31. Rückblick auf die Bischöfe von Tours
1 Wenn ich auch über die Bischöfe von Tours schon in den früheren Büchern manches ausgezeichnet habe, so will ich S. 153 doch der Ordnung halber und damit man ihre Jahre besser zusammenrechnen könne, auf die Zeit zurückgreifen, wo zuerst ein Verkündiger des Evangeliums zur Stadt Tours gekommen ist.
Der erste Bischof war Catianus, der in dem ersten Regierungsjahre des Kaisers Decius von dem Papste der römischen Kirche S. 154 hierher gesandt wurde(1) In dieser Stadt wohnten damals zahlreiche Heiden, die dem Götzendienst ergeben waren; von diesen bekehrte er einige zum Herrn durch seine Predigt. Aber er mußte sich oft verborgen halten wegen der Anfechtungen der Mächtigen in der Stadt, denn sie beschimpften und schmähten ihn, wenn sie ihn fanden; und er feierte auch im geheimen in Grüften und in Verstecken den Gottesdienst am Tage des Herrn mit den wenigen Christen, die er, wie gesagt, bekehrt hatte. Er war ein sehr frommer und gottesfürchtiger Mann. Wäre er das nicht gewesen, würde er gewiß nicht Haus, Eltern und Heimat aus Liebe zum Herrn verlassen haben. In solcher Lage lebte er in dieser Stadt, wie man sagt, pflichtgetreu fünfzig(2) Jahre und starb in Frieden. Er wurde auf dem Kirchhofe des Ortes selbst, der den Christen gehörte, begraben. Das Bistum aber blieb siebenunddreißig Jahre unbesetzt(3)
Als der zweite Bischof wurde im ersten Regierungsjahre des Kaisers Constans Litorius eingesetzt. Er war ein Bürger von Tours und ein sehr frommer Mann. Dieser baute die erste Kirche innerhalb der Stadt Tours, da schon viele Christen daselbst waren, und das Haus eines vornehmen Mannes(4) richtete er zur ersten Heiligenkirche(5) ein. Zu seiner Zeit fing der heilige Martinus an in Gallien zu predigen. Er war dreiunddreißig Jahre Bischof und starb in Frieden. Begraben liegt er in der genannten Kirche, welche noch heute nach ihm genannt wird.
Als der dritte Bischof wurde im achten Regierungsjahre der Kaiser Valens und Valentinianus der heilige Martinus eingesetzt. S. 155 Er war in der Stadt Sabaria in Pannonien geboren2 und gründete zuerst aus Liebe zu Gott in der Stadt Mailand in Italien ein Kloster3 Da er aber unerschrocken die heilige Dreieinigkeit predigte, wurde er von den Irrgläubigen mit Ruten gepeitscht und aus Italien vertrieben, worauf er sich nach Gallien begab. Hier brachte er es dahin, daß viele Heiden sich bekehrten, er zertrümmerte ihre Tempel und Götzenbilder und tat viele Zeichen unter dem Volk. Ehe er zum Bistum gelangte, erweckte er zwei Tote, nachher aber nur einen4 Er erhob den Leichnam des heiligen Catianus aus dem Grabe und setzte ihn neben dem Grabe des heiligen Litorius bei in der nach diesem benannten Kirche. Er verhinderte den Maximus5 sein Schwert über Spanien zu schwingen, um dort die Irrgläubigen zu unterdrücken, denn er meinte, es sei genug daran, daß sie von der Kirche und der Gemeinschaft der Rechtgläubigen ausgeschlossen seien. Nachdem er den Lauf seines irdischen Lebens vollendet hatte, starb er im einundachtzigsten Jahre seines Alters in dem Dorfe Candes, im Gebiet seiner Stadt6 Von diesem Orte brachte man ihn zu Schiffe fort und begrub ihn zu Tours an der Stelle, wo jetzt sein Grab verehrt wird. Über sein Leben haben wir das Werk des Severus Sulpicius in drei Büchern7 Noch jetzt tut er sich durch viele Wunder kund. In dem Kloster, das man jetzt das Große heißt8 erbaute er eine Kirche zu Ehren der heiligen Apostel Petrus und Paulus. Auch zu Langeais, Sonnay, Amboise, S. 156 Ciran9 Tournon10 und Candes11 baute er Kirchen, nachdem er die Götzentempel zerstört und die Heiden getauft hatte. Er war sechsundzwanzig Jahre, vier Monate und siebenzehn Tage Bischof, und das Bistum blieb nach ihm zwanzig Tage unbesetzt.
