II.
Nachdem er sie nun gelobt hatte, sagt er:
35. Verlieret also euer Vertrauen nicht, das eine große Belohnung hat.
Was sprichst du? Er sagt nicht: ihr habt euer S. 318 Vertrauen verloren und sollt es wieder gewinnen, damit sie nicht verzagen möchten, sondern: ihr habt es, verliert es nicht, - was sie mehr tröstete und sie stärker machte. Ihr habt dasselbe, sagt er; denn das Verlorene wieder zu gewinnen, fordert eine größere Anstrengung, als nicht zu verlieren, was man besitzt. An die Galater aber schreibt er das Gegentheil: „O meine Kindlein, für die ich abermal Geburtsschmerzen habe, bis daß Christus in euch gestaltet wird,“1 und Das mit Recht; denn Diese waren nachlässig geworden, so daß sie einer eindringlicheren Rede bedurften; Jene aber waren kleinmüthig, so daß sie mehr heilende Zusprache nöthig hatten. Verlieret also, sagt er, das Vertrauen nicht. Sie setzten somit auf Gott ein großes Vertrauen; „welches,“ sagt er, „eine große Belohnung hat.“ Was heißt Das? Dereinst, will er sagen, werden wir sie empfangen. Wenn uns also diese für die Zukunft hinterlegt ist, dürfen wir sie nicht hier suchen. Damit nun nicht Jemand sage: siehe, was uns betrifft, so haben wir Alles gethan; so kommt er ihnen bezüglich ihrer Einrede zuvor, indem er ungefähr Dieses sagt: Wenn ihr erkennet, daß ihr im Himmel ein besseres Gut habt, so suchet hienieden Nichts; Geduld braucht ihr, nicht neue Kampfesnahrung, damit ihr treu ausharret, und nicht verlieret, was ihr in Händen habt. Es ist euch daher Nichts weiter nöthig, als daß ihr so stehet, wie ihr gestanden, damit ihr, nachdem ihr zum Ende gelangt seid, der Verheissung theilhaftig werdet.
36. Denn Geduld ist euch nothwendig, damit ihr durch Vollziehung des Willens Gottes die Verheissung erlanget.
Eines ist euch also nöthig, daß ihr nämlich das Zukünftige erwartet, nicht, daß ihr wiederum kämpfet. Ihr S. 319 seid schon bis zur Krone gekommen, sagt er; ihr habt alle die Kämpfe, die Fesseln, die Trübsale, den Raub euerer Güter ertragen. Was nun? Ihr stehet nun bereit da, die Krone zu empfangen: Dieß traget nun, daß ihr auf die Krone wartet! O Größe des Trostes! So tröstet er sie, als wenn Jemand zu einem Kämpfer spräche, der Alle niedergeworfen und keinen Gegenstreiter mehr findet, der also gekrönt werden soll und jene Zeit nicht abwarten kann, wo der Kampfrichter erscheint und ihm die Krone aufsetzt, und nun in unerträglicher Ungeduld hinausgehen und fliehen wollte, indem er sich den Durst und die Hitze nicht gefallen läßt. Indem er also Das andeutete, was sagt er?
37. Denn nur noch eine kleine Weile, und es wird kommen, der da kommen soll, und er wird nicht zögern.2
Denn damit sie nicht sagen möchten: wann wird er kommen? tröstet er sie aus der Schrift; denn auch die Worte: „Jetzt ist unser Heil näher,“3 die er an einer andern Stelle spricht, trösten sie damit, daß nur noch eine kurze Zeit übrig sei. Und Das sagt er nicht aus sich selbst, sondern entnimmt es der Schrift. Denn wenn von jener Zeit gesagt wurde: „Nur noch eine kleine Weile, und es wird kommen, der da kommen soll, und er wird nicht zögern;“ - so ist klar, daß sie jetzt näher herangerückt ist, weßhalb auch das Abwarten keinen geringen Lohn bringt.
38. Der Gerechte aber, sagt er, lebt aus dem Glauben; wenn er sich entzieht, wird er mir nicht mehr gefallen.4
Groß ist dieser Trost, wenn Jemand zeigt, daß S. 320 Diejenigen, welche Alles gut ausgeführt haben, durch eine kurze Saumseligkeit Solches verlieren.
39. Wir aber sind nicht Kinder, die sich entziehen zum Verderben, sondern Kinder des Glaubens zur Erhaltung der Seele.
Kap. XI.
1. 2. Es ist aber der Glaube ein fester Grund für Das, was man hofft, eine gewisse Überzeugung von Dem, was man nicht sieht. Durch ihn haben die Alten Zeugniß empfangen.
Ha! wie hat er sich ausgedrückt, da er spricht: „eine gewisse Überzeugung von Dem, was man nicht sieht!“ Denn das Wort: „Überzeugung“ gebraucht man in Bezug auf die Dinge, die ganz und gar offenbar sind. Der Glaube ist also die Anschauung der Dinge, die nicht offenbar sind, will er sagen, und er führt uns zu derselben Überzeugungsfülle in Betreff der Dinge, die nicht gesehen werden, wie wir überzeugt sind von denen, die wirklich angeschaut werden. Man kann also weder in Bezug auf die Dinge, die gesehen werden, ungläubig sein; noch kann wieder, wenn Jemand von den Dingen, die nicht angeschaut werden, nicht klarer überzeugt ist als von denen, die gesehen werden, Glaube stattfinden. Denn da die Dinge, welche in der Hoffnung bestehen, ohne Grundlage zu sein scheinen, so verleiht ihnen der Glaube das Fundament, oder vielmehr er verleiht es nicht, sondern eben darin besteht das Wesen derselben. So hat z. B. die Auferstehung noch nicht stattgefunden, noch besteht sie nicht in Wirklichkeit, sondern die Hoffnung gibt ihr Halt und Boden in unserer Seele. Das ist die Grundlage der Dinge, die in der Hoffnung bestehen. Wenn also der Glaube eine S. 321 gewisse Überzeugung ist von Dem, was man nicht sieht, warum wollt ihr denn Solches anschauen, um vom Glauben und der Gerechtigkeit abzustehen, da ja der Gerechte aus dem Glauben lebt? Wenn ihr aber diese Dinge sehen wollt, seid ihr nicht mehr gläubig. „Ihr habt gearbeitet, ihr habt gekämpft,“ sagt man, und ich spreche Dasselbe, aber wartet ab; denn Das ist Glaube; suchet nicht das Ganze hienieden!