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Von den göttlichen Namen (Edith Stein)
4.
Dies haben wir aus der Heiligen Schrift gelernt; und Du wirst finden, daß sozusagen fast der gesamte heilige Lobpreis der Theologen, um uns Gott zu zeigen und Ihn zu loben, göttliche Namen entsprechend den Hervorgängen der göttlichen Güte gebildet hat. So sehen wir, daß fast in jeder theologischen Abhandlung die Gottheit heilig gepriesen wird als Monade oder Einheit (μόνας, ἕνας) wegen der Einfachheit und Einheit ihrer übernatürlichen Ungeteiltheit, durch die wir als durch eine einheitschaffende Kraft Eines sind und durch überirdische Verbindung unserer geteilten Verschiedenheiten zu einer gottähnlichen Einheit und Gott nachbildenden Vereinigung geführt werden; als Dreiheit aber wegen der dreipersönlichen Offenbarung ihrer übernatürlichen Zeugungskraft, von der jede Vaterschaft im Himmel und auf Erden herstammt und ihren Namen hat; als Ursache der Dinge, weil alles durch ihre wesenschaffende (οὐσιοποιός) Güte das Sein erhält; als weise und schön, weil alle Dinge, wenn sie ihre Natur unversehrt bewahren, allen göttlichen Einklangs und heiliger Schönheit voll sind; von hervorragender Menschenliebe, weil Er sich uns in einer Seiner Personen in Wahrheit ganz mitgeteilt hat, indem Er die menschliche äußerste Niedrigkeit zu sich zurückrief und aufnahm, aus der Jesus, trotz seiner Einfachheit, in unsagbarer Weise zusammengesetzt war, der Ewige einen zeitlichen Anfang annahm, und der ins Innere unserer Natur hinabstieg, der alle Ordnung der ganzen Natur überwesentlich übersteigt, aber bei unverändertem und unvermischtem Bestand seiner Eigenschaften.
Dieses und was sonst an göttlichen Erleuchtungen, in Einklang mit der Schrift, unsere heiligen Lehrer uns in geheimer Unterweisung übergeben haben, haben auch wir aufgenommen: Dabei verhüllt aber jetzt, unserm Fassungsvermögen entsprechend, die göttliche Menschenfreundlichkeit in gewissen heiligen Schleiern der Worte und hierarchischen Mitteilungen, in sinnlichen Zeichen geistiger Dinge, in wirklichen Wesen die überwesentlichen, umgibt form- und gestaltlose Dinge mit Formen und Gestalten, und die übernatürliche Einfachheit macht sie vielfältig und gestaltet sie durch die Mannigfaltigkeit geteilter Zeichen. Wenn wir aber einst unverweslich und unsterblich sind und ein christusähnliches, seliges Los erlangt haben, dann werden wir, wie geschrieben steht, immer bei Gott sein, erfüllt von der ganz heiligen Schau der sichtbaren Offenbarung Gottes selbst, dessen leuchtender Glanz uns überstrahlen wird, wie einst die Jünger bei der göttlichen Verklärung. Dieser geistigen Erleuchtung teilhaft, gemäß einem Geiste, der von leidend erfahrenen Eindrücken und von Stoff frei ist, werden wir durch den unbekannten, seligen Glanz leuchtendster Strahlen zu göttlicherer Nachahmung der überhimmlischen Geister in einer Vereinigung, die alles Verstehen übersteigt, mit ihnen verbunden werden. Dann, wie die wahrhaftige Schrift sagt, werden wir den Engeln gleich und Kinder Gottes sein, wenn wir Kinder der Auferstehung sein werden. Nun aber benutzen wir, soweit wir können, Zeichen, um das Göttliche zu fassen; durch sie werden wir zu jenem einfachen und einheitlichen wahren Sinn der geistigen Schauspiele geführt, wie es unserm Fassungsvermögen entspricht; und nach allem uns möglichen Verstehen göttlicher Dinge lassen wir unsere Verstandestätigkeit ruhen und werfen uns hinein in jenen überwesentlichen Strahl, soweit es recht ist, in dem alle Grenzen aller Erkenntnisse auf unsagbare Weise voraus bestanden haben; wir können ihn weder mit unserm Geist fassen noch mit Worten ausdrücken noch mit Augen sehen, weil er über alles erhaben und in überragender Weise unbekannt ist, weil er alle Abgrenzungen aller wesentlichen Erkenntnisse und Kräfte in sich vorausgenommen hat und über alle himmlischen Geister erhaben in unbegreiflicher Kraft thront. Da nämlich alle Erkenntnisse dem Seienden gelten und nach dem Seienden ihre Grenze haben, ist Er, der über jedes wirkliche Wesen (οὐσία) erhaben ist, auch aller Erkenntnis entzogen.
