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Works Dionysius the Areopagite, ps. (520)

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Von den göttlichen Namen (Edith Stein)

20. Das Böse als solches ist zu nichts nutze

Die rechte Vernunft wird aber darauf erwidern: Das Schlechte als solches bewirkt kein wirklich Seiendes und keine Entstehung, ihm ist es nur eigen, den Bestand des Seienden (τῶν ὄντων ὑπόστασιν) zu verschlechtern und zu vernichten. Wenn aber jemand sagt, es bewirke Entstehung, und die Verderbnis des einen gebe dem andern Entstehung, so ist der Wahrheit gemäß zu erwidern, nicht die Verderbnis gibt Entstehung, sondern die Verderbnis und das Schlechte verdirbt nur und verschlechtert, die Entstehung aber und das wirklich Seiende wird durch das Gute hervorgerufen; und das Schlechte ist durch sich selbst Verderbnis, zur Entstehung aber trägt es bei durch das Gute; denn soweit es schlecht ist, ist es weder Seiendes noch bewirkt es Seiendes; durch das Gute aber ist es Seiendes und Gutes und bewirkt Gutes. Vielmehr: Nichts wird in derselben Hinsicht gut und schlecht sein, es wird auch nicht dieselbe Kraft im Hinblick auf dasselbe Verderbnis und Entstehen bedeuten und nicht Kraft aus sich selbst oder Verderbnis aus sich selbst; das Schlechte an sich ist weder Seiendes noch Gutes noch hat es Kraft zu erzeugen oder bewirkt Seiendes oder Gutes; wenn aber das Gute irgendwelchen Dingen vollkommen innewohnt, dann macht es sie vollkommen, unvermischt und durch und durch gut; was aber weniger am Guten teilhat, das ist unvollkommen gut und gemischt, weil ihm Gutes fehlt. Aber das Schlechte ist ganz und gar nicht, weder gut noch Gutes wirkend; was aber dem Guten mehr oder weniger nahekommt, wird in einem gewissen Maße (ἀναλογῶς) gut sein, denn die alles durchdringende vollkommene Güte erstreckt sich nicht nur auf die ganz guten Wesen in ihrer nächsten Umgebung, sondern bis zu den äußersten; den einen ist sie vollkommen gegenwärtig, andern in geringerem Grade, wieder andern im geringsten, je nachdem wie jedes Seiende zur Aufnahme fähig ist. Von dem Seienden aber hat manches vollkommen Anteil am Guten, bei anderem mangelt es mehr oder minder; manchem ist das Gute nur in geringem Maß gegenwärtig, manchem nur der letzte Widerhall davon. Wenn nämlich das Gute den einzelnen Wesen nicht ihrem Fassungsvermögen entsprechend gegenwärtig wäre, dann würden die höchsten und göttlichsten zur Ordnung der niedersten gehören. Wie hätten aber alle auf dieselbe Weise am Guten teilhaben können, da sie keineswegs alle zur vollkommenen Teilnahme am Guten ausgerüstet sind? Nun ist aber dies die hervorragende Größe der Macht des Guten, daß es auch das, was keinen Teil an ihm hat, ja selbst den Mangel an ihm zur Teilnahme an sich stärkt. Wenn wir aber freimütig die Wahrheit sprechen dürfen, so hat auch das, was dagegen kämpft, durch seine Macht das Sein und die Fähigkeit zu kämpfen; oder besser, um es in Kürze zu sagen: Alles, was ist, das ist, sofern es ist, gut und aus dem Guten, sofern ihm aber das Gute mangelt, ist es weder gut noch ist es. Bei andern Beschaffenheiten nämlich, wie bei Wärme oder Kälte, kann das Erwärmte fortbestehen, wenn die Wärme es verläßt, und vieles, was ist, hat keinen Anteil an Leben und Geist. Und auch