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Kirchliche Hierarchie (Edith Stein)
§ 11.
Was es nun für ein göttliches Wirken an uns ist, das wollen wir jetzt nach Kräften auseinandersetzen, denn ich bin nicht imstande, es genügend zu preisen, ja auch nur klar zu erkennen und andern mitzuteilen. Was aber von gotterleuchteten Kirchenfürsten in angemessenen Worten gepriesen und gefeiert wird, das will ich nach Vermögen vortragen, den Geist, der den heiligen Stand erleuchtet, um seine Führung anflehend.
Die menschliche Natur, die am Beginn durch ihre Torheit der göttlichen Güter beraubt war, empfing ein Leben voller Leiden und am Ende den verderbenbringenden Tod: Denn folgerichtig überlieferte jener verhängnisvolle Abfall vom Guten und die Übertretung des heiligen Gesetzes im Paradies den, der sich von den schmeichelnden, gefährlichen Trugworten des Feindes verlocken ließ und das lebenspendende Joch abgeschüttelt hatte, seinen eigenen Neigungen; dadurch vertauschte er jämmerlich die Ewigkeit mit der Sterblichkeit; und der aus verderblichem Geschlecht entsprungen war, eilte mit Recht einem Untergang zu, der seinem Ursprung entsprach; und aus dem göttlichen Leben, das ihn zum Himmlischen erhob, freiwillig in ein ganz entgegengesetztes hinabgestürzt, erlangte er die Wechselfälle mannigfaltiger Verwirrungen. Während er aber vom rechten Weg, der zum wahren Gott führt, abgewichen war und in der Botmäßigkeit verworfener, böswilliger Scharen festgehalten wurde, bemerkte er durchaus nicht, daß er nicht Göttern und Freunden, sondern gefährlichen Feinden diente; und da sie ihn in ihrer Unmenschlichkeit grausam mißbrauchten, geriet er jammervoll in die Gefahr des Nichtseins und des Untergangs.
Aber die unendliche Menschenfreundlichkeit der göttlichen Güte ließ nicht ab, durch sich selbst für uns Sorge zu tragen, sondern wurde teilhaft all des Unseren, nur ohne Sünde, und einte sich unserer Niedrigkeit, behielt aber seine eigene Natur völlig unvermischt und unversehrt; er gab uns wie Brüdern Anteil daran und erklärte uns zu Teilhabern an seinen Gütern. Die Macht aber, die die abtrünnige Schar über uns hatte, überwand Er nach geheimer Überlieferung nicht durch überlegene Kraft, sondern wie das geheimnisvolle Wort sagt, in Gerechtigkeit und Gericht. Unsere Seinsverfassung dagegen stellte Er gütig wieder her; denn die Dunkelheit unseres Geistes erfüllte Er mit seligem und göttlichem Licht, und unsere entstellte Natur verschönte Er mit göttlichem Schmuck; Er stellte unser Wesen, das fast ganz zusammengebrochen war, vollkommen heil wieder her und befreite die Behausung unserer Seele von den schmählichsten Leidenschaften und sündhaften Befleckungen, zeigte uns einen Weg zur Höhe und das Gesetz eines göttlichen Lebens, wodurch wir, soweit möglich, zu einer heiligen Ähnlichkeit mit Ihm emporgeführt werden.
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Kirchliche Hierarchie (BKV)
§ 11.
1) Der Verfasser macht sich anheischig, die Großtaten Gottes am Menschengeschlecht, welche uns in der eucharistischen Feier in Wort und Tat vor Augen geführt werden, zu beschreiben. 2) Die großen Phasen bei dem Erlösungswerke sind folgende: freiwilliges Verscherzen der göttlichen Gnaden durch die Sünde im Paradiese — Vertauschen des Ewigen mit dem Vergäng- S. 138 lichen unter der Übermacht der entfesselten Leidenschaften — leiblicher Tod — der die Empörung im eigenen Innern noch steigernde Einfluß der bösen Geister — allmählich vollständige Entfremdung von Gott und traurige Knechtschaft des Satans — Eintritt der unendlichen Gottesgüte in die am Rande des Verderbens stehende Menschheit — Vereinigung der niedrigen menschlichen Natur mit der göttlichen, ohne daß diese irgend eine Vermischung erleidet — Christus bricht die Macht des Satans und schafft alle Gebrechen unseres Wesens in ihr Gegenteil um — er ist uns Weg und Vorbild zu unserem Heile.
Welches nun die Großtaten Gottes an uns sind, die wir meinen, soll im folgenden, soweit es unsere Kraft erlaubt, dargestellt werden. Denn sie alle zu feiern, geschweige sie klar zu verstehen und anderen zu erklären bin ich nicht im Stande. Jedoch die Geheimnisse, welche von den gotterfüllten Hierarchen im Anschluß an die heiligen Schriften gepriesen und liturgisch vollzogen werden, wollen wir, soweit es uns möglich ist, besprechen, nachdem wir zuerst gebetet haben, daß das Geisteswehen der Hierarchie uns erfülle.
Als die Menschennatur im Anfange aus den göttlichen Gütern in törichtem Unverstande herabgestürzt war, wartete ihrer ein von zahllosen Leidenschaften bestürmtes Leben und als Ende der verderbliche Tod. Denn in naturgemäßer Folge überlieferte der verhängnisvolle Abfall von der wesentlichen Güte und die Übertretung des göttlichen Gebotes im Paradiese den Menschen, der im wilden Wahnsinne sich dem zum Leben führenden Joche entzogen hatte, den eigenen (übermächtigen) Trieben und den bestrickenden, übelwollenden Blendwerken der feindlichen Mächte, die das gerade Gegenteil zu den göttlichen Gütern bilden. So kam es denn, daß er für das ewige Leben jammervoll den Tod eintauschte. Da die menschliche Natur ihren Ursprung Zeugungen verdankt, welche dem Reiche des Verweslichen angehören, so führte sie naturgemäß zu dem Ende hin, das dem Anfang entspricht (d. i. wieder zum Verweslichen). Nachdem sie aber mit freier Selbstbestim- S. 139 mung von dem göttlichen und nach oben führenden Leben abgefallen war, so ward sie bis an die äußerste entgegengesetzte Grenze hingerissen, in das unstete Spiel eines Heeres von Leidenschaften. Da sie in die Irre ging und von dem geraden Wege, der zum wahrhaften und wirklichen Gotte führt, abgekommen und unter die Herrschaft der schlimmen, bösen Scharen (der Dämonen) geraten war, merkte sie es nicht, daß sie nicht Göttern und Freunden sondern Feinden diente. Schonungslos behandelten sie diese Feinde, wie es deren Grausamkeit mit sich brachte, und so war sie kläglich der Gefahr der Vernichtung und des Verderbens anheimgefallen.
Aber die ganz unbegrenzte Menschenfreundlichkeit der urgöttlichen Güte verleugnete auch jetzt nicht wohlwollend ihre wirksame Fürsorge, sondern trat mit allen unsern Schwächen, die Sünde allein ausgenommen, in wahre Gemeinschaft, ward eins mit unserer Niedrigkeit, wobei sie die Beschaffenheit ihrer eigenen (göttlichen) Natur durchaus unvermischt und ungetrübt bewahrte, und schenkte uns so für die Zukunft als Gliedern desselben Geschlechtes die Gemeinschaft mit sich und machte uns ihrer eigenen Güter teilhaftig. Die Macht der abgefallenen Masse (der Dämonen) wider uns brach sie, nicht auf dem Wege der Gewalt, obwohl sie allerdings übergewaltig ist, sondern nach einem geheimnisvoll überlieferten Worte im Gerichte und in der Gerechtigkeit1. Unseren eigenen Zustand veränderte sie wohltätig ganz in das Gegenteil. Die Finsternis unseres Geistes erfüllte sie mit seligem, göttlichem Lichte und schmückte das Formlose mit gottähnlicher Zier. Das Haus unserer Seele reinigte sie mit vollständiger Heilung unserer nahezu gefallenen Natur von den S. 140 sündhaftesten Leidenschaften und verderblichen Makeln, indem sie uns einen überweltlichen Aufstieg und einen Lebenswandel in Gott vor Augen stellte, der in einer möglichst treuen Verähnlichung unseres Wesens mit ihr besteht.
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Joh. 16, 8. Greg. v. Nyssa or. catech. n. 22 (M. 45, 60 C) bezieht sich ebenfalls auf diese Stelle und kommentiert sie in einer Weise, daß man mit Recht bei D. auf eine Anleihe von jenem schließen darf. Er hebt nämlich auch hervor, daß der Erlöser nicht von seiner Übermacht (τὸ περιὸν τῆς δυνάμεως) gegen den Feind des Menschengeschlechtes Gehrauch machen wollte, sondern durch einen Loskauf mit seinem Blute uns befreite. Vgl. Diekamp, Gotteslehre d. heil. Gregor v. Nyssa S. 40, wo auf Origenes zurückverwiesen wird. ↩