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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ad Colossenses commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Kolosser (BKV)
Elfte Homilie. *Kol. IV, 5—11.*

4.

Wieso? entgegnet man; der Beifall gilt ja nicht mir. Tue doch nie eine solche Äußerung! Halte deine Lippen geschlossen! Wenn du in meiner Nähe wärest, der du so sprichst, so hätte ich dir auch meine Hand auf die Lippen gelegt, damit es der Feind nicht höre. Nicht selten kommt es vor, daß wir unter uns eine Feindschaft haben; aber vor den Feinden lassen wir nichts davon merken: und du willst sie nun vor dem Teufel offen zur Schau tragen? Rede nicht so, denke nicht so, sondern vielmehr das Gegenteil: Er ist ein Glied von mir; sein Ruhm geht auf den ganzen Körper über. — Wie kommt es nun, sagt man, daß die Außenstehenden nicht so gesinnt sind? Weil du daran schuld bist. Wenn sie sehen, daß du seiner Freude fremd gegenüberstehst, so bleiben auch sie derselben fremd; was sie nicht wagen würden, wenn sie sähen, daß du sie zu deiner eigenen machst. — Nun aber zeichnest auch du dich geradeso aus. Du erlangst zwar keine Berühmtheit als Redner; aber dadurch, daß du dich mit dem Gefeierten freust, gewinnst du noch größeren Beifall als jener. Wenn nämlich die Liebe etwas Großes und der Inbegriff aller Vollkommenheit ist, so erwirbst du dir den Siegeskranz, der durch sie gewonnen wird; jener bekommt den Preis der Beredsamkeit, du den Preis der innigen Liebe; jener legt Proben ab von der Macht des Wortes, du besiegst durch Taten den Neid und unterdrückst die Scheelsucht. Daher verdienst du mit mehr Recht noch als jener den Siegeskranz; der von dir bestandene Kampf ist ruhmvoller. Du hast nicht bloß die Scheelsucht mit Füßen getreten, sondern noch etwas anderes erreicht. Jener erhält nur einen Preis, du aber ihrer zwei, und zwar beide herrlicher als der eine. Was für Preise sind das? Den einen Kranz hast du gegen den S. 396 Neid davongetragen, den andern dir aus der Liebe gewunden. Denn die Mitfreude ist nicht nur ein Zeichen, daß du frei bist von Neid, sondern auch, daß du eine tief gewurzelte Liebe besitzest. Jenen belästigt oft noch menschliche Leidenschaft, z. B. die Eitelkeit; du aber bist von jeder Leidenschaft frei. Denn plagte dich die Eitelkeit, so würdest du dich sicherlich nicht freuen über die Vorzüge eines andern. Sage mir, er hat die Kirche aufgerichtet, die Versammlung vermehrt? Spende ihm abermals Beifall! Du erntest dafür doppelten Lohn: du hast den Neid niedergekämpft; du hast die Liebe dir um die Stirne gewunden. Ja, ich bitte und beschwöre dich darum. — Willst du noch von einer dritten Krone hören? Jenem spenden die Menschen hienieden rauschenden Beifall, dir die Engel in den Höhen des Himmels. Denn es ist nicht gleich, ob man Proben von glänzender Beredsamkeit ablegt, oder ob man die Leidenschaften bezwingt. Jener Ruhm ist vorübergehend, dieser von ewiger Dauer; jener stammt von Menschen, dieser von Gott; jener wird vor aller Augen bekränzt, du aber im Verborgenen, wo nur dein Vater es sieht. Wenn es möglich wäre, den Leib zu öffnen und eines jeden Seele zu schauen, so könnte ich dir zeigen, daß dieser Ruhm erhabener ist, in herrlicherem Glanze strahlt als jener. — Geliebte! Laßt uns den Stachel des Neides zertreten, unser eigenes Interesse fördern, selbst uns den Siegeskranz winden! — Wer dem Neide frönt, der bekämpft Gott, nicht seinen Mitbruder. Wenn er nämlich sieht, daß dieser beliebt ist, und sich darüber ärgert und auf die Vernichtung der Kirche ausgeht, so kämpft er nicht gegen den Mitbruder, sondern gegen Gott. Sage mir doch: Wenn jemand die Tochter des Kaisers reizend geschmückt und dadurch, daß er ihr ein schönes und stattliches Aussehen verlieh, Berühmtheit