2.
An Timotheus schreibt Paulus: „Priester, die gut vorstehen, soll man doppelter Ehre werth achten!“1 An die Hebräer schreibt er: „Gehorchet euern Vorstehern und seid ihnen Unterthan!“2 Und hier mahnt er die Thessaloniker:
„Wir bitten euch aber, Brüder, daß ihr Diejenigen anerkennet, so sich mühen unter euch und euch vorstehen im Herrn.“ Der Apostel hat kurz vorher (V. 1.) gesagt: „Erbauet einander!“ Damit sie nun nicht meinten, es sei ihnen damit die Stellung eines Lehrers übertragen, so hat er den Beisatz von der Anerkennung der Vorsteher gemacht, indem er gleichsam sagen wollte: Nur darum fordere ich von euch, daß Einer den Andern erbaue, weil der Vorsteher nicht Alles allein sagen und thun kann.
„So unter euch sich mühen und euch vorstehen im Herrn und euch zu Herzen reden.“ Mancher meint vielleicht, er brauche die Vorsteher nicht zu ehren. Nun sage aber, wenn Jemand deinen Vorsteher und Anwalt bei einem Menschen macht, bestrebst du dich da nicht auf alle Weise, deinen Dank zu erstatten? Demjenigen aber, der bei Gott deinen Vorsteher und Anwalt S. 702 macht, diesem willst du nicht dankbar sein? Inwiefern macht der Priester meinen Vorsteher und Anwalt? frägst du. Ich antworte dir darauf: Er betet für dich, er vermittelt dir die Gnade Gottes in der Taufe; er wacht über dich, er mahnt und warnt dich, und mitten in der Nacht kommt er zu dir, wenn du ihn rufst. Und für Dieß alles empfängt er von dir keinen andern Lohn, als daß du ihn immer nur bekrittelst oder gar schmähst. Und was hat ihn denn zu diesem Dienste gezwungen? Hat er wohl oder übel gethan, sich demselben zu unterziehen? Du hast ein Weib, oder schwelgst in Genüssen, oder du treibst Handel und Gewerbe. Siehe, der Priester hat auf all Dieses verzichtet und sein ganzes Sein geht auf in der Sorge für die Kirche.
Ihr sollt sie gar hochhalten in Liebe ob ihres Werkes! Habet Frieden mit ihnen!
Aus diesen letzten Bemerkungen geht hervor, daß der Apostel genau gewußt habe, wie leicht Mißhelligkeiten zwischen Priestern und Gläubigen entstehen können. Darum wohl setzt er ausdrücklich hinzu: „Achtet sie und achtet sie gar hoch,“ wie Söhne ihre Väter, denn durch sie seid ihr zum ewigen Leben geboren, durch sie habt ihr das Himmelreich erlangt, durch ihre Hände geschieht Alles, durch sie werden euch die Pforten des Himmels geöffnet. Darum soll Keiner sich gegen sie auflehnen, Keiner Streit mit ihnen anfangen. Wer Christum liebt, der liebt auch den Priester, mag er wie immer beschaffen sein, weil er durch ihn der schauererregenden Geheimnisse theilhaft geworden ist. Wenn du einen Königspalast sehen wolltest, strahlend von Gold und glänzend von Edelsteinen, wenn du Denjenigen, der die Schlüssel dazu hat, gefunden hättest, und er dir auf dein Bitten bereitwillig öffnen würde, sage mir, würdest du ihn nicht über Alles schätzen, ihn mehr als deinen Augapfel lieben und ihn umarmen und küßen? Wenn du ein Weib hättest, würdest S. 703 du nicht Denjenigen, der sie dir geworben, gar sehr lieben? Nun aber hat der Priester dir das Thor des Himmels geöffnet, und du willst ihn nicht umarmen und küssen?
Darum, wenn du Christum liebst, wenn dir das Himmelreich lieb ist, sei dankbar und achte hoch Diejenigen, welche es dir vermitteln! Darum sagt der Apostel: „Ob ihres Werkes,“ und: „Habet Frieden mit ihnen!“ 14. Wir ermahnen euch auch, Brüder, redet zu Herzen den Ungefügen, tröstet die Kleinmüthigen, nehmet euch an der Schwachen, habet Geduld mit Allen!