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Works John Chrysostom (344-407) In epistulam ii ad Timotheum homiliae 1-10 Homilien über den II. Brief an Timotheus (BKV)
Vierte Homilie.

III.

Das sittlich Gute jedoch, mit dem ist’s nicht also bestellt, nein, das ist ewig, das gehört dem Himmel an. Dort ist die wahre Herrlichkeit, hier aber Niedrigkeit. Ja, sehet nur recht zu, Geliebte. Auf Erden gibt es keine Herrlichkeit, sondern die wahre Herrlichkeit ist im Himmel. Wenn Einer aber Herrlichkeit erlangen will, dann suche er das Gegentheil; will er Ruhe, dann suche er Bedrängniß; will S. 302 er für immer ein glänzendes und glückliches Dasein, so verachte er das irdische Glück!

Daß aber die Niedrigkeit Herrlichkeit ist und umgekehrt, wohlan, Das will ich, soweit ich’s vermag, durch eine Parallele beweisen, damit wir einen Begriff bekommen von der wahren Herrlichkeit. Wir wollen zu diesem Zweck zwei Persönlichkeiten einander gegenüberstellen, den Kaiser Nero und den heiligen Paulus. Jener besaß die Herrlichkeit, Dieser die Niedrigkeit dieser Welt. Wieso? Nero saß auf einem Throne, hatte große Dinge ausgeführt, Siegesdenkmäler errichtet, Reichthum strömte ihm zu, überall standen ihm ungezählte Armeen, der größte Theil des Erdkreises war ihm unterworfen, die Kaiserstadt war ihm unterthan, der ganze Senat beugte sich vor ihm, sein Palast stieg in prunkendem Glanze empor. Mußte er sich waffnen, so schritt er in goldner, von Edelsteinen leuchtender Rüstung einher; saß er friedlich auf seinem Throne, so umwallte ihn Purpur. Eine ganze Schaar von Speer- und Schildträgern umgab ihn. Er hörte sich den Herrn von Erde und Meer nennen, Selbstherrscher, Augustus, Cäsar und was sonstige Namen der Art sind, wie sie Schmeichelei und Sklavensinn erdenkt. Gar Nichts fehlte bei ihm zur Herrlichkeit. Aber auch weise Männer, auch Fürsten, auch Könige zitterten vor ihm und fürchteten den Mann. Ferner hieß es von ihm, er sei roh und anmaßend. Er wollte ein Gott sein, er verachtete die Götzen und den wahren Gott selber und ließ sich als Gott verehren. Was übertrifft eine solche Herrlichkeit, — oder vielmehr was ist erbärmlicher als eine solche Niedrigkeit? Doch halt, es ist mir, ich weiß nicht wie, unter dem Drang der Wahrheit die Zunge durchgegangen und hat den Spruch vor der Verurtheilung gefällt. Vorderhand müssen wir die Sache noch aus dem Gesichtspunkte der landläufigen Meinung untersuchen, vom Standpunkt der Ungläubigen und Schmeichler (der neronischen Zeit). Was gibt es Größeres an Herrlichkeit, als daß Nero sogar für einen Gott ge- S. 303 halten wurde? Es ist Das zwar faktisch die größte Erniedrigung, wenn ein Mensch auf diese wahnwitzige Idee verfällt. Aber vorläufig wollen wir die Sache vom Standpunkte der großen Masse anschauen. Dem Nero hat also nichts gefehlt zur menschlichen Herrlichkeit, ja er wurde von Allen wie ein Gott verehrt.

