IV.
Siehst du, sagt er, inwieferne Ähnlichkeit ist? Nach dem Fleische. „So hat er auch gleichfalls sich derselben theilhaftig gemacht.“ Erröthen sollen alle die Häretiker und sich gar nicht mehr sehen lassen, die da sagen, er sei nur scheinbar in die Welt gekommen, nicht aber wirklich. Denn er sagt nicht einfach, daß er an diesen1 Theil nahm, und schweigt (obwohl auch dieser Ausdruck hingereicht hätte), sondern läßt noch etwas Anderes, S. 76 Wichtigeres aufleuchten (ἐνέϕηνε), indem er das Wort „gleichfalls“ beifügt; - nicht unter dem Scheine noch unter dem Bilde, sagt er, sondern in Wahrheit; denn sonst wäre der Ausdruck „gleichfalls“ wohl nicht am Platze.
Nachdem er nun die Bruderschaft nachgewiesen, zeigt er auch die Ursache der Menschwerdung an. „Damit er durch den Tod Dem die Macht nähme, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel.“ Hier zeigt er das Wunderbare, daß der Teufel durch Das überwunden worden, wodurch er geherrscht, und daß Christus durch den Tod, der in jenes Hand eine so gewaltige Waffe gegen die Welt war, ihn selbst schlug, was die große Macht des Siegers anzeigt. Siehst du, welch herrliches Gut der Tod bewirkt hat?
15. Und Diejenigen erlöste, welche in der Furcht des Todes durch das ganze Leben der Knechtschaft unterwarfen waren.
Warum, sagt er, bebt ihr? Was fürchtet ihr den (Tod), der sein Ende gefunden? Denn er ist nicht mehr furchtbar, sondern niedergetreten und verachtet, geringfügig und ohne alle Bedeutung. Was heißt aber Das: „Welche in der Furcht des Todes durch das ganze Leben der Knechtschaft unterworfen waren“? Was will er damit sagen? Entweder daß Derjenige, der den Tod fürchtet, ein Sklave ist und Alles ertragen möchte, um nur nicht zu sterben; oder daß Alle Sklaven des Todes waren und, weil derselbe noch nicht vernichtet gewesen, von ihm beherrscht wurden; oder daß die Menschen in unaufhörlicher Furcht lebten; oder daß Denjenigen, welche immer in ängstlicher Erwartung des kommenden Todes waren und Angst vor ihm hatten, jeglicher Freudengenuß unmöglich gemacht war, da sie die Todesfurcht nicht verließ. Denn Das deutet er an mit den Worten: „durch das ganze Leben“. Er S. 77 zeigt hier, daß Diejenigen, welche in Trübsal schmachten, vertrieben oder verfolgt ihres Vaterlandes und ihrer sämmtlichen Habe beraubt werden, vergnügter und freier leben als Jene, die von jeher im Überfluß prassen, die von solchen Leiden Nichts verkostet, derben Glück in schönster Blüthe prangt. Denn da Diese durch das ganze Leben von dieser Furcht verzehrt werden und Sklaven sind, verbleiben Jene von solcher frei und können über Das lachen, wovor die Andern erbeben. Mit dem Tode hatte es ehemals ein ähnliches Verhältniß, wie wenn Jemand einen Gefangenen, der zum Tode geführt werden soll und stets mit Entsetzen darauf hinschaut, in üppiger Nahrungsfülle schwelgen ließe. Jetzt aber hat sich die Sache also gestellt, wie wenn Jemand, jene Furcht verbannend, mit dem sinnlichen Wohlleben zu streiten ermunterte und mit der Aufforderung zum Kampfe ankünden würde, daß dieser nicht zum Tode, sondern zur Herrschaft führen werde. Zu welchen wirst du nun gehören wollen? Zu Denen, welche im Kerker in fettem Überfluß leben, aber jeden Tag der Todesankündigung entgegensehen müssen, oder zu Denen, welche in vielen Kämpfen und in freudiger Anstrengung ausdauern, um sich das Diadem der Herrschaft auf’s Haupt zu setzen? Siehst du, wie er ihren Muth hebt, und wie er sie in Spannung versetzt? Er zeigt aber, daß nicht nur der Tod aufgehört habe, sondern durch diesen auch Jener, welcher gegen uns stets einen unversöhnlichen Krieg unternommen hat und fortführt, nämlich der Teufel, der niedergeschlagen sei; denn wer den Tod nicht fürchtet, ist frei von der Tyrannei des Teufels. Denn wenn „Haut um Haut, und der Mensch Alles, was er hat, um sein Leben gibt,“2 und wenn sich Jemand entschlösse, selbst dieses gering zu achten: wessen Sklave wär’ er dann noch? Keinen fürchtet er, vor Niemandem erschreckt er, er ist über Alle erhaben und freier als Alle. Denn wer sein eigenes Leben verachtet, wird Dies S. 78 noch viel mehr in Bezug auf alles Andere thun. Findet aber der Teufel eine solche Seele, dann wird er für seine Zwecke Nichts auszurichten vermögen. Was denn? sag’ an! Droht er mit Geldverlust oder Beschimpfung oder mit Verbannung aus dem Vaterlande? Das ist aber eine Kleinigkeit für Den, welcher nicht einmal das Leben hoch anschlägt, wie der heilige Paulus spricht.3 Siehst du, wie er die Gewalt des Teufels gebrochen, nachdem er die Tyrannei des Todes zertrümmert hatte! Denn wer in Betreff der Auferstehung eine so unerschöpfliche Weisheit besitzt, wie soll Der noch Todesfurcht haben? Was Anderes soll ihn erschrecken? Wollet darum nicht ärgerlich werden und sagen: Warum haben wir Dieses oder Jenes zu leiden? So ist der Sieg um so glänzender; er wäre aber nicht so glänzend, wenn er nicht den Tod durch den Tod vernichtet hatte. Wunderbar aber ist Das, daß er dadurch ihn überwand, wodurch derselbe seine Gewalt hatte, was seine allseitige Überlegenheit und Gewandtheit bekundet. Geben wir also das uns verliehene Geschenk nicht preis, „denn wir haben nicht den Geist der Furcht, sondern den Geist der Kraft und der Liebe und der Nüchternheit empfangen.“4 Lasset uns also entschlossen dastehen und den Tod verlachen!