• Start
  • Werke
  • Einführung Anleitung Mitarbeit Sponsoren / Mitarbeiter Copyrights Kontakt Impressum
Bibliothek der Kirchenväter
Suche
DE EN FR
Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam i ad Thessalonicenses homiliae 1-11 Homilien über den I. Thessalonicher-Brief (BKV)
Vierte Homilie.

3.

Wir flehen über die Massen (beachte die Hyperbel! — ὑπερεκπερισσοῦ), daß wir euer Angesicht sehen und Das, was eurem Glauben etwa mangelt, ergänzen mögen.

Hier erhebt sich nun eine wichtige Frage. Es kann nämlich Folgendes eingewendet werden. Wenn der Apostel jetzt, da die Gläubigen feststehen, lebt; wenn Timotheus ihm so erfreuliche Nachricht gebracht hat; wenn er so voll Freude ist, daß er nicht einmal Gott dafür gebührend Dank zu sagen vermag: wie kann er dann noch davon reden, daß ihrem Glauben noch Etwas fehle? Wären S. 606 demnach die obigen Worte nicht als bloße Schmeicheleien aufzufassen? Dem ist nicht also; sondern der Sachverhalt ist ganz anders. Vorher nämlich hat er ihnen das Zeugniß gegeben, daß sie viele Kämpfe beständen und in keiner Weise den Gemeinden in Judäa nachstanden. Und doch fehlt ihnen noch Etwas? Ja, sie hatten nämlich noch keinen vollständigen Unterricht genossen, noch nicht alles Nothwendige gehört, wie aus den Belehrungen, die er am Schlusse gibt, hervorgeht. Vielleicht hatten sie noch Zweifel in Betreff der Lehre von der Auferstehung, vielleicht wurden sie zwar nicht mehr durch Leiden und Gefahren, wohl aber durch falsche Lehrer beunruhigt, die sich für die wahren Lehrer ausgaben. Darum redet der Apostel von Dem, „was ihrem Glauben noch abgehe“, und fügt nicht bei: „um diesen zu befestigen,“ sondern: „um das Mangelnde zu ergänzen.“ Früher, als er wegen ihres Glaubens selbst in Angst war, da sagte er: „Ich schicke den Timotheus, um euch zu befestigen.“ Hier sagt er: „Um Das, was euch mangelt, zu ergänzen.“ Da ist aber doch mehr von Belehrung als von Bestärkung die Rede, ähnlich sagt der Apostel an einer andern Stelle: „Damit ihr vollends tüchtig sein möget zu jedem guten Werke.“1

11. Er aber, unser Gott und Vater und unser Herr Jesus Christus, lenke unsern Weg zu euch hin; 12. und euch gebe der Herr überschwängliches Wachsthum und Gedeihen in der Liebe zu einander und gegen alle Menschen, gleich unserer Liebe gegen euch.

Es ist ein Zeugniß außerordentlicher Liebe, daß der S. 607 Apostel nicht bloß im Stillen um jene Gnaden für die Gläubigen betet, sondern daß er das Gebet auch in sein Sendschreiben aufnimmt. Ja, diese Worte sind der Erguß einer von Liebe glühenden, mit Sehnsucht erfüllten Seele. Es mag auch darin die Andeutung gefunden werden, daß auch die Thessalonikischen Gläubigen gar sehr wünschten, den Apostel zu sehen; sie enthalten aber auch wohl den Hinweis, daß diese nicht aus Mangel an Eifer oder gutem Willen die Reise unterlassen haben. Der Sinn der Worte ist also ungefähr: Möge Gott selbst den Trübsalen, die da und dort mich bedrängen, ein Ende machen, auf daß ich geraden Weges zu euch kommen kann.

„Euch aber gebe der Herr überschwängliches Wachsthum und Gedeihen!“ Beachtet, welch unbezwingbare Liebesgluth sich auch in diesen Worten kundgibt! Der Apostel sagt nicht: „Möge der Herr eure Liebe mehren!“, nein, er gebraucht die Ausdrücke: „Überschwängliches Wachsthum und Gedeihen.“ Das wird wohl heißen sollen, er will in ganz besonderer Weise von ihnen geliebt werden.

„Gleich unserer Liebe gegen euch.“ Dieß will wohl heißen: Bei mir ist eine solche Liebe zu euch schon vorhanden; bei euch soll eine solche nur entstehen. Beachtet dann ferner, wie der Apostel die Liebe ausgedehnt wissen will, nämlich nicht bloß auf die zunächst Stehenden, sondern auf alle Menschen. Denn das ist eine Eigenschaft der gottentstammten Liebe, daß sie alle Menschen umfaßt. Eine Liebe aber, die sich bloß auf den Einen bezieht, auf den Andern aber nicht, ist eine rein menschliche. Eine solche ist aber die des Apostels nicht. „Gleich unserer Liebe gegen euch.“

S. 608 13. Damit er eure Herzen kräftige, daß ihr untadelhaft und rein dastehet vor unserm Gott und Vater bei der Ankunft unsers Herrn Jesu Christi mit allen seinen Heiligen.

Mit diesen Worten erklärt der Apostel zunächst, daß es für die Gläubigen selbst viel nützlicher sei, wenn sie ihre Nebenmenschen liebten, als für Diejenigen, die von ihnen geliebt würden. Diese eure Liebe, sagt er, soll wachsen, aus daß euch kein Tadel treffe. Der Apostel sagt nicht: „Daß er euch kräftige,“ sondern: „daß er eure Herzen kräftige.“ „Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken,“2 und darum kann Einer böse sein, auch wenn er keine böse That verübt. Neid, Falschheit, Arglist, Wohlgefallen am Bösen, Lieblosigkeit, Ketzerei: Das alles hat seinen Ursprung und Sitz im Herzen. Von all diesen Dingen rein zu sein, darin besteht die Gottwohlgefälligkeit und Reinheit des Herzens. Unter Reinheit des Herzens im eigentlichsten Sinne versteht man die Keuschheit, und das Gegentheil davon, Unzucht und Ehebruch, nennt man geradezu Unreinigkeit; im Allgemeinen aber ist jede Sünde Unreinheit und jede Tugend Reinheit, und in diesem Sinnen heißt es auch: „Selig sind, die ein reines Herz haben,“3 nämlich rein in jeder Beziehung.


  1. Hebr. 13, 21. ↩

  2. Matth. 15, 19. ↩

  3. Ebd. 5, 8. ↩

pattern
  Drucken   Fehler melden
  • Text anzeigen
  • Bibliographische Angabe
  • Scans dieser Version
Download
  • docxDOCX (147.23 kB)
  • epubEPUB (126.03 kB)
  • pdfPDF (496.93 kB)
  • rtfRTF (395.78 kB)
Übersetzungen dieses Werks
Commentaire sur la première épitre aux Thessaloniciens vergleichen
Homilien über den I. Thessalonicher-Brief (BKV)

Inhaltsangabe

Theologische Fakultät, Patristik und Geschichte der alten Kirche
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Impressum
Datenschutzerklärung