Als vierter Bischof wurde Bricius eingesetzt im zweiten Jahre des Arcadius und Honorius, als diese zusammen regierten. Er war ein Bürger von Tours. Im dreiunddreißigsten Jahre seines Bistums wurde er von den Bürgern von Tours der Unzucht angeschuldigt12 Sie vertrieben ihn deshalb und setzten Justinianus zu ihrem Bischof ein. Bricius aber wandte sich darauf an den Papst zu Rom. Justinianus jedoch, der ihm nacheilte, starb in der Stadt Vercelli. Die von Tours ließen jedoch nicht von ihrer Bosheit ab und setzten den Armentius zu ihrem Bischof ein. Bricius lebte nachdem sieben Jahre bei dem Papste in Rom, und da er jenes Verbrechens unschuldig befunden wurde, durste er in seine Stadt zurückkehren. Er erbaute die kleine Kirche über dem Grabe des heiligen Martinus, in der auch er selbst begraben liegt13 Als er aber in das eine Tor einzog, wurde aus einem andren Tore Armentius tot herausgetragen. Als dieser begraben war, nahm Bricius seinen bischöflichen Stuhl wieder ein. Er soll die Kirchen in den Ortschaften Calatonnum14 Brsches, Ruan, Brizay15 und Chinon16 begründet haben. Im S. 157 ganzen war er siebenundvierzig Jahre Bischof und liegt begraben in der Kirche, die er über dem Grabe des heiligen Martinus erbaut hatte.
Als fünfter Bischof wurde Eustochius eingesetzt17 ein frommer und gottesfürchtiger Mann, aus vornehmem römischem Geschlecht18 Dieser soll die Kirchen in den Ortschaften Braye19 Dzeures20 Loches und Dolus begründet haben. Er baute die Hauptkirche innerhalb der Mauern der Stadt, wo er die Reliquien der heiligen Märtyrer Gervasius und Protasius niederlegte, welche von dem heiligen Martinus aus Italien überbracht worden waren, wie der heilige Paulinus in einem seiner Briefe meldet21 Eustochius war siebenzehn Jahre Bischof und liegt in der Kirche begraben, welche Bischof Bricius über dem Grabe des heiligen Martinus erbaut hatte.
Als sechster Bischof wurde Perpetuus eingesetzt, gleichfalls, wie man sagt, aus vornehmem römischem Geschlecht und ein Verwandter seines Vorgängers. Er war sehr reich und hatte in vielen Diözesen Besitzungen. Dieser ließ die Kirche, welche Bischof Bricius über dem Grabe des heiligen Martinus gebaut hatte, abreißen und baute an deren Stelle eine größere von prächtiger Arbeit, in deren Altarraum er den heiligen Leib des verehrungswürdigen Gottesmannes beisetzte22 Er bestimmte auch, wie im Jahreslaufe die Fasten und Vigilien regelmäßig abgehalten werden sollten, worüber wir noch heute bei uns eine Aufzeichnung haben. Ihre Reihenfolge aber ist folgende:
S. 158 Fasten:
Nach Pfingsten am vierten und sechsten Tag der Woche bis zum Tage des heiligen Johannes(1)
Vom 1. September bis zum 1. Oktober zweimal in der Woche.
Vom 1. Oktober bis zum Todestag des heiligen Martinus(2) zweimal in der Woche.
Vom Todestag des heiligen Martinus bis Weihnachten dreimal in der Woche.
Vom Tag des heiligen Hilarius(3) bis Mitte Februar zweimal in der Woche.
Vigilien:
Weihnachten in der Hauptkirche.
Epiphanias in der Hauptkirche.
Am Tage des heiligen Johannes(4) in der Kirche des heiligen Martinus.
Am Tage von Petri Stuhlfeier(5) in dessen Kirche.
Am 27. März(6) zur Feier der Auferstehung unsres Herrn Jesu Christi in der Kirche des heiligen Martinus.
Ostern in der Hauptkirche.
Himmelfahrt in der Kirche des heiligen Martinus.
Pfingsten in der Hauptkirche.
Am Tage des Leidens des heiligen Johannes(7) in der Kirche bei der Taufkapelle.
S. 159 Am Tage der heiligen Apostel Petrus und Paulus(1) in ihrer Kirche.
Am Tage des heiligen Martinus(2) in seiner Kirche.
Am Tage des heiligen Syrnphorianus(3) in der Kirche des heiligen Martinus.
Am Tage des heiligen Litorius(4) in seiner Kirche.
Am andren Tage des heiligen Martinus(5) in seiner Kirche.
Am Tage des heiligen Bricius(6) in der Kirche des heiligen Martinus.
Am Tage des heiligen Hilarius(7) in der Kirche des heiligen Martinus.(8)
Bischof Perpetuus baute die Kirche des heiligen Petrus, in der er die Decke der früheren Kirche(9) wieder anbrachte, die noch bis auf unsere Zeiten erhalten ist. Auch baute er die Kirche des heiligen Laurentius zu Montlouis.(10) Zu seiner Zeit wurden Kirchen begründet in den Ortschaften Esvres, Mougon, Barrou,(11) Balesmes und Vernou. Er errichtete auch ein Testament(12) und schenkte, was er in den einzelnen Stadtgebieten besaß, den Kirchen dieser Städte, indem er auch der Kirche von Tours ein nicht unbedeutendes Vermögen zuwandte. Er war dreißig Jahre Bischof und liegt in der Kirche des heiligen Martinus begraben.
