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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ad Philippenses Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Philipper (BKV)
Vierzehnte (Dreizehnte) Homilie. *Phil. III, 18 bis Phil. IV, 3.*

4.

Alles haben wir im Himmel, sagt Paulus, unsern Heiland, unsere wahre Heimat, kurz alles, was man nur immer nennen mag. „Woher wir auch“, heißt es, „als Heiland erwarten den Herrn Jesus Christus.“ Auch hierin zeigt sich seine Menschenfreundlichkeit. Er kommt selbst wieder zu uns, zieht uns nicht (zu sich) hinauf, und so uns an der Hand führend kehrt er in den Himmel zurück; und dadurch erweist er uns eine große Ehre. Wenn er nämlich schon zu uns gekommen ist, als wir S. 199 noch seine Feinde waren, so wird er umso mehr zu uns kommen, nachdem wir seine Freunde geworden sind. Er betraut damit nicht seine Engel oder seine Diener, sondern kommt selbst, um uns in sein Reich einzuladen. Sieh, auch wir werden auf den Wolken emporfahren, wenn wir ihn ehren. — Wer wird nun wohl als treuer und kluger Knecht erfunden werden1? Welche werden nun wohl so großer Güter gewürdigt werden? Wie bedauernswert sind diejenigen, welche derselben verlustig gehen! Denn würden wir auch in einemfort weinen: könnte das jemals einem solchen Verluste entsprechen? Magst du auch tausend Höllen nennen, so wirst du doch nimmermehr etwas ausgesprochen haben, das jenem unsäglichen Wehe gleicht, welches die Seele ausstehen muß, wenn der ganze Erdball in seinen Grundfesten wankt, wenn die Posaunen erschallen, wenn die Engelheere herabkommen, erst eine Schar, dann eine zweite, dann eine dritte, dann unzählige Scharen sich auf die Erde ergießen, darauf die Cherubim in großer, ja endloser Menge, sodann die Seraphim, wenn er selbst erscheint in jener unaussprechlichen Herrlichkeit, wenn sie entgegeneilen, um die Auserwählten unter den Angekommenen vor den Herrn zu führen, wenn Paulus mit seinen Jüngern und alle, die sich gleich ihm ausgezeichnet haben, bekränzt, als Sieger ausgerufen, von dem Könige angesichts des ganzen himmlischen Heeres geehrt werden. Ja, wenn es auch gar keine Hölle gäbe, wie mächtig muß der bloße Gedanke ergreifen, daß die einen mit Ehre überhäuft, die andern mit Schande bedeckt werden? Unerträglich ist die Hölle, ich gebe das zu, ganz unerträglich; indes noch weit unerträglicher als sie ist der Verlust des Himmelreiches. — Bedenket: wenn ein König oder königlicher Prinz ins Feld zöge und nach glücklicher Beendigung zahlloser Kriege als gefeierter Held mit seinem ganzen Heere in einer Stadt seinen Einzug hielte, auf dem Triumphwagen, mit Trophäen, begleitet von tausend und abertausend Scharen von Kriegern mit goldenen Schilden, umgeben von all seiner Leibwache; und wenn die ganze Stadt im S. 200 Festschmucke prangte, wenn alle Fürsten des Erdkreises um ihn wären und (auch die ganze waffenfähige Jugend) der kriegsgefangenen ausländischen Völker ihm folgte; wenn er sodann [Statthalter, Satrapen] in Gegenwart der gesamten Fürsten, bei Entfaltung all dieser Pracht die ihm entgegenkommenden Bürger empfinge, küßte, ihnen die Hand reichte, sie auf jede Weise ermutigte, in Gegenwart aller mit ihnen wie mit Freunden sich unterhielte und versicherte, er habe diesen ganzen Zug ihnen zuliebe unternommen; und wenn er sie in sein Königsschloß führte und ihnen Anteil daran gäbe: würde das für die übrigen nicht die allergrößte Strafe sein, auch wenn sie sonst keine Strafe zu leiden hätten? — Wenn es aber schon bei einem Menschen so bitter ist, solcher Ehre verlustig zu gehen, um so mehr dann bei Gott; wenn alle himmlischen Mächte mit dem König anwesend sind, wenn die Dämonen gefesselt und niedergebeugt, der Teufel selbst gebunden fortgeschleppt wird samt der ganzen feindlichen Macht, wenn die Mächte des Himmels, wenn er selbst erscheint auf den Wolken. Glaubt mir, der Schmerz, der bei dieser Schilderung meine Seele erfaßt, ist so heftig, daß ich nicht einmal ausführlich darüber zu sprechen imstande bin. Laßt uns doch bedenken, welch großer Herrlichkeit wir verlustig gehen, obschon wir diesen Verlust verhindern könnten! Das ist ja eben das Furchtbare daran, daß wir einem solchen Schicksale verfallen, wiewohl es in unserer Macht stünde, dasselbe zu vermeiden. Wenn der Herr die einen aufnimmt und zu seinem Vater in den Himmel geleitet, die anderen dagegen zurückläßt, und nun die gefallenen Engel sie ergreifen und, so sehr sie sich sträuben und weinen und sich krümmen mögen, zum höllischen Feuer hinzerren, nachdem sie zuvor angesichts der ganzen Welt zu schanden geworden: wie groß, glaubst du wohl, muß dieser Schmerz sein? —

