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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ii ad Timotheum homiliae 1-10 Homilien über den II. Brief an Timotheus (BKV)
Sechste Homilie.

II.

23. Thörichte und unsinnige Streitfragen aber meide, da du weißt, daß sie Zwistigkeiten erzeugen.

Man sieht, wie der Apostel den Timotheus überall von Streitigkeiten abzuziehen sucht. Er thut es nicht darum, als ob Dieser nicht im Stande wäre, ihnen in geeigneter Weise entgegenzutreten; denn Das konnte er gar wohl. Und wenn er es auch nicht gekonnt hätte, so hätte Paulus zu ihm gesagt: Trachte, daß du der Widerlegung solcher Behauptungen gewachsen seiest, wie er ja auch sagte: „Halte dich an die Lesung; denn wenn du Das thust, so wirst du sowohl dich selbst als auch deine Zuhörer selig machen!“1 Aber er wußte, wie nutzlos es sei, sich in solche Streitigkeiten einzulassen, und daß Nichts dabei herausschaut als Zwist und Feindschaft, Beleidigungen und Schmähungen. Also solche Streitigkeiten vermeide! Es gibt demnach auch andere (erlaubte) Controversen z. B. über die hl. Schrift und sonstige Gegenstände.

24. Ein Diener Gottes darf sich also nicht herumzanken.

Von Zänkereien muß ein Diener Gottes sich ferne halten; denn Gott ist ein Gott des Friedens. Wie könnte ein Diener des göttlichen Friedens sich herumzanken! „Sondern er muß sanft sein gegen Alle.“ Hier heißt es, daß der Diener des Herrn sich nicht zanken dürfe, sondern sanft sein müsse gegen Alle. Wie stimmt nun dazu S. 328 eine andere Stelle: „Weise sie zurecht mit aller Strenge“?2 Und wiederum in unserem Briefe: „Niemand soll deine Jugend verachten!“3 Und abermals: „Weise sie scharf zurecht.“4 Es stimmt ganz gut, weil auch eine solche Zurechtweisung zur Sanftmuth gehört. Denn gerade eine scharfe Zurechtweisung, wenn sie mit Ruhe geschieht, macht am meisten Wirkung. Ja gewiß, man kann mit Sanftmuth empfindlicher treffen als mit Ungestüm.

„Lehrfähig,“ d. h. allen Denen gegenüber, die belehrt sein wollen. Denn „einen ketzerischen Menschen“, heißt es anderswo, „sollst du nach der ersten und zweiten Zurechtweisung meiden.“5

„Geduldig.“ Treffend wird Das hinzugesetzt; denn gerade die Geduld braucht der Lehrer am meisten, sonst ist Alles vergebens. Wenn schon die Fischer, die oft den ganzen Tag ihr Netz auswerfen, ohne Etwas zu fangen, die Geduld nicht verlieren, so dürfen wir es um so weniger. Es ist oft der Fall, daß erst durch unablässige Belehrung der Pflug des Wortes auf den Grund der Seele dringt und das lästige Unkraut der Leidenschaften herausackert. Denn wer tausendmal zuhört, der wird sich endlich getroffen fühlen. Es ist nicht möglich, daß ein Mensch, der immerfort Predigten anhört, gar keine innere Rührung empfindet. Es könnte also vorkommen, daß Einer bereits daran ist, nachzugeben, daß aber dann Alles verloren ist, wenn wir die Geduld verlieren. Und es geschieht hier Dasselbe wie bei einer Weinpflanzung, die ein im Landbau Unerfahrener behandelt. Im ersten Jahre gräbt er sie um, im zweiten sucht er Früchte, im dritten wieder, und wenn er Nichts bekömmt, verzweifelt er nach Ablauf der drei S. 329 Jahre und läßt sie im vierten ganz liegen, also zur Zeit, wo er den Lohn für seine Mühen hätte ärnten sollen.

Nachdem der Apostel von Timotheus Geduld verlangt, ist’s ihm noch nicht genug, sondern er fährt fort:

25. Er soll die Widerspenstigen mit Wohlwollen erziehen.

Am allermeisten muß der Lehrer Das mit Wohlwollen thun. Denn es ist nicht möglich, daß eine lernbedürftige Seele von einem ungestümen und heftigen Lehrer irgend eine nützliche Kenntniß erwerbe. Denn bei aller Bereitwilligkeit wird sie verwirrt werden und Nichts auffassen. Wer eine nützliche Kenntniß gewinnen will, muß vor allem Andern Zuneigung zu seinem Lehrer haben. Ist diese nicht gleich im vorhinein vorhanden, so geht die Sache nicht, wie sie soll, und es springt Nichts dabei heraus. Zuneigung aber wird wohl Niemand gegen einen leidenschaftlichen und heftigen Lehrer haben. Wie stimmt nun dazu, was der Apostel sagt: „Einen ketzerischen Menschen meide nach der ersten und zweiten Zurechtweisung“? Er meint den unverbesserlichen, von dem man weiß, daß er unheilbar krank ist.

„Ob vielleicht Gott ihnen nicht die Gnade gibt, ihren Sinn zu ändern zur Erkenntniß der Wahrheit, und ob sie sich nicht aus dem Netze des Teufels losmachen.“ Der Apostel will sagen: Vielleicht tritt eine Besserung ein. Dieses „vielleicht“ bedeutet etwas Ungewisses. Also darf man nur Jene aufgeben, bezüglich deren wir bestimmt nachweisen können und fest überzeugt sind, daß sie sich unter keinen Umständen bekehren.

„Mit Wohlwollen.“ Siehst du, daß man mit den lernbegierigen wohlwollend umgehen muß und von der Be- S. 330 lehrung niemals abstehen soll, bis man einen Beweis der Verstocktheit hat?

„Von welchem sie als Sklaven seines Willens lebendig gefangen gehalten werden.“ Treffend ist der Ausdruck: *„lebendig gefangen gehalten“ (ἐζωγρημένοι). Denn vorderhand schwimmen sie im Netze des Irrthums umher.

Man beachte ferner, wie der Apostel den Timotheus zur Demuth stimmt! Er sagt nicht: „Ob du sie vielleicht zur Sinnesänderung bringen kannst,“ sondern: „Ob der Herr ihnen vielleicht die Gnade gibt.“ Wenn ein Erfolg erzielt wird, so ist er ganz dem Herrn zuzuschreiben. Du pflanzest, du begießest, der Herr sät und gibt die Fruchtbarkeit. Thun wir also niemals, als hätten wir eine Bekehrung erzielt, wenn wir wirklich eine erzielt haben.

„Lebendig werden sie gefangen gehalten als Sklaven seines Willens.“ Das gilt nicht bloß vom Glauben, sondern auch vom Leben. Der Wille Gottes ist es, daß die Menschen recht leben. Einige befinden sich aber in dem Netze des Teufels wegen ihres schlechten Wandels. Also auch an Diesen darf man nicht verzweifeln. Ob diese lebendig gefangenen Sklaven des Teufels, meint der Apostel, aus dem Fallstricke nicht etwa doch loskommen. Dieses „nicht etwa doch“ (μήποτε) deutet auf die große Langmuth, die man haben soll. Den Willen Gottes nicht thun, Das ist ein Fallstrick des Teufels.


  1. I. Tim. 4, 13. ↩

  2. Tit. 2, 15. ↩

  3. I. Tim. 4, 12. ↩

  4. Tit. 1, 13. ↩

  5. Tit. 3, 10. ↩

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Homilien über den II. Brief an Timotheus (BKV)

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