S. 160 Als der siebente Bischof aber wurde Bolusianus eingesetzt(1) aus vornehmem römischem Geschlecht, ein frommer Mann. Er war sehr reich und wiederum ein Verwandter seines Vorgängers, des Bischofs Perpetuus. Zu seiner Zeit herrschte Chlodovech schon in einigen Städten Galliens. Und deswegen schöpften die Goten gegen diesen Bischof Verdacht, daß er sie unter die Herrschaft der Franken bringen wolle; er wurde daher verurteilt in der Stadt Toulouse als Verbannter zu leben und starb in der Verbannung. Zu seiner Zeit wurde der Ort Manthelan(2) gebaut und die Kirche des heiligen Johannes in dem Großen Kloster(3) Er war sieben Jahre und zwei Monate Bischof.
Als der achte Bischof wurde Verus eingesetzt(4) Auch er wurde, als wegen der gedachten Ursache die Goten gegen ihn Verdacht hegten, in die Verbannung geschickt und starb daselbst. Sein Vermögen vermachte er den Kirchen und den ihm Nahestehenden(5) Er war elf Jahre und acht Tage Bischof.
Der neunte Bischof war Licinius, ein Bürger von Angers. Er war aus Liebe zu Gott nach dem Morgenlande gezogen und hatte die heiligen Stätten besucht(6) Darauf, als er zurückgekehrt war, gründete er auf seinem Gute ein Kloster in dem Gebiet von Angers, bekleidete dann die Stelle eines Abtes in dem Kloster, wo der heilige Abt Venantius(7) begraben liegt, und wurde von hier zum Bistum berufen. Zu seiner Zeit kam König Chlodovech, als er die Goten geschlagen und besiegt hatte, auf dem Rückwege nach Tours(8) Licinius war S. 161 zwölf Jahre, zwei Monate und fünfundzwanzig Tage Bischof und liegt in der Kirche des heiligen Martinus begraben.
An zehnter Stelle wurden eingesetzt Theodorus und Proculus auf Befehl der heiligen Königin Chrodichilde(1) weil sie aus Burgund, wo sie schon zu Bischöfen geweiht waren, ihr gefolgt und gewaltsamerweise aus ihren Städten vertrieben waren(2) Sie waren aber beide sehr betagt und leiteten die Kirche von Tours zusammen zwei Jahre. Sie liegen begraben in der Kirche des heiligen Martinus.
Der elfte Bischof war Dinifius(3) der ebenfalls aus Burgund kam. Er gelangte zum Bistum nach der Wahl der genannten Königin, die ihm auch einiges aus dem Staatsschatze schenkte und ihm erlaubte, darüber zu verfügen wie er wollte. Dieser Bischof hinterließ seine besten Sachen zum größten Teile seiner Kirche, einiges schenkte er auch ihm Nahestehenden(4) Er war zehn Monate Bischof und liegt in der Kirche des heiligen Martinus begraben.
Der zwölfte Bischof war Ommatius(5) ein Bürger von Arvern aus vornehmem römischen Geschlecht(6) der sehr viele Landgüter besaß. Er errichtete ein Testament und verteilte seine Güter an die Kirchen der Städte, in deren Gebiet sie lagen. Er verschönerte auch die Hauptkirche innerhalb der Mauern von Tours, welche an die Stadtmauer stößt und durch die Reliquien der Heiligen Gervasius und Protasius geweiht ist. Er fing ferner an die Kirche der heiligen Maria innerhalb der Stadtmauer zu S. 162 bauen, welche er jedoch unvollendet zurückließ(1) Er war vier Jahre(2) und fünf Monate Bischof und wurde nach seinem Tode in der Kirche des heiligen Martinus begraben.
Als der dreizehnte Bischof wurde Leo eingesetzt, der vorher Abt(3) in der Kirche des heiligen Martinus gewesen war. Er war ein tüchtiger Zimmermann, und fertigte auch Monstranzen, die ganz mit Gold überzogen waren, von denen noch einige bei uns erhalten sind. Auch in ändern Arbeiten war er sehr geschickt. Er war sechs Monate(4) Bischof und liegt in der Kirche des heiligen Martinus begraben.
Der vierzehnte Bischof war Francilio, der von vornehmen Römern(5) abstammte, ein Bürger von Poitiers. Er hatte eine Ehefrau mit Namen Clara, aber keine Kinder. Und sie waren beide sehr reich an Landgütern, welche sie vornehmlich der Kirche des heiligen Martinus schenkten, sie hinterließen aber auch einiges ihren Verwandten. Er war zwei Jahre sechs Monate Bischof und wurde nach seinem Tode in der Kirche des heiligen Martinus begraben.