Beeilen wir uns daher, solange es noch Zeit ist, und tragen wir angelegentlich Sorge für unser Heil! Wie sehr werden wir sonst Ursache haben, eine ähnliche Sprache zu führen wie jener Reiche2: Wenn man es uns jetzt S. 201 gestatten würde, o wie wollten wir auf das bedacht sein, was uns zum Heile dient. Doch niemand gewährt es. Und daß wir so sprechen werden, ergibt sich nicht nur aus diesem Beispiele allein, sondern auch aus vielen andern. Damit du das einsehest —: Wie viele, wenn sie in Fieberglut lagen, haben gesagt: Wenn wir wieder aufkommen, so wollen wir nicht mehr in dieselbe Krankheit fallen. Vieles dergleichen werden auch wir dann sagen, aber die nämliche Antwort zu hören bekommen wie der reiche Prasser: es ist eine große Kluft, wir haben das Gute bereits in diesem Leben empfangen. — So laßt uns nun, ich beschwöre euch, bitterlich seufzen; oder besser gesagt, laßt uns nicht nur seufzen, sondern auch eifrig nach der Tugend streben! Laßt uns jetzt trauern zu unserem Heile, damit wir nicht alsdann vergeblich trauern müssen! Laßt uns jetzt weinen, dann werden wir nicht in der Ewigkeit über unsere Bosheit weinen! Hier ist das Weinen ein Ausfluß der Tugend, dort die Äußerung nutzloser Reue. Laßt uns jetzt selbst Trübsal bereiten, damit wir nicht in der Ewigkeit Trübsal zu leiden haben! Die Trübsal hienieden läßt sich gar nicht vergleichen mit der Trübsal im Jenseits. Hienieden brauchst du die Trübsal nur kurze Zeit ertragen, ja du fühlst sie kaum, weil du weißt, daß sie dir zum Besten gereicht; drüben aber ist die Trübsal ungleich schlimmer, weil sie keine Hoffnung und keinen Ausweg mehr zuläßt, sondern endlos und unaufhörlich fortdauert. — Möchten wir doch alle davon befreit bleiben und der ewigen Ruhe teilhaftig werden! Wohlan denn, beten wir und bestreben wir uns, daß wir der ewigen Ruhe teilhaftig werden! Bestreben wir uns, ich bitte euch; denn wenn wir uns strebend bemühen, so wird auch unser Gebet von Erfolg sein. Wenn wir anhaltend beten, so gewährt uns Gott Erhörung. Wenn wir aber weder ihn bitten, noch in dieser Richtung etwas tun, wie ist es denkbar, daß es uns jemals gelingen sollte? Sozusagen im Schlafe? Nie und nimmer. Müssen wir ja froh sein, wenn wir durch angestrengtes Laufen und durch Gleichförmigkeit mit dem Tode des Herrn, wie Paulus sagt, das Ziel erreichen können: geschweige denn im Schlafe. — „Ob ich etwa dahin gelangen möge“, sagt er. Wenn aber S. 202 ein Paulus sagt: „Ob ich etwa dahin gelangen möge“, was sollen erst wir sagen? Kann man ja im Schlafe nicht einmal weltliche Dinge vollbringen, geschweige denn geistliche; kann man ja im Schlafe nicht einmal von seinen Freunden etwas bekommen, geschweige denn von Gott; belohnen uns ja nicht einmal die Väter, wenn wir schlafen, geschweige denn Gott. Laßt uns eine kurze Zeit Arbeit und Mühe ertragen, damit wir die ganze Ewigkeit hindurch ausruhen können! Ohne Trübsal geht es nun einmal nicht ab; wollen wir sie uns in diesem Leben ersparen, so wartet sie unser im Jenseits. Warum ziehen wir es nicht vor, hienieden Trübsal zu erdulden, damit wir uns drüben der ewigen Ruhe erfreuen können und der unaussprechlichen Güter teilhaftig werden in Christus Jesus, mit welchem dem Vater gleichwie dem Heiligen Geiste Herrlichkeit, Macht und Ehre sei, jetzt und allezeit und in alle Ewigkeit. Amen.


  1. Vgl. Matth. 24, 45. ↩

  2. Vgl. Luk. 16, 19 ff. ↩

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