Nun aber laßt mich ihm den heiligen Paulus gegenüberstellen! Er war ein Cilicier. Was für ein Abstand zwischen Cilicien und Rom ist, weiß Jedermann. Er war ein Zeltmacher, ein armer Mann, baar der weltlichen Weisheit, er verstand nur Hebräisch, eine allgemein und zumeist in Italien verachtete Sprache. Denn weder die barbarische noch die griechische noch irgend eine andere Sprache ist dort so verachtet wie die syrische; diese hat aber Vieles gemein mit dem Hebräischen. Es ist auch kein Wunder, daß die Bewohner Italiens dieselbe perhorreszirten. Wenn sie die wunderbare und so schöne Sprache der Griechen verschmähen, dann um so mehr das Hebräische. Der heilige Paulus war ein Mann, der oft Hunger litt, der sich nüchtern zu Bette legen mußte, ein schlecht gekleideter Mann, der seine Blöße nicht zu bedecken wußte. „Ich habe Kälte und Blöße ausgestanden,“ sagt er.1 Und nicht genug, er lag in Fesseln; in Gesellschaft von Räubern, Zauberern, Gräberschändern und Mördern wurde er auf Befehl eben jenes Nero in’s Gefängniß geworfen; er bekam Geißelhiebe gleich einem Verbrecher, wie er gleichfalls selber erzählt.

Wer besitzt also von Beiden eine größere Herrlichkeit? Von Paulus kennt die große Masse nicht einmal den Namen, den Nero feiern Tag für Tag die Griechen, die Barbaren, die Scythen und sogar die Nationen an den Grenzen der Erde. Aber wollen wir noch nicht die Gegenwart, S. 304 sondern die damalige Zeit in’s Auge fassen! Wer hatte eine glänzendere Stellung, wer genoß mehr Ruhm? Derjenige, den die Kette umschloß und der gefesselt aus dem Kerker geschleppt wurde, oder Derjenige, den der Purpur umwallte, und der stolz aus dem Palaste schritt? Der Gefesselte jedenfalls. Wie so? Weil Nero trotz der Armeen, die er hatten und trotz des Prunkes, in dem er dasaß, Das nicht durchführen konnte, was er wollte, der gefesselte Paulus dagegen, der wie ein Übelthäter aussah und mit Lumpen gehüllt war, mit größerer Autorität Alles durchsetzte. Wie Das und in welchem Sinne? Nero sagte zu ihm: Streue den Samen des göttlichen Wortes nicht aus. Paulus sagte: Daran kehre ich mich nicht; „das Wort Gottes ist nicht gebunden.“ Und der Cilicier, der Gefangene, der Zeltmacher, der arme Mann, der Hungerleider verachtet den Römer, den reichen Mann, den Kaiser, den Beherrscher des Weltalls, der an zahllose Leute ungezählte Schätze verschwendete, und Nichts hat er gegen ihn ausgerichtet mit all seinen Armeen. Also wer war der mit Herrlichkeit, mit Hoheit Begabte? Der Sieger in Ketten oder der Besiegte im Purpur? Der tiefunten Stehende, der den Pfeil abschießt, oder der hoch oben Sitzende, der davon betroffen wird? Der Befehlende, der verachtet wird, oder der Angeherrschte, der auf den Befehl keine Rücksicht nimmt? Der Alleinstehende, der Herr wird, oder der tausend Armeen Umgebene, der unterliegt? Also der Kaiser schleicht sich von dannen, während der gebundene Paulus das Denkmal seines Sieges über ihn aufrichtet.

Sage mir also, mit wem von Beiden möchtest du tauschen? Wir wollen gar nicht von den späteren Schicksalen der Beiden sprechen, sondern bloß die damaligen Verhältnisse in’s Auge fassen. Also welche Rolle möchtest du lieber spielen, die des Paulus oder des Nero? Ich spreche nicht vom Standpunkte des christlichen Glaubens, denn da ist die Sache klar, sondern mit Rücksicht auf Herrlichkeit, Hoheit und Glanz. Wenn Einer vernünftig ist, dann hält S. 305 er es mit Paulus. Denn wenn der Sieg mehr Glanz verleiht als die Niederlage, dann ist Paulus der Ruhmreiche. Und Das ist noch nicht einmal das Große, daß er den Sieg errang, sondern daß er in seiner ärmlichen Erscheinung den prunkenden Nero besiegt hat. Ich wiederhole es und betone es immer wieder: Er hatte Ketten an und stürzte den Gekrönten.


  1. II. Kor. 11, 27. ↩

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Commentaire sur la deuxième épitre à Timothée Compare
Homilien über den II. Brief an Timotheus (BKV)

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