Der fünfzehnte Bischof war Jnjuriosusein Bürger von Tours, zwar nur von niederem Stande, aber von freier Geburt. Zu seiner Zeit starb die Königin Chrodichilde(6) Er vollendete den Bau der Kirche der heiligen Maria(7) innerhalb der Mauern von Tours. Zu seiner Zeit wurde auch die Kirche des heiligen Germanus gebaut. Die Ortschaften Neuilly(8) und Luzillö wurden begründet. Er bestimmte, daß die Tertia und S. 163 Sexta in der Hauptkirche gehalten würden,(1) was auch noch jetzt im Namen Gottes besteht. Er war sechzehn Jahre, elf Monate und sechsundzwanzig Tage Bischof und wurde nach seinem Tode in der Kirche des heiligen Martinus begraben.
Als der sechzehnte Bischof wurde Baudin eingesetzt, der früher Referendar(2) des Königs Chlothar gewesen war und auch Kinder besaß. Er gab sehr reichlich Almosen und verteilte auch das Gold, das ihm sein Vorgängen hinterlassen, mehr als zwanzigtausend Goldgulden, an die Armen. Zu seiner Zeit wurde der andre Ort mit Namen Neuilly(3) erbaut. Er richtete auch die gemeinschaftliche Mahlzeit für die Kanoniker(4) ein. Er war fünf Jahre und zehn Monate Bischof, und wurde nach seinem Tode in der Kirche des heiligen Martinus begraben.
Als der siebzehnte Bischof wurde Gunthar(5) eingesetzt, der vorher Abt im Kloster des heiligen Venantius(6) gewesen war. Er zeigte sich als ein sehr verständiger Mann, so lange er die Stelle eines Abtes bekleidete, und wurde öfters zu Gesandtschaften gebraucht, welche die Frankenkönige einander schickten. Als er aber Bischof geworden war, ergab er sich dem Trunke und wurde fast blödsinnig. Es benahm ihm dies Laster so den Verstand, daß er oft unter seinen Tischgenossen ihm befreundete S. 164 Personen nicht zu erkennen vermochte und sie sogar häufig schimpfte und schmähte. Er war zwei Jahre, zehn Monate und zweiundzwanzig Tage Bischof und wurde nach seinem Tode in der Kirche des heiligen Martinus begraben. Das Bistum blieb ein Jahr lang unbesetzt.(1)
Als der achtzehnte Bischof wurde der Priester Eufronius(2) eingesetzt, ein Mann aus dem vorhin bezeichnten, vornehmen Geschlecht(3) und von ausnehmender Heiligkeit, der von Jugend an Geistlicher war. Zu seiner Zeit wurde die Stadt Tours mit allen ihren Kirchen von einer großen Feuersbrunst verzehrt. Bon den Kirchen stellte er nachdem zwei her, die dritte aber, welche die ansehnlichste war, blieb verlassen. Danach geriet auch die Kirche des heiligen Martinus wegen Wilichar in Brand, als er dort eine Zuflucht wegen der Verschwörung des Chramn suchte. Diese deckte darauf derselbe Bischof mit Zinn, wobei ihn König Chlothar unterstützte.(4) Zu seiner Zeit wurde die Kirche des heiligen Vincentius gebaut und in den Ortschaften Thure, Cere und Orbigny Kirchen errichtet. Er war siebzehn Jahre Bischof und starb in einem Alter von siebzig Jahren. Begraben liegt er in der Kirche des heiligen Martinus. Das Bistum blieb neunzehn Tage unbesetzt.