erlangt hätte, und ein anderer ginge darauf aus, sie zu verunstalten, ohne imstande zu sein, ihr die frühere Schönheit wieder zu verschaffen; gegen wen wäre da wohl seine Nachstellung gerichtet, gegen den Künstler oder gegen die Kaiserstochter und deren Vater? Ebenso verhält es sich auch mit dir, wenn du Neid hegst; du befehdest die Kirche, du führst Krieg gegen Gott. Weil nämlich mit S. 397 dem Ansehen deines Bruders auch die Wohlfahrt der Kirche auf das innigste verflochten ist, so muß notwendig durch die Untergrabung jenes auch diese untergraben werden. Also verrichtest du auch hierin ein wahrhaft satanisches Werk, indem du auf den Untergang des Leibes Christi hinarbeitest. Du ärgerst dich über jenen? Schlimm, da er dir nichts zuleide getan hat; aber weit mehr noch gilt dein Ärger Christus. Was hat dir dieser zuleide getan, daß du Seinen Leib nicht im Schmucke der Schönheit prangen läßt? daß du über die herrliche Zierde seiner Braut ungehalten bist? Sieh doch nur, welch große Strafe dir daraus erwachsen muß! Deinen Feinden machst du Vergnügen, und gerade jenem angesehenen Mitbruder, dem du in deinem Neide wehe tun willst, bereitest du einen noch größeren Triumph: durch deine Anfeindung machst du auf seine Bedeutung nur noch mehr aufmerksam — denn sonst würdest du ihn nicht anfeinden —, und zeigst dadurch nur umso eindringlicher, daß du selber dabei gestraft bist. — Ich muß mich nun zwar schämen, durch solche Beweggründe zur Tugend anzutreiben; allein da es einmal so schwach mit uns bestellt ist, so wollen wir uns selbst durch solche Gründe bestimmen lassen, um von dieser unseligen Leidenschaft frei zu werden! Es berührt dich unangenehm, daß dein Bruder allgemein geachtet ist? Warum erhöhst du da sein Ansehen durch deinen Neid? Du möchtest dich gerne an ihm rächen? Warum läßt du dir da deinen Ärger anmerken? Warum strafst du dich selbst vor den Augen dessen, dem du sein Ansehen nicht gönnst? Infolge davon wird derselbe einen doppelten Triumph feiern, und du wirst doppelt gestraft sein: nicht nur, weil du für seine Größe Zeugnis ablegst, sondern weil du ihm noch eine weitere Freude bereitest, indem du dich selbst strafst; und wiederum muß er sich über das, worüber du dich ärgerst, freuen, weil du ihn darum beneidest. Schau, wie wir uns selbst schwere Wunden schlagen, ohne es zu merken! — Er ist dein Feind? Ja warum ist er denn dein Feind? Welches Unrecht hat er dir denn zugefügt? Doch selbst zugegeben: wir verhelfen dadurch dem Feinde nur zu noch größerem Ruhme, während wir uns selber umso empfindlicher strafen. S. 398 Auch darin liegt wieder eine Strafe für uns selbst, wenn wir gewahr werden, daß jener Kenntnis davon hat. Denn jener freut sich vielleicht darüber gar nicht; wir aber in dem Wahne, er freue sich, fühlen uns auch aus diesem Grunde wieder tief gekränkt. So laß denn ab vom Neide! Warum willst du dir selbst Wunden beibringen? — Dies, Geliebte, laßt uns beherzigen: die doppelte Krone der Neidlosen, den Beifall seitens der Menschen, den Beifall seitens Gottes, die aus der Scheelsucht entspringenden Nachteile! Und so werden wir imstande sein, diese Bestie zu bezwingen, Ansehen zu erlangen in den Augen Gottes und desselben Lohnes teilhaftig zu werden wie die Angesehenen selbst. Denn vielleicht erlangen wir ihn; sollten wir ihn aber nicht erlangen, so gewiß nur zu unserem Besten. Und so werden wir, wenn anders wir zur Ehre Gottes leben, der Güter teilhaftig werden können, welche denen verheißen sind, die ihn lieben; durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit unseres Herrn Jesus Christus, mit welchem dem Vater gleichwie dem Heiligen Geiste Herrlichkeit, Macht und Ehre sei, jetzt und allezeit und in alle Ewigkeit. Amen.

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