Gott selbst wird vom wirklich Seienden (οὐσία) ausgenommen und ist in über-seiender Weise (ὑπερουσίως). Und schlechthin bei allem andern, mag nun eine dauernde Verfassung (habitus, ἕξις) aufgehört haben oder nie vorhanden gewesen sein, so ist doch das Seiende und vermag in sich zu bestehen; was aber in jeder Hinsicht des Guten ermangelt, das war nirgends und auf keine Weise, noch ist es, noch wird es sein oder kann es sein. Z. B. der Unmäßige entbehrt durch die unvernünftige Begierde des Guten, und darin ist er nicht und verlangt nicht nach dem Seienden, zugleich hat er aber doch Anteil am Guten vermöge eines schwachen Nachhalls der Einigung und Freundschaft. Und das Gemüt hat Anteil am Guten rein dadurch, daß es in Bewegung ist und danach verlangt, das, was schlecht scheint, auf das, was sich den Anschein des Guten gibt, hinzurichten und zu lenken. Und selbst der, der ein ganz schlechtes Leben erstrebt, hat Anteil am Guten, sofern er überhaupt nach Leben verlangt, und zwar nach einem, das ihm sehr gut scheint, eben durch dieses Streben, sofern es Streben nach dem Leben ist und auf ein sehr gutes Leben abzielt. Wenn man aber schließlich das Gute ganz aufhebt, dann wird kein wirklich Seiendes mehr bleiben noch Leben oder Streben oder Bewegung oder irgendetwas. Wenn also aufgrund eines Vergehens etwas entsteht, so bewirkt das nicht die Kraft des Schlechten, sondern die Anwesenheit eines minder Guten. So ist die Krankheit ein Versagen der natürlichen Verfassung, aber nicht der ganzen; denn beim Versagen der ganzen Verfassung würde auch die Krankheit nicht bestehen bleiben. Die Krankheit bleibt aber und ist vorhanden, sofern ihr ein wirklich Seiendes zur Verfügung steht und ein Mindestmaß der natürlichen Ordnung; darin hat sie ihr Sein. Was aber gar keinen Anteil am Seienden hat, das ist weder ein Seiendes noch in einem Seienden; das Gemischte dagegen ist um des Guten willen im Seienden, und soweit ist es im Seienden und ein Seiendes, soweit es Anteil am Guten hat. Vielmehr: Alles Seiende ist mehr und minder je nach seinem Anteil am Guten. Was aber zum Teil ist, zum Teil nicht ist, das ist nicht, sofern es vom Immerseienden abgefallen ist; soweit es aber am Sein Anteil hat, soweit ist es und soweit erhält und bewahrt es sein Sein und Nichtsein. Das Schlechte aber, das in jeder Hinsicht vom Guten abgefallen ist, das gehört weder zu dem mehr noch minder Guten. Was aber z. T. gut, z. T. schlecht ist, das widerstreitet zwar irgendeinem Guten, aber nicht dem gesamten, und so wird es durch ein gewisses Teilhaben am Guten bewahrt, und das Gute gibt die Seinsgrundlage für den Mangel seiner selbst durch das Teilhaben an ihm: Denn wenn alles Gute geschwunden ist, dann wird weder das Gute überhaupt sein noch ein gemischtes noch auch das Schlechte selbst. Denn wenn das Schlechte ein unvollkommenes Gut ist, dann wird bei vollkommener Abwesenheit des Guten sowohl das vollkommene als auch das unvollkommene Gute fehlen; und nur dann wird das Schlechte sein und in Erscheinung treten, wenn es für gewisse Dinge schlecht ist, zu denen es im Gegensatz steht, und von andern als von guten geschieden. Es ist nämlich unmöglich, daß dieselben Dinge im Hinblick auf dasselbe sich in jeder Weise widerstreiten. Das Schlechte ist also nichts Seiendes.

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Schriften über "Göttliche Namen" (BKV)

§ 20.

Darauf wird die wahre Beweisführung1 erwidern, daß das Übel, sofern es Übel ist, keinerlei Wesenheit und Entstehung bewirkt, sondern nur, soweit es an ihm liegt, die Substanz der Dinge verschlechtert und verdirbt. Wenn aber jemand behauptet, das Übel bewirke Entstehen und verleihe durch Zerstörung des einen dem andern ein Werden, so lautet die richtige Antwort: Nicht insofern das Böse zerstört, schafft es ein Entstehen, sondern als Verderben und Übel kann es nur verderben und verschlechtern, Entstehen aber und Wesenheit entsteht wegen des Guten, und so wird das Übel wegen seiner Natur Verderbnis, wegen des Guten aber Entstehen be- S. 83 wirken. Insofern es Übel ist, hat es kein Sein und kann nichts Seiendes hervorbringen. Wegen des Guten aber hat es Sein und ist gut und bringt Gutes hervor. Ja, es wird auch nicht ein und dasselbe in ein und derselben Rücksicht gut und böse zugleich sein, und nicht ein und dieselbe Kraft wird in ein und derselben Rücksicht zugleich Verderbnis und Hervorbringung sein, weder als selbstwirkende Kraft noch als selbstwirkende Verderbnis. Das absolut Böse hat kein Sein, keine Güte, keine hervorbringende Kraft, keine Fähigkeit, Seiendes und Gutes zu schaffen. Das Gute dagegen macht alles, worin es vollständig eintritt, vollkommen und zu einem unvermischten, allseitigen Guten. Was aber am Guten weniger Anteil hat, ist auch unvollkommen und ein gemischt Gutes wegen des Defektes im Guten. Überhaupt ist das Böse weder ein Gutes, noch schafft es Gutes, sondern was dem Guten mehr oder weniger sich nähert, wird im entsprechenden Grade gut sein. Denn die alles durchwaltende, ganz vollkommene Güte dringt nicht bloß bis zu den ganz guten Wesen, die sie umstehen,2 sondern erstreckt sich hinaus bis zu den entferntesten Dingen; den einen ist sie ganz gegenwärtig, den andern in vermindertem Grade, anderen im äußersten Abstand, je nachdem jedes Wesen an ihr teilnehmen kann. Die einen haben nach jeder Beziehung am Guten Anteil, die anderen sind dessen mehr oder weniger beraubt, andere genießen eine trübere Mitteilung des Guten, und wieder anderen wohnt das Gute nur mehr inne wie ein entlegenster Widerhall.3 Denn wenn das Gute nicht einem jeden Wesen dessen Natur entsprechend4 innewohnte, so nähme das Göttlichste und Vornehmste die äußerste (letzte) Stelle ein. Wie wäre es denn auch möglich, daß alles auf gleichförmige Weise am Guten Anteil S. 84 hätte, da nicht alles auf gleiche Weise für die Aufnahme des Guten befähigt ist? Nun ist aber die Macht des Guten von einer solchen überschwenglichen Größe, daß es auch die des Guten beraubten Wesen und die Privation seiner selbst (des Guten) in den Stand setzt, überhaupt an ihm teilzunehmen. Ja, wenn man kühn die Wahrheit sagen soll, selbst das, was dem Guten widerstreitet, hat nur durch dessen Macht sein Dasein und die Möglichkeit, wider das Gute zu kämpfen. Um es kurz zu sagen, es ist vielmehr alles Seiende, soweit es ist, gut und aus dem Guten; soweit es aber des Guten beraubt ist, ist es weder gut, noch hat es ein Sein. Denn bei den andern Zuständen, z. B. der Wärme oder Kälte, bleiben doch die erwärmten Gegenstände zurück, auch wenn die Wärme von ihnen weicht, und so bleiben viele Wesen, wenn sie des Lebens und der Vernunft auch nicht mehr teilhaftig sind. Gott selbst aber ist über die Wesenheit erhaben und überwesentlich. Kurz, bei allen übrigen Wesen, mag auch der betreffende Zustand weichen oder nicht vollständig eintreten, bleiben doch die seienden Dinge und können sich behaupten; was aber in jeder Weise des Guten beraubt ist, das war nirgends und war ganz und gar nicht; es ist nicht, wird nicht sein und kann nicht sein. Wenn z. B. der Ausschweifende hinsichtlich seiner unvernünftigen Leidenschaft des Guten beraubt ist, so ist er hierin ein Nichts und begehrt nach Dingen, die ein Nichts sind; gleichwohl aber