Als der neunzehnte Bischof überkam ich Gregorius(5) ohne Verdienst und Würdigkeit die Kirche der Stadt Tours. Noch lag S. 165 die Kirche, in welcher der heilige Martinus und so viele andere Priester des Herrn zur bischöflichen Würde geweiht worden waren(1) eingeäschert und zerstört, welche ich schöner und größer wieder aufbauen ließ und im siebzehnten Jahre meiner Amtsführung einweihte. In derselben waren, wie ich von hochbetagten Priestern erfuhr, Reliquien der heiligen Agaunier(2) von den Vorfahren vor Alters niedergelegt worden und ich fand das Kästchen in der Schatzkammer der Kirche des heiligen Martinus wieder, worin das heilige Kleinod ganz von Fäulnis aufgelöst lag; wegen der Wunderkraft, die ihrer Verehrung beiwohnt, war es dorthin gebracht worden. Während der Vigilien nämlich, die zu ihren Ehren gehalten wurden(3) fiel es mir bei, noch einmal bei Kerzenschein eine Nachsuchung dort nach ihnen zu halten. Während wir nun aufmerksam alles durchforschten, sprach zu uns der Pförtner der Kirche: „Hier ist noch ein Stein mit einem Deckel verschlossen, ich weiß S. 166 nicht, was darin ist; auch meine Vorgänger, die in dieser Kammer den Dienst hatten, besaßen, wie ich erfahren habe, keine Kenntnis davon. Ich will ihn herbeibringen, und ihr möget dann untersuchen, was darin verschlossen liegt". Als der Stein gebracht wurde, eröffnete ich ihn und fand darin ein silbernes Kästchen, in dem nicht nur Reliquien von den Blutzeugen der heiligen Legion, sondern auch von vielen andren Heiligen, Märtyrern wie Bekennern(1) lagen. Wir fanden auch noch andre Steine, die ebenso ausgehöhlt waren, in denen sich Reliquien der heiligen Apostel und andrer Heiliger fanden. Voll Überraschung empfing ich dies Geschenk Gottes, dankte, hielt Vigilien, las Messen und legte die Reliquien in der Kirche nieder. In der Zelle des heiligen Martinus, welche nahe bei dieser Kirche selbst ist, legte ich Reliquien der heiligen Märtyrer Cosmas und Damianus nieder. Die Mauern der Kirche des Heiligen(2) fand ich vom Brande beschädigt und ließ sie durch unsre Künstler mit demselben Glanze wieder malen und schmücken, wie sie früher gewesen waren. Ich ließ auch eine neue Taufkapelle bei dieser Kirche bauen, in der ich Reliquien des heiligen Johannes mit denen des Märtyrers Sergius niederlegte, in die alte Taufkapelle brachte ich dagegen Reliquien des heiligen Märtyrers Benignus. An vielen Orten im Gebiete von Tours weihte ich Kirchen und Betsäle und verherrlichte sie durch Reliquien der Heiligen; doch das alles der Reihe nach aufzuführen, würde zu weit führen.
Ich habe zehn Bücher Geschichte, sieben Bücher der Wunder und Ein Buch von dem Leben der Väter geschrieben, eine Abhandlung über den Psalter in Einem Buche abgefaßt, auch ein Buch über die Zeiten des kirchlichen Gottesdienstes herausgegeben.(3) Und obgleich ich diese Bücher in kunstloser und S. 167 ungebildeter Sprache geschrieben habe,(1) beschwöre ich doch alle Bischöfe des Herrn, die nach mir unwürdigem Mann die Kirche von Tours leiten werden, bei der Wiederkunft unsres Herrn Jesu Christi und bei dem allen Bösen furchtbaren Tage des Gerichts: wenn ihr nicht zerschmettert von diesem Gericht weichen und in die ewige Verdammnis mit dem Teufel eingehen wollt, so lasset niemals diese Bücher vernichten oder sie so umschreiben, daß ihr einiges aushebt und anderes weglaßt; sondern so, wie sie von uns hinterlassen sind, sollen sie unversehrt und unverkürzt bei euch bleiben! ^Sollte dich, Bischof des Herrn, wer du auch sein magst, unser Martianus(2) in den sieben freien Künsten unterrichtet haben, dich nämlich in der Grammatik lesen, in der Dialektik streitige Sätze entscheiden, in der Rhetorik die verschiedenen Arten des Versbaus erkennen, in der Geometrie Flächen und Längenmaße berechnen, in der Astrologie den Lauf der Gestirne beobachten, in der Arithmetik die Gattungen der Zahlen erkennen, in der Harmonie verschiedene Klänge mit dem lieblichen Tonfall der Gedichte in Übereinstimmung bringen gelehrt haben, und solltest du in allem diesem so bewandert sein, daß unser Stil dir kunstlos vorkomme, dennoch bitte ich dich, daß du nichts von dem weg nimmst, was ich geschrieben habe^ Wenn du an diesen Dingen S. 168 dein Gefallen hast, ich habe nichts dawider, daß du sie in Versen behandelst, doch laß unser Werk unberührt!(1)
Diese Bücher haben wir im einundzwanzigsten Jahre nach unserer Einsetzung beendigt, und obgleich wir in dem Obigen die Bischöfe von Tours unter Angabe ihrer Amtsjahre aufgeführt haben, folgt hier doch nicht eine Gesamtberechnung dieser Jahre, weil wir nicht überall haben ermitteln können, wie groß der Zwischenraum von der Erledigung des Bistums bis zu seiner neuen Besetzung gewesen ist. Die ganze Summe der Jahre seit Erschaffung der Welt ist aber folgende:
Von der Schöpfung bis zur Sündflut . . . 2242 Jahre.