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Schriften über "Göttliche Namen" (BKV)
§ 4.
In diese Erkenntnisse sind wir durch die heiligen Schriften eingeweiht worden, und du wirst finden, daß S. 24 sozusagen die ganze heilige Hymnologie1 der Hagiographen, im Einklang mit den wohltätigen Ausgängen der Urgottheit, die Namen Gottes in Weise der Aufklärung und Lobpreisung ausprägt. Deshalb sehen wir, wie fast in jedem Schriftwerk der Offenbarung die Urgottheit wegen der Einfachheit und Einheit ihrer übernatürlichen Unteilbarkeit als Monas und Henas auf heilige Weise geschildert wird, als die ins Eine gestaltende Kraft, durch die wir ins Eine geformt und zu einer gottähnlichen Monas und gottnachahmenden Einigung konzentriert werden, indem die in uns geteilten Verschiedenheiten sich überweltlich zu einer gottförmigen Monas zusammenschließen.2 Wir sehen aber auch, wie die Urgottheit als Trias gefeiert wird wegen der auf drei Hypostasen sich beziehenden Offenbarung ihrer überwesentlichen Zeugungskraft,3 aus der jegliche Vaterschaft im Himmel und auf Erden stammt und benannt wird. Als Ursache des Seienden finden wir sie gepriesen, weil wegen ihrer wesenschaffenden Güte alles ins Dasein gerufen worden; als weise und schön, weil alles Seiende, sofern es die Züge der entsprechenden Natur unversehrt bewahrt, jeglicher göttlichen Harmonie und heiliger Schönheit voll ist; ganz vorzüglich aber als menschenfreundlich, weil sie mit unserem Geschlechte durch eine ihrer Hypostasen wahrhaft in vollkommene Gemeinschaft eingetreten ist. Denn sie zog an sich und erhob zu sich empor die menschliche äußerste Niedrigkeit. Von ihr aus ward der einfache S. 25 Jesus auf unaussprechliche Weise zusammengesetzt.4 Der Ewige empfing eine zeitliche Zutat, und derjenige, welcher alle Stufen der Gesamtnatur überwesentlich überragt, ward unter unveränderlichem und unvermischtem Gesichertsein des Eigenwesens in unsere Natur hereingeboren. Und in alle andern göttlich wirkenden Lichtquellen, die in Übereinstimmung mit den heiligen Schriften die geheime Überlieferung unserer gotterfüllten Lehrer uns erklärt und geschenkt hat, sind auch wir eingeweiht worden. Jetzt geschieht dies in der uns entsprechenden Weise durch die heiligen Schleier, indem die menschenfreundliche Güte der Schriften (Offenbarungen) und hierarchischen Überlieferungen sich bedient, das Geistige im Sinnlichen und das Überseiende im Seienden verhüllt und Gestalt und Bild um das legt, was weder Gestalt noch Bild hat, und die über Natur und Konfiguration erhabene Einfachheit durch die bunte Mannigfaltigkeit der Teilsymbole vervielfältigt und ausgestaltet. Dereinst aber, wenn wir unvergänglich und unsterblich geworden und zur christusähnlichen, allerseligsten Ruhe gelangt sind, werden wir immerdar, wie S. 26 die Schrift sagt, mit dem Herrn sein,5 mit den ganz heiligen Schauungen seiner sichtbaren Theophanie erfüllt, die uns mit den lichtesten Strahlen umglänzen wird, wie (ehedem) die Jünger bei jener göttlichsten Umgestaltung. Wir nehmen da Anteil an seiner geistigen Lichtspendung mit unserm der Leidenschaft und der Materie ledigen Geiste, und in göttlicher Nachahmung der überhimmlischen Geister haben wir teil an der übergeistigen Einigung in den unerkennbaren, seligen Berührungen mit den überhellen Strahlen. Denn wir werden, wie die Wahrheit der Schrift sagt, „engelgleich sein und Söhne Gottes, weil Söhne der Auferstehung“.6
Jetzt aber bedienen wir uns zur Erkenntnis des Göttlichen nach Möglichkeit geeigneter Symbole und erheben uns hinwieder von diesen auf analoge Weise zur einfachen und geeinten Wahrheit der geistigen Schauungen. Aber nach aller unserm Vermögen entsprechenden Erkenntnis der gottförmigen Dinge lassen wir unsere Denkfunktionen ruhen und stoßen,7 so weit es verstattet ist, an den überwesentlichen Strahl, in welchem alle Bereiche aller Erkenntnisse unaussprechlich präexistieren, welche weder zu erkennen noch auszudrücken noch überhaupt irgendwie zu schauen möglich ist. Und das aus dem Grunde, weil er8 über alles hinaus entrückt und überunerkennbar ist, da er die Gebiete aller auf das Wesen (der Dinge) bezüglichen Erkenntnisse und Kräfte allzumal und insgesamt überwesentlich in sich vorausbegriffen enthält und in seiner unumfaßbaren Macht auch über allen überhimmlischen Geistern erhaben thront. Denn wenn alle Erkenntnisse zum Gegen- S. 27 stände das Seiende haben und auf das Seiende abzielen, so ist der Strahl, der über alle Wesenheit hinausliegt, auch jeder Erkenntnis entrückt.
