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Werke Gregor von Tours (538-593) Historiarum libri x Zehn Bücher fränkischer Geschichte
Zehntes Buch.

23. Zeichen und Ungewißheit über das Osterfest

In diesem Jahre leuchtete über das Land bei Nachtzeit ein so Heller Schein, daß man hätte glauben mögen, es sei Mittag; auch sah man bei nächtlicher Weile öfters feurige Kugeln über den Himmel hinziehen und die Welt erleuchten. Wegen der richtigen Feier des Osterfestes war man im Zweifel, da Bicturius in seiner Ostertafel angibt1 Ostern falle auf den fünfzehnten Tag nach Neumond, jedoch, damit die Christen nicht mit den Juden zusammen an diesem Tage das Fest feierten, hinzusetzt: „die Lateiner feiern es am zweiundzwanzigsten Tage". Deshalb begingen viele in Gallien das Fest am fünfzehnten Tage nach dem Neumond, wir aber am zweiundzwanzigsten Tage. Wir hatten aber dies genau überlegt, und in der Tat füllten sich die Quellen in Spanien, die durch ein Wunder um Ostern voll sind, an dem Tage, an dem wir das Fest feierten. Am 14. Juni war ein großes Erdbeben, an einem Mittwoch ganz in der Frühe, als eben das Tageslicht angebrochen war. In der Mitte des Monats Oktober2 verfinsterte sich die Sonne, und ihr Licht nahm so ab, daß sie kaum so groß blieb wie die Mondsichel am fünften Tage nach dem Neumond. Es gab viel S. 138 Regen, im Herbst waren heftige Gewitter, und das Wasser stieg sehr hoch. Die Städte Viviers und Avignon wurden von der Drüsenpest schwer heimgesucht.


  1. Man folgte in Gallien damals svgl. Bd. II. S. 33. Anm. 3) der Ostertafel de» Bicturius aus Aquitanien. Diese Tafel ließ es, wenn der Frühltngsvollmond sder vierzehnte Tag nach dem Neumond) auf einen Sonnabend fiel, unentschieden, ob Ostern nach griechischer Sitte gleich am darauffolgenden Sonntag (dem fünfzehnten Tage nach dem Neumond) oder erst an dem zweiten Sonntage nach der Sitte der Lateiner, d. i. der abendländischen Kirche zu feiern sei (vgl. N. O. ^uot. uni. IX, 67S). Der größte Teil der abendländischen Kirche hatte nämlich von alterSher, um den Zusammenfall des jüdischen und christlichen Osterfestes zu vermeiden, da» Fest nicht vor dem sechzehnten Tage nach Neumond gefeiert. Über die Quellen in Spanten vgl. ebenfalls Bd. II. S. 33. Anm. 3. ↩

  2. Am 4» nach dem julianjschen Kalender am 14. Oktober..  ↩

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