2.
So sind wir deßhalb, Brüder, durch euch getröstet bei all unsrer Trübsal und Nothdurch euren Glauben, denn nun leben wir, wenn ihr fest stehet im Herrn.
Was fürwahr in aller Welt kommt dem hl. Paulus gleich, der das Wohl des Nebenmenschen für sein eigenes erachtete, der allen Menschen so zugethan war, wie der Leib seinen Gliedern? Wo wäre heutzutage Einer, der so zu sprechen, zu fühlen, zu denken vermöchte! Der Apostel will nicht, daß die Gläubigen ihm danken für die Leiden, die er ihretwegen erduldet, nein, er dankt ihnen dafür, daß S. 604 sie nicht wankend geworden ob seiner Trübsale. Er will sagen: Ihr seid durch meine Bedrängnisse mehr getroffen worden, als ich selbst. Ihr, die ihr Nichts zu leiden hattet, seid mehr versucht worden als ich, der ich leiden mußte. Nachdem uns nun, fährt der Apostel weiter, Timotheus diese frohe Botschaft gebracht, fühlen wir keinen Schmerz mehr in unserer Trübsal, ja nicht einmal in der größten Noth. Ganz erklärlich: denn einen guten Meister kann Nichts anfechten, wofern nur hinsichtlich der Jünger Alles nach Wunsch geht.
„Durch euch,“ sagt der Apostel, „sind wir getröstet worden,“ d. h. ihr habt uns gestärkt. Und doch ist eigentlich das Umgekehrte der Fall. Nämlich, daß die Apostel nicht wichen und wankten, daß sie muthig aushielten, das mußte für die Schüler Grund genug zur Standhaftigkeit und Ausdauer sein. Der Apostel dreht aber die Sache um und wendet den Gläubigen das Verdienst zu. Ihr habt, sagt er, uns getröstet, ihr habt bewirkt, daß ich wieder aufathmen konnte, ihr habt mich mein Leiden nicht mehr fühlen lassen. Er gebraucht aber nicht die Ausdrücke: „ich habe aufgeathmet, ich habe Trost gefunden,“ sondern er sagt: „Jetzt leben wir.“ Mit diesen Worten wollte der Apostel ausdrücken, daß er kein anderes Leiden und keinen anderen Tod kenne, als wenn den Gläubigen Ärgerniß gegeben werde, und ebenso kein anderes Leben, als wenn Jene immer Fortschritte im Guten machten. Wie hätte ein anderer Meister seinen Schmerz über die Schwäche der Jünger oder seine Freude über ihre Fortschritte in solcher Weise zu äußern vermocht! Der Apostel sagt nicht: „Wir freuen uns,“ sondern er ruft aus: „Dann leben wir,“ und meint damit wohl III. das ewige Leben. Ohne dieses gilt uns also das leibliche Leben nicht als Leben. Ja, so müssen die Meister, so müssen die Jünger gesinnt sein. Dann ist Alles wohlbestellt. — Der Apostel geht noch weiter und sagt:
S. 605 9. Denn wie können wir Gott genug danken für all die Freude, die wir eurethalben vor unserm Gott empfunden? 10. Tag und Nacht flehen wir über die Massen, daß wir euer Angesicht sehen und Das, was etwa eurem Glauben mangelt, ergänzen mögen.
Nicht bloß das Leben schulde ich euch, sagt der Apostel, sondern auch so viele und große Freude, daß ich euch nicht gebührend Dank zu sagen vermag. Mein Glück betrachte ich als eine Gabe Gottes; und ihr seid es, die mich so glücklich gemacht haben, daß ich es nicht bloß als eine Gabe, sondern sogar als ein Werk Gottes betrachte. Denn solche Besinnung kann nicht menschlicher Sinn hervorbringen, kann nicht menschliches Bestreben erzeugen.
Tag und Nacht flehen wir über die Massen.
Auch das ist eine Äußerung der Freude von Seiten des Apostels. Gleichwie ein Landmann, der da hört, daß das Feld, so er bebaute, von Früchten strotzt, dasselbe schauen will mit eigenen Augen, so sehnt sich Paulus nach Mazedonien.