Von der Sündflut bis zum Durchzug der Kinder Israel durch das rote Meer 1404 „
Von dem Durchzug durch das rote Meer bis zu der Auferstehung des Herrn 1638 „
Von der Auferstehung des Herrn bis zum Heimgange des heiligen Martinus 412 „
Vom Heimgange des heiligen Marünus bis zu dem oben erwähnten einundzwanzigsten Jahre unserer Amtsführung, welches das fünfte Jahr des Papstes Gregorius zu Rom, das einunddreißigste König Gunthramns, das neunzehnte König Childeberts II. ist 196 „
Die ganze Summe dieser Jahre ist 5792 Jahre.
Hier endet das zehnte Buch der Geschichte im Namen Christi.
Fußnoten
*) Über Herzog Lupus vgl. Bd. H. S. 111. Anm 4. Dynamius, früher ChildebertS Statthalter in Marseille, der es aber mit König Gunthramn hielt (B. VI Kap. 11), hatte sich wohl, als Marseille an Childebert zurückkam, zu Gunthramn geflüchtet sB. VI. Kap. 33).
') Der Vertrag selbst folgt unten Kap. 20.
') Kap. v. i) Vgl. S. 14 Anm. 2. Bd. II. S. 4. Anm. 1. Kap. 10.
^ primLiu äuoa>bn8; ich kann mich nicht entschließen, hier änoutua als technische Bezeichnung zu nehmen.
-) B. VIII. Kap. 44, wo aber gemeldet wird, daß er, mit den andren Gesandten der Fredegunde angehalten, in die Verbannung geschickt wurde.
') Durch einen Reinigungseid. B. VIII. Kap. 31. Aus Kap. 20 geht hervor, daß, was hier und in dem nächstfolgenden Kapitel erzählt wird, schon zum Teil in das Jahr 588 gehört.
-) B. VIII. Kap. 42.
1.
Corinth 15. 50. Rauching. Ursio und Bertefred. Kap. 12. Egidius erscheint früher immer als das Haupt jener Adelsfaktton im austrasischen Reiche, die jetzt so gewaltsam vernichtet wurde. Bgl. Bd. ü. S. 46. Anm. 2 und unten B. X. Kap. 10. r) B. VI. Kap. 4.
2) Die arianischen Bischöfe. Spätestens Anfang 587. Vom Ruhme der Bekenner. Kap. 13. Eine ähnliche Geschichte vom Bischof Cyrola, die sich in Afrika zu Zeiten des Vandalenkönigs Hunerich -utrug, ist oben B. ü. Kap. 3 erzählt worden. Die gewöhnliche Art der Aufnahme der Ketzer in die katholische Kirche. B. IV. Kap. 27 und 28. Die Arianer nahmen dagegen eine neue Taufe vor. die von den Katholiken als Wiedertaufe bezeichnet wurde. Vgl. B. II. Kap. 2. B. V. Kap. 38.
') Über Waddos Söhne B. X. Kap. 21.
*) Hlrs-bedur^um. ES scheint die älteste Stelle zü sein, an welcher der Name vorkommt (noch einmal verwendet ihn Gregor B. X. Kap. 19); demnächst findet er sich 614 in den Unterschriften des Concils von Paris M. O. Oono. I. 192). r) Kap. 20.
*) Ustzios.; vgl. Bd. II. S. 93. Anm. 1.
') B. X. Kap. 19.
) Vgl. Kap. 3.
2) Im Elsaß, unweit Zabern.
*) Die Gesandten gingen nach Konstantinopel und erhielten von Kaiser JustinuS und Sophia ein Stück vom heiligen Kreuze. Vgl. Bd. ü. S. 150. Anm. 2 und die Gedichte des Venantius Fortunatus auf das heilige Kreuz sB. II, 1—6), die wohl der Überführung dieser Reliquie nach PoitierS ihre Entstehung verdanken.
*) Das Verhalten des Bischofs entspricht dem damals noch ziemlich weitverbreiteten Widerspruch gegen die Reliquienverehrung; vgl. A. Hauck in der Prot. Realenzyklopädie XVI, 632 f. und oben in Kap. 6 Gregors Verhalten gegenüber den Reliquien der Hl. Vincentius und Felix.
') AgneS, wie sich aus Kap. 42 ergibt. Gregor erwähnt sie auch Vs virti. 8. LInriinL IV, 29.
*) Nullo modo vodis es. 86ii68 Ln8tzri xo1S3d Huus lrlaspderniuru arosub. Bonnet <173 Anm. 6) schlägt 86i68 86Z68 für ssrie8 vor. Dann würde sich als Sinn ergeben: „Auf keine Weise kann man euch die Saat vernünftiger Gedanken einpflanzen".
') Basina. r) B. VHI. Kap. 32.
2) UsAina-s 8umus. Vgl. Bd. II. S. 101. Anm. 2.
