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Von den göttlichen Namen (Edith Stein)
2.
Über diese, wie gesagt, überwesentliche und verborgene Gottheit darf man nicht wagen, etwas zu sagen oder auch nur zu denken, abgesehen von dem, was uns von Gott in der Heiligen Schrift verkündet ist: Denn wie sie selbst von sich selbst in der Heiligen Schrift gütig mitgeteilt hat, ist die Erkenntnis und Erschauung dessen, was sie ist, allen Wesen unzugänglich, weil sie überwesentlich über alle hinausgehoben ist. Man kann auch viele Theologen finden, die sie rühmen, nicht nur, weil sie unsichtbar und ungreifbar ist, sondern auch, weil sie nicht erforscht und aufgespürt werden kann, denn es gibt keine Spur, die zu ihrer ganz verborgenen Unendlichkeit führen würde. Doch auch von dem, was ist, ist nichts ganz ohne Anteil am Guten. Denn jenen überwesentlichen Strahl, der Ihm bleibend innewohnt, läßt es jedem Ding gütig in ihm angemessenen Erleuchtungen scheinen, und die geheiligten Geister läßt es zu einer ihnen angemessenen Schau, Gemeinschaft und Ähnlichkeit kommen – jene, die Ihm, soweit sie können, zustreben, wofern sie sich nur nicht etwas Höheres anmaßen, als ihnen die göttliche Erleuchtung ihrem Fassungsvermögen entsprechend bringt, und nicht durch eine verkehrte Neigung in die Tiefe gleiten, sondern beständig, ohne die Augen abzuwenden, dem leuchtenden Strahl entgegenschauen und mit einer den ihnen gewährten Erleuchtungen entsprechenden Liebe, in heiliger Ehrfurcht, mit Besonnenheit und frommer Scheu emporfliegen.
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Schriften über "Göttliche Namen" (BKV)
§ 2.
Über diese überwesentliche und verborgene Gottheit also darf man, wie gesagt, nichts im Widerspruch mit den nach Gottes Willen in den heiligen Schriften uns gewordenen Offenbarungen zu sagen, ja nicht einmal zu denken wagen. Denn wie sie (die Gottheit) selbst über sich in den Schriften gütigerweise überliefert hat, ist Wissen und Schauen von dem, was sie ist, allen Lebenden unzugänglich, weil sie allen überwesentlich entrückt ist. Und du wirst viele unter den Hagiographen1 finden, welche sie nicht bloß als unsichtbar und unfaßbar gefeiert haben, sondern auch als unerforschbar und unaufspürbar, weil es keine Spur von dem gibt, was in ihre verborgene Unermeßlichkeit hineinreicht. Aber wahrhaftig, das Gute ist nicht unmitteilbar für irgendein (anderes) Wesen. Vielmehr läßt es den Strahl, den es in sich selbst beharrlich und unentwegt besitzt, aus Güte in Einstrahlungen, welche den einzelnen Naturen entsprechen, hervorleuchten und richtet nach Möglichkeit zu seiner Beschauung, Gemeinschaft und Ähnlichkeit die heiligen Geister empor, welche auf erlaubte und heilige Weise ihrer Berührung teilhaftig werden,2 welche nicht über ihr Können zu einem höhern S. 22 Grad als zu der in entsprechender Ordnung gewährten Theophanie sich vermessentlich erheben, welche nicht durch Nachgiebigkeit gegen das Schlechtere abwärts gleiten, sondern vielmehr festen Standes und unbeugsam zu dem ihnen entgegenleuchtenden Strahl sich aufrichten und welche in wohlgeordnetem Lieben der ihnen verstatteten Einstrahlungen mit heiliger Ehrfurcht bescheiden und fromm geistlich beflügelt werden.
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„Hagiographen“ ist eine weitere Bezeichnung für die inspirierten Autoren des Alten und Neuen Testamentes. ↩
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τοὺς ὡς θεμιτὸν αὐτῷ (sc. τῷ ἀγαθῷ) καὶ ἱεροπρεπῶς ἐπιβάλλοντες (νόας). Das bedeutsame Wort ἐπιβάλλειν im Sinne mystisch fühlbarer Erkenntnis Gottes kehrt öfters wieder, z. B. DN. I 4 εἰς τὴν ὑπερούσιον ἀκτῖνα κατὰ τὸ θεμιτὸν ἐπιβάλλομεν. Vgl. DN. II 7. Entsprechend ist der Gebrauch von ἐπιβολή. So heißt es instruktiv ὅταν ἡ ψυχὴ … ταῖς τοῦ ἀπροσίτου φωτὸς ἀκτῖσιν ἐπιβάλλῃ ταῖς ἀνομμάτοις ἐπιβολαῖς DN. IV 11. Vgl. DN. I 4, 5. Daß Plotin und Proklus der gleichen Ausdrücke sich bedienen, erhellt aus den von Koch im Index angeführten Stellen. Die deutschen Mystiker meinen mit ihrem vielgebrauchten attingere Deum auch ein fühlbares außerordentliches Innewerden Gottes. ↩