauptet er, daß er es nicht lebe, sondern von jenem Sündenleben, welches alle Menschen leben. Wer nicht am gegenwärtigen Leben hangt, wie sollte der ein Sündenleben führen? Wer sich nach dem anderen Leben sehnt, wie sollte der ein Sün- S. 49 denleben führen? Wer den Tod verachtet, wie sollte der ein Sündenleben führen? Wer nach nichts verlangt, wie sollte der ein Sündenleben führen? Wie ein Mann aus Stahl und Eisen sich nie daran kehrt, ob ihn auch tausend Schläge träfen, so auch Paulus nicht „Nicht mehr ich lebe,“ sagt er, d. h. nicht mehr der alte Mensch; und anderswo wiederum: „Ich unglücklicher Mensch! Wer wird mich erlösen aus dem Leibe dieses Todes?11“ Wer solcherart nichts um der Nahrung, nichts um der Kleidung, nichts um irgendeines zeitlichen Gutes willen tut, wie sollte ein solcher leben? Ein solcher lebt auch nicht das natürliche Leben. Wer sich um nichts bekümmert, was zum Leben dient, der lebt es nicht. Wir leben dieses irdische Leben, die wir alles für dasselbe tun; er aber lebte es nicht. Er gab sich mit den Dingen hienieden ganz und gar nicht ab; wie hätte er es da leben sollen? So sagen auch wir von manchen Menschen: der und der ist für mich nicht da, wenn er an dem, was mich angeht, gar keinen Anteil nimmt; ebenso wiederum: der und der lebt für mich nicht. — Denn daß er nicht das natürliche Leben an sich verschmäht, ergibt sich aus einer andern Stelle, wo er sagt: „Was ich aber jetzt lebe im Fleische, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat12.“ Das heißt, ich lebe gewissermaßen ein neues, besonderes Leben.


  1. Phil. 1, 25. ↩

  2. Röm. 1, 16. ↩

  3. 1 Kor. 4, 6. ↩

  4. Der schadhafte Text wird am richtigsten folgendermaßen zu lesen sein: Εἰ τοίνυν οὐδὲ ἐν τῆ ζωῇ ταῦτῃ, τί τοῦτό ἐστιν: Ὃ δὲ κ. τ. ξ. Die Ergänzung der Mauriner ist kontext- und sinnwidrig. ↩

  5. Gal 2, 20. ↩

  6. Gal. 2, 20. ↩

  7. Ebd. 6, 14. ↩

  8. Röm. 6, 2. ↩

  9. Phil. 3, 20. ↩

  10. Apg. 17, 28. ↩

  11. Röm. 7, 24. ↩

  12. Gal. 2, 20. ↩

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