') An den Anfang seiner Regel hatte CäsartuS die Bestimmung gesetzt: si yua. rsliotis pursnUbukl sius 8s,sou1una rsnunlinrs st sanslurn oviis volusrii inIroirs, . . . N8^ns aä naorlsin suarn äs rnonnslsrio non SArsäiaäur nso äs 1>u8ilios» u1)i ostluin 6886 viäsimr, an das Ende: si) Huia, proplsr on8t)oäia,in rnons.8tsrii s,11
-) B. VIII. Kap. 2.
') B. V. Kap. 6 und oben Kap. 23. Gras zu Poitiers. B. X. Kap. 15. 21. Die Schreibenden sind die Bischöfe von Lyon, Autun, Auxerre, Grenoble, NeverS, Riez, Belley, Cavaillon, LHLlonS-sur-Marne und Le ManS.
2.
Timoth. 4, 2. 1. Timoth. 4, 8. r) Vgl. Ev. Luk. 15. 5. 6. Die Unterschriften der Bischöfe Aunachnr und Ngroeeula fehlen. r) Vgl. S. 67 Anm. 1. r) Apostelgeschichte 5. 1-11.
') Vgl. Avostelg. 8. V.
*) D4p. Seine.
*) Zuletzt war von Differenzen zwischen beiden Königen B. IX. Kap. 32 die Rede; der Schluß des Kapitels läßt ihre Beilegung erkennen, B. X. Kap. 3 setzt einen friedlichen Zustand voraus.
*) Im Vertrage zu Andelot jB. IX. Kap. 20) hatten sich Childebert nnd Gunthramn über die Erbschaft des Charibert, deren Mittelpunkt Paris war svgl. Bd. I. S. 206 Anm. 4 und S. 213f. Anm. 3) verglichen. Childebert besorgte jetzt, Gunthramn möchte Chlothar in die Besitzungen, die einst Chilperich von CharibertS Reich sich angeetgnet hatte, einsetzen und dadurch im Widerspruch mit dem eingegangenen Vertrage handeln. Die Wichtigkeit von Paris geht aus der nach CharibertS Tode getroffenen Abmachung hervor, keiner der drei überlebenden Brüder solle die Stadt ohne Einwilligung der beiden anderen betreten dürfen; vgl. B. VI. Kap. 27, B. VII. Kap. 6.
*) Der König hat nur eine moralische, nicht eine kirchenrechtliche Verpflichtung im Auge. Geschichtschreiber Bd. 9II. Hälfte. Gregor von TourS III, 4. Aufl. 10 r) Vgl. B. I. Kap, 30. Vgl. Anm. 3 aus S. 152 f.
') B. I. Kap. 48. r) 24. Juni.
11.
November.
') 13. Januar.
*) 24. Juni, der vermeintliche Geburtstag des Heiligen.
22.
Februar. b) Dieser Tag wurde neben Ostern als stehendes Fest gefeiert. 29. August.
29.
Juni.
4.
Juli, das Fest der Bischofsweihe des Heiligen.
*) 22. August.
13.
September. Der Tag der Beisetzung des Heiligen, 11. November. Vgl. B. II. Kap. 14.7 13. November.
^ 13. Januar. d) Die chronologische Ordnung des Verzeichnisses wird durch die beiden JohanneStage und den HilariuStag gestört; es handelt sich vielleicht um spätere Etnschiebungen. ') DeS heiligen MarttnuS. B. II. Kap. 14. Unweit von TourS. Vgl. B. ü. Kap. 1. B. VI. Kap. 12.
") Vgl. S. 153 Anm. r) B. ü. Kap. 26.
«) B. VII. Kap. 47.
') Vgl. S. 155 Anm. 7. Vgl. B. II. Kap. 26. Vevs inerltig äsrsliqnid. Bgl. Bd. H. S. 282. Anm. 3.
«) B. II. Kap. 39. Satnt-Venant in TourS; der Heilige gehört in das 5. Jahrhundert. ») B. II. Kap. 37. Bgl. B. II. Kap. 26. Nach B. m. Kap. 17 kamen sie aus Spanien, waren also wohl von den arianischen Westgoten verjagt worden.
') B. Hl. Kap. 2. Ltzütz oasritis. B. III. Kap. 17.
*) Er war ein Sohn des Bischofs RurictuS von LimogeS, vgl. B. Krusch, LI. O. ^uot. s-ol. VIII., p. I^XII kt. Geschichtschreiber Bd. SII. Hälfte. Gregor von Tours III, 4. Aufl. 11 Vgl. Bd. II. S. 306. Anm. 2.
') Die Lesart ..drei Jahre« ist Korrektur aus B. HI. Kap. 17.
-) Vgl. Bd. I. S. 189. Anm. 2.
*) B. m. Kap. 17 werden ihm sieben Monate gegeben.
„Senatoren«. B. m. Kap. 17.
°) Vgl. B. IV. Kap. 1. Vgl. Bd. II. S. 306. Anm. 2. Oder Neuille. ES ist nicht sicher, welche von den verschiedenen Ortschaften dieses Namens im Gebiet von Tours gemeint ist.