hat er Anteil am Guten, insofern die Verbindung und Freundschaft ein dunkles Echo des Guten bildet. Auch der Zorn hat Anteil am Guten eben in der Erregtheit und in dem Streben, das anscheinende Übel zum anscheinend Guten zu verbessern und zu wenden. Selbst ein Mensch, der nach dem schlechtesten Leben strebt, begehrt doch überhaupt nach Leben, und zwar nach dem, das ihm als bestes erscheint, und deshalb hat er Anteil am Guten, sofern er das Streben selbst hat, Leben erstrebt, und zwar ein bestes Leben beabsichtigt. Nimmst du aber S. 85 alles Gute hinweg, so bleibt weder Wesenheit noch Leben noch Streben noch Bewegung noch irgend etwas anderes. Mithin bedeutet auch das Werden durch Verderben nicht eine Kraft des Bösen, sondern die Gegenwart eines geringeren Guten, gleichwie Krankheit zwar ein Defekt in der Stufe des Seins, aber nicht ein solcher nach dem ganzen Umfange (des Seins) ist. Denn wenn dieser Fall einträte, dann würde auch die Krankheit selbst nicht mehr fortbestehen. Nun bleibt aber die Krankheit und hat ein Sein, indem sie eine Wesenheit schwächster Abstufung besitzt und in ihr mitsubsistiert. Denn was in jeder Beziehung des Guten unteilhaftig ist, existiert und findet sich auch nicht in den Dingen. Was jedoch mit Gutem gemischt ist, das ist wegen des Guten auch in den Dingen und hat insoweit auch in den Dingen ein Sein, als es am Guten Anteil hat. Oder vielmehr alle Wesen haben in dem Grade ein volleres oder ein schwächeres Sein, als sie am Guten teilnehmen. Wird ja auch in Hinsicht auf das Sein als solches dasjenige, was nirgendwann und auf keine Weise existiert, kein Sein besitzen. Ein solches Ding dagegen, das nach der einen Beziehung ist, nach der andern aber nicht ist, existiert nicht, insoweit es von dem ewig Seienden abgeglitten ist. Soweit es aber am Sein Anteil gewonnen, hat es ein Sein und vermag es sein Dasein überhaupt und das ihm anhaftende Nichtseiende festzuhalten und zu bewahren. Das Übel dagegen, das ganz und gar vom Guten abgefallen ist, wird weder in den einen Dingen mehr, noch in den andern weniger ein Gutes sein. Was hinwieder nach der einen Seite gut, nach der andern nicht gut ist, liegt mit irgendeinem Guten im Streite, aber nicht mit dem Gesamtguten; es behauptet sich selbst durch die Teilnahme am Guten, und das: Gute verleiht eben durch seine Mitteilung auch der Privation des Guten eine Wesenheit. Denn sobald das Gute nach jeder Rücksicht entschwunden ist, wird es überhaupt weder ein Gutes noch ein Gemischtgutes S. 86 noch ein an und für sich Böses geben. Wenn nämlich das Böse ein unvollkommenes Gut ist, so wird bei einer vollständigen Abwesenheit des Guten auch das unvollkommene und das vollkommene Gut dahin sein. Nur dann wird das Übel ein Dasein haben und sichtbar werden, wann es für die einen Dinge, denen es feindlich gegenübertritt, ein Übel ist, an die andern aber, weil sie gut sind, sich anheftet.5 Denn das ist unmöglich, daß ein und dieselben Dinge in ein und denselben Beziehungen allenthalben sich gegenseitig bekämpfen. Folglich hat das Übel kein Sein.


  1. „ὁ ἀληθὴς λόγος“ erinnert an den Titel der Streitschrift des Celsus („Wahrheitsgemäßer Beweis“). Am Schluß des langen Plagiats aus Proklus kehrt dieselbe Formel wieder (§ 35.). ↩

  2. Anspielung auf die oberste Triade der Engel (CH. X 1). ↩

  3. κατὰ ἔσχατον ἀπήχημα. Vgl. Proklus Inst. theol. 21; Plotin VI, 8, 18 u. a. ↩

  4. ἀναλόγως ἕκάστῳ — beständig betontes Prinzip. ↩

  5. Die Lesart bei Corderius ἐξῄρηται kann nicht richtig sein, weil sie einen logischen Widerspruch in die dialektische Entwicklung bringt. Offenbar ist zu lesen ἐξήρηται Vgl. Hist. Jahrbuch XVI 271. Morbeka las allerdings in seiner Vorlage richtig ἐξήρηται, denn er übersetzt dependet, was auch andern Steilen bei Proklus entspricht. ↩

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Einleitung: Dionysius Aeropagita über heilige Namen

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