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ὑμνολογία bedeutet bei Dionysius, ähnlich wie ὑμνεῖν, die Darstellung heiliger Wahrheiten. ↩
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Ein Beispiel, wie diese ins Eine umformende Kraft in dem Stand der Mönche sich auswirkt, siehe EH. VI, III 2. ↩
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διὰ τὴν τρισυπόστατον τῆς ὑπερουσίου γονιμότητος ἔκφανσιν. Bei Dionysius findet sich nicht mehr die schwankende Bedeutung von ὑπόστασις, sofern auch im Sinne von „Natur“ ὑπόστασις früher gebraucht wurde. Vgl. einige Zeilen nachher ἐν μιᾷ τῶν αὐτῆς (Τριάδας) ὑποστάσεων. Er schreibt eben nach Cyrillus von Alexandrien. ↩
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Diese Stelle ἐξ ἧς ἀρρήτως ὁ ἁπλοῦς Ἰησοῦς συνετέθη gehört zu jenen Ausdrücken, die eine gewisse Verschwommenheit der Christologie verraten und deshalb nebst anderem für die Annahme sprechen, daß die Areopagitika in den Dienst des Henotikon gestellt worden sind. Der scharfsichtige Kritiker Lequien hebt hervor, daß ἁπλοῦς Ἰησοῦς ganz unkorrekt gesagt werde, weil ‚Jesus’ den Gottmenschen, also eine Verbindung der beiden Naturen bezeichne. Irreführend ist deshalb in diesem Zusammenhange auch das Verbum συνετέθη (diss. Damasc. II M. P. gr. 104, 289f.). Bemerkenswert erscheint die Tatsache, daß der Patriarch Ephräm von Antiochien (527—545), dessen Amtsantritt neun Jahre nach der Absetzung des Severus (518) erfolgte, die gleiche Stelle geflissentlich distinguierend in orthodoxem Sinne auslegt: ἐπὶ μὲν τῆς καθ’ὑπόστασιν ἑνώσεως δικαίως παρὰ τῆς εὐσεβείας τὸ σύνθετον λέγεται. σύνθετον δὲ οὐσίαν οὐδεὶς εἰπεῖν ἐτόλμησε πλὴν Ἀπολλιναρίου (Cf. M. 103, 989). Ephräm will offenbar den Severianern die Berufung auf Dionysius entwinden. ↩
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1 Thess. 4, 17 (ἡμεῖς οἱ ζῶντες…) ἁρπαγησόμεθα … εἰς ἀπάντησιν τοῦ κυρίου κτλ. ↩
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Luk. 20, 36. Während die vorige Stelle ein Schauen der verklärten Menschheit Christi nahelegt, besagt diese zweite ein geistiges Schauen Gottes. ↩
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εἰς τὴν ὑπερούσιον ἀκτῖνα … ἐπιβάλλομεν (s. oben S. 21 Anm. 3). ↩
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Nach dem Text ist ἀκτίς (ὑπερούσιος) Subjekt; es ergibt sich, daß dieser Strahl identisch ist mit Gott. ↩