IV.
Das aber hat alle Ordnung verkehrt und über den Haufen geworfen. Was wir haben, wird belacht, unsere Einrichtungen, unsere Bildungsformen. Nichts ist mehr fest, Nichts würdevoll. Und nicht für die lebensfrohen Männer allein spreche ich so, sondern ich weiß, auf welche ich anspiele; denn die Kirche ist ganz voll von Gelächter. Spricht Jemand nur irgend ein Witzwort, so befällt auf der Stelle, die da sitzen, ein Lachen, und worüber man sich wundern muß, selbst zur Zeit des Gebetes hören Viele S. 254 nicht auf, zu lachen. Überall führt der Teufel den Chor an, in Alle ist er hineingefahren, Alle beherrscht er: verachtet ist Christus, verstoßen ist er, die Kirche gilt Nichts mehr. Höret ihr nicht, was Paulus bricht: „Schamlosigkeit, thörichtes Gerede und Possen (sollen von euch ferne sein)“?1 Neben die Schamlosigkeit setzt er das Possenwesen. Du aber lachst? Was ist thörichtes Gerede? Nutzloses Zeug. Du aber lachst mit dem ganzen Gesichte, der du doch ein Mönch und gekreuziget bist und trauerst, und du kannst lachen, sag’ an. Wo hast du gehört, daß Christus je so Etwas gethan? Nirgends, wohl aber, daß er oft traurig gewesen. Denn da er Jerusalem sah, weinte er, und da er an den Verräther dachte, fühlte er sich ergriffen, und da er im Begriffe war, den Lazarus zu erwecken, vergoß er Thränen. Du aber lachst? Wenn Jemand, der über die Sünden Anderer keinen Schmerz empfindet, angeklagt zu werden verdient, wie kann dann Derjenige auf Verzeihung rechnen, welcher bei seinen eigenen Vergehen gefühllos bleibt und lacht? Jetzt ist die Zeit der Trauer und der Trübsal, der Züchtigung und Unterwerfung, der Kämpfe und des Schweißes: du aber lachst? Siehst du nicht, wie Sara Vorwürfe erhalten hat? Hörst du nicht, was Christus spricht? „Wehe Denen, welche lachen, denn sie werden weinen.2 Täglich singst du Das. Welche Worte aber, sage mir, gebrauchst du? Sagst du etwa: Ich habe gelacht? Gewiß nicht, sondern was? „Ich habe mich abgemüht in meinem Seufzen.“ Aber vielleicht sind Einige so verkommen und ausgelassen, daß sie sogar bei eben dieser Zurechtweisung spassen, weil wir uns über das Lachen so ausgesprochen haben. Denn so groß ist der Wahnsinn, so groß die Verrücktheit, daß sie nicht einmal die Zurechtweisung fühlt. Es steht der Priester Gottes da und opfert das Gebet Aller auf; du aber überlassest dich ohne Scheu S. 255 dem Lachen? Jener bringt zitternd die Gebete für dich als Opfer dar; du aber bist voll Verachtung? Hörst du nicht, was die Schrift sagt? „Wehe euch, ihr Verächter!“ Erbebst du nicht? Fühlst du dich nicht ergriffen? Betrittst du einen Königspalast. so suchst du durch Haltung, Ansehen, Gang und alles Andere in schönem Anstand zu erscheinen; hier aber, wo in Wahrheit ein Königspalast ist, und zwar gerade so wie der Himmel, lachst du sogar? Jedoch ich weiß, du bist mit Blindheit geschlagen; aber höre, überall sind Engel zugegen, und ganz besonders im Hause Gottes stehen sie bei dem Könige, und Alles ist angefüllt von diesen unkörperlichen Mächten. Diese meine Rede gilt auch für die Weiber, welche es wohl schwerlich wagen, in Gegenwart ihrer Männer sich so zu benehmen, und wenn sie etwa solches thun, es sich doch keineswegs immer, sondern nur zur Zeit der Erholung erlauben. Hier aber geschieht es fortwährend. Du sitzest, sag’ an, mit verschleiertem Haupt in der Kirche, o Weib, und lachst? Du bist eingetreten, um deine Sünden zu bekennen, um vor Gott niederzufallen, ob deiner Vergehen zu bitten und zu stehen, - und du thust Das mit Lachen? Wie wirst du also im Stande sein, ihn zu versöhnen? Aber was Böses, sagt man, ist denn das Lachen? Das Lachen ist nicht böse, wohl aber das maaßlose und unzeitige Lachen. Das Lachen liegt in uns, und wir üben solches, wenn wir nach langer Zeit Freunde wiedersehen; wenn wir Traurige und Betroffene durch freundliches Lächeln aufrichten wollen; keineswegs aber sollen wir laut auslachen oder fortwährend lachen. Das Lachen liegt in unserer Seele, damit diese darin eine Erholung finde, aber nicht darin sich verliere. So liegt auch die sinnliche Begierde3 in uns; aber darum ist es durchaus nicht nothwendig, daß wir ihr auch Folge leisten oder ihr unmäßig fröhnen; sondern wir beherrschen sie und sagen nicht: Da sie in uns liegt, wollen wir davon Gebrauch S. 256 machen. Mit Thränen diene Gott, damit es dir möglich werde, deine Sünden zu tilgen. Ich weiß, daß Viele uns verspotten, indem sie sagen: Sogleich Thränen. Darum ist die Zeit der Thränen. Ich weiß auch, was Die im Sinne haben, die da sagen: „Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir todt;“4 aber bedenke das Wort: „Eitelkeit der Eitelkeiten, und Alles ist Eitelkeit!“5 Nicht ich rede so, sondern Derjenige, welcher Alles erfahren hat, spricht diese Worte: „Ich baute mir Häuser und pflanzte mir Weinberge; ich machte mir Wasserteiche und hatte Mundschenke und Mundschenkinen.“6 Und was sagt er nach all Diesem? „Eitelkeit der Eitelkeiten, und Alles ist Eitelkeit.“ Trauern wir daher, Geliebte, trauern wir, damit wir in Wahrheit lachen, damit wir uns thatsächlich ergötzen zur Zeit der ächten Freude; denn die jetzige Freude ist ganz mit Trauer vermischt, und man kann sie nirgends rein finden; jene aber ist ächt und ohne Trug und Tücke, frei von jeglicher Beimischung. Dieser Freude wollen wir uns erfreuen, nach dieser wollen wir streben. Anders aber können wir diese nicht erreichen, als wenn wir nicht nach Dem, was süß, sondern nach Dem, was heilsam ist, greifen, indem wir eine kurze Trübsal freudig erdulden und mit Dank uns Allem unterziehen, was über uns kommt. Denn so können wir das Himmelreich erlangen durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit u. s. w. S. 257