3.
Ich will noch einen dritten Punkt hervorheben. Es gibt eine Klasse von Menschen, welche gar sehr an diesem Leben hängen und diese Welt in gar hohem Grade lieben. Diese würden, wüßten sie ihre Todesstunde genau vorher, vor Angst und Bangigkeit vergehen. Wüßte z. B. ein Jüngling, daß er lange vor dem Eintritte des Greisenalters sterben müßte, so würde ihm zu Muthe sein wie schwachen, wehrlosen Thieren, die noch mehr erschrecken, wenn sie zur Schlachtbank geführt werden und den Tod nun deutlich und unabwendbar vor Augen sehen.
Und die tapfern, muthigen Männer? Könnten diese eine Anerkennung erwarten für ihren Muth und ihre Tapferkeit? Wenn ein Solcher wüßte, daß er erst nach drei Jahren sterben müßte und vor drei Jahren gar nicht sterben könnte, was würde ein Solcher für ein Verdienst haben bei kühnen und schwierigen Unternehmungen? S. 682 Jeder kann einem Solchen ja zurufen: Du kannst leicht muthig sein im tröstenden Hinblick auf die bewußten drei Jahre. Du kannst dich leicht den größten Gefahren aussetzen, weil du ja den Freibrief gegen Tod und Untergang in der Tasche trägst. Nur Derjenige, welcher bei einer Unternehmung eines gefährlichen Wagestückes den Tod vor Augen sieht, während er bei Vermeidung desselben sein Leben geborgen weiß, nur der gibt einen deutlichen Beweis von Muth und Todesverachtung.
An einem Beispiele will ich euch Dieses erläutern. Wenn der Patriarch Abraham damals, als er seinen Sohn zum Opfern auf den Berg führte, schon gewußt hätte, daß sein Sohn am Leben bleiben würde, hätte er dann von seinem Gehorsam irgend ein Verdienst gehabt? Und wenn Paulus sich so vielen Todesgefahren unterzogen hatte in der klaren Erkenntniß, daß sie ihm nicht schaden, was würden wir dann hierin Bewunderungswürdiges entdecken? Sicher gar Nichts; denn auch der feigste Mensch kann sich ruhig in den Feuerpfuhl stürzen, wofern er hinreichende Gründe hat, zu glauben, daß ihm kein Leid widerfahren Ganz anders dachten die drei Jünglinge im Feuerofen. Doch höret ihre eigenen Worte: „Es ist, König, ein Gott im Himmel, der uns aus deiner Hand und aus diesem Ofen erretten wird; und wenn er Dieß auch nicht wollte, so sollst du doch wissen, daß wir deinen Göttern nicht dienen und das goldene Bild, das du aufgestellt hast, nicht anbeten werden.“1 Sehet, wie nützlich es ist, daß wir die Stunde unseres Absterbens nicht wissen! Aber außer den angeführten Gründen gibt es noch viele andere. Für jetzt aber genügt es, diese zu kennen. Deßhalb also kommt der Tod wie ein Dieb in der Nacht, damit wir nicht in Sünde S. 683 und Trägheit verfallen, damit wir nicht des ewigen Lohnes verlustig werden.
Denn ihr wißt es ja selbst gar wohl.
Warum fragt ihr denn noch immer, wenn man euch schon darüber deutlich belehrt hat? Daß die Zukunft verborgen sei, ergibt sich aus verschiedenen Äußerungen Christi über diesen Punkt. Den Grund davon gibt er an, wenn er sagt: „So wachet denn, weil ihr nicht wisset, zu welcher Stunde der Dieb kommt!“2 Darum sagt auch der hl. Paulus: