4.
12. daß sie still arbeiten und ihr eigenes Brod essen.
Warum sagt der Apostel nicht: Wenn sie kein unordentliches Leben führen, so sollt ihr ihnen den Unterhalt S. 801 reichen? Warum verlangt er beide Stücke, daß sie ein stilles Leben führen und daß sie arbeiten? Darum, weil er will, daß sie sich durch Arbeit ihren Unterhalt erwerben. Das bedeuten nämlich die Worte: „Daß sie ihr eigenes Brod essen,“ d. h. das durch ihre Arbeit erworbene, kein fremdes, erbetteltes Brod.
13. Ihr aber, Brüder, werdet nicht müde, Gutes zu thun!
Sehet, wie schnell die väterliche Liebe des Apostels wieder zum Durchbruch kommt! Er vermag es nicht langer mehr, in strafendem Tone zu sprechen, sondern das Mitleid mit den Fehlenden gewinnt alsbald wieder die Oberhand. Beachtet aber, mit welcher Klugheit er hiebei zu Werke geht! Er sagt nicht: Aber habet Nachsicht mit ihnen, bis sie sich bessern! Sondern was sagt er? „Ihr aber werdet nicht müde, Gutes zu thun!“ Ziehet euch von ihnen zurück, weiset sie zurecht, aber lasset sie nicht durch Hunger umkommen! Was aber dann, hätte Einer sagen können, wenn ein Solcher trotz unserer Unterstützung in seiner Unthätigkeit verharrt? Für diesen Fall habe ich schon ein sanftes Heilmittel vorgesehen: ziehet euch von ihm zurück, d. h. entziehet ihm euer Vertrauen, gebt ihm euer Mißfallen zu erkennen! Dieß Verfahren ist von nicht zu unterschätzender Wirkung. Das ist die brüderliche Zurechtweisung, und diese mußt du anwenden, wenn dir anders an der wirklichen Besserung des Nebenmenschen Etwas gelegen ist. Glaubet nicht, sagt der Apostel, wir verstünden Nichts von den verschiedenen Arten der Mahnungen und Bestrafungen! Sage mir, wenn du einen leiblichen Bruder hattest, würdest du ihn Hungers sterben lassen? Gewiß nicht; vielleicht würdest du ihn aber durch Wohlthaten auf einen besseren Weg bringen.
S. 802 14. Wenn sich aber Jemand an unser Wort in diesem Briefe nicht kehrt,
beachtet die Demuth des hl. Paulus! Er sagt nicht: Wer diesen Weisungen nicht gehorcht, der ist mir ungehorsam, sondern er deutet dieß bloß leise an.
so zeiget ihn an,
Er fordert dieß, damit eine solche Aufführung nicht unbekannt bleibe;
und habet keine Gemeinschaft mit ihm,
Auch das ist keine unbedeutende Strafe,
damit er beschämt werde.
Weiter sollten sie nicht gehen. Gleichwie nun oben der Apostel zu den Worten: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen,“ aus Besorgniß, die Fehlenden möchten Hungers sterben, hinzufügte: „Ihr aber werdet nicht müde, Gutes zu thun!“ so fügt er auch hier der Weisung: „Ziehet euch von ihnen zurück!“ und: „Haltet keine Gemeinschaft mit ihnen!“ aus Furcht, ein solches Verfahren möchte den Fehlenden von dem brüderlichen Verbande ganz lostrennen, (denn ein Verzweifelnder geht bald ganz zu Grunde, wenn ihm alles Vertrauen entzogen wird) die Mahnung bei:
15. Doch sehet ihn nicht als Feind an, sondern redet ihm ins Gewissen als eurem Bruder!
Damit gibt der Apostel zu verstehen, daß er, wenn er dem Fehlenden das Vertrauen der Brüder entziehe, eine hinreichende Strafe über ihn verhängt habe.