*) Die Tertia und Sexta gehören zu den sieben kanonischen Stunden, die rnitPsalmenrezitation und Gebet gefeiert wurden und werden. Ursprünglich in den Klöstern zu Hause, gehen sie dann allmählich auch auf die Kirchen der Weltgeistlich keit über. Nach B. IV. Kap. 3 war Baudin früher Haushofmeister svornsslious).
-) Vgl. S. 162 Anm. 6. Seit dem 4. Jahrhundert sucht man nach dem Vorgänge des Eusebius von Vercelli und Augustins die Kleriker zu gemeinsamem Wohnen und gemeinsamer Mahlzeit zusammenzufassen, ihr Leben also dem klösterlichen anzunähern. Vgl. die Bestimmungen des Konzils von Tours 567 o. 13. O. vono. I, 125) und oben B. VI. Kap. 6. 36; auch in dem Inder vilns patrurn IX, 1 spricht Gregor von einer rnsnss. LLllOQivL.
') B. IV. Kap. 4 und 11.
«) Vgl. S. 160 Anm. 7. Infolge der B. IV. Kap. 11 und 15 erwähnten Vorgänge.
') B. IV. Kap. 15.
») Gregor denkt wohl an die Familie des Ommatins, die mit seiner eigenen verwandt gewesen sein wird; vgl. seine Bemerkung B. V. Kap. 49, daß bis auf fünf alle Bischöfe von TourS zu seinen Verwandten zählten. B. IV. Kap. 20. b) Man muß der Versuchung widerstehen, in den Angaben, die Gregor über sich selbst macht, ein frühestes Beispiel der mittelalterlichen oder etwa einen späten Nachhall der antiken Autobiographie sehen zu wollen. Weder die südgallischen Ableger der 6onk6S8ion6s Augustins (vgl. G. Misch, Geschichte der Autobiographie I, 442ff.) noch seine RsbraolLliouss noch das autobiographische Schlußkapitel, das Hieronymus seinem Werke Os viris i11u3tridus (über die kirchlichen Schriftsteller) anfügte, sind der Ausgangspunkt für Gregor gewesen. Er will sich weder als Persönlichkeit von bestimmtem Innenleben, noch als Literaten schildern, sondern sich lediglich als neunzehnten Bischof von Tours seinen Vorgängern anreihen. Daher beschränkt er sich auf die äußeren Daten seiner kirchlichen Amtstätigkeit; nur in der Erzählung von der Auffindung der Reliquien wird er ausführlicher und nähert sich seinen hagiographischen Schriften. Zu seiner kirchlichen Wirksamkeit zählte er auch die Abfassung seiner Schriften: die Mahnung für ihre unverfälschte Tradition zu sorgen, richtet er an die Bischöfe, seine Nachfolger. Die alte Kathedrale, die Eufronius nicht wieder hatte aufbauen können. ES ist nicht die Kirche des heiligen Martinus, die Perpetuus gebaut hatte, gemeint, von deren Herstellung Gregor gleich nachher spricht. Die Vollendung des Baus der Kathedrale besang Fortunatus in einem uns erhaltenen Gedicht sX. 6); vgl. W. Meyer, Der Gelegenheitsdichter Venantius Fortunatus, Abhandl. d. Gesellsch. d. Wissensch. z. Göttingen, N. F. IV. 6. 62 ff. D.h. der thebaetschen Legion, die nach der Legende 6666 Mann stark mit ihrem Anführer Mauritius unter Kaiser Maximian bei Agaunum im WalliS ihren christlichen Glauben mit dem Tode besiegelt haben sollte. Um 440 verfaßte Bischof Eucherius seine kansio rnarb^rum, welche die Legende auSbreiten hals; 515 stiftete Kg. Sigimund von Burgund an der Stelle des angeblichen Martyriums das Kloster St. Maurice (vgl. oben B. III. Kap. 5). Gregor erwähnt die Thebaeer noch einmal, in dem Iü5vr in Aloris, mo-rt^ruin v. 61. DaS Fest wurde am 22. September gefeiert.
») Vgl. Bd. II. S. 269. Anm. 3.
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Die Echtheit dieses Kapitels, die noch Giesebrecht in einem ausführlichen Exkurs zu verteidigen hatte, wird heute allgemein zugegeben. Seine literargeschichtliche Bedeutung liegt darin, daß es neben dem römischen lüker xonlikioulis die älteste uns erhaltene Bistumgeschichte ist; doch ist es nicht aus einer Nachahmung des Papstbuches hervorgegangen (Th. Mommsen, lA. S. Oesla, xontt. Horn. I, S. XV f. gegen ^odssvs, l.,6 lidsr ponbilioulis I S. I^IIf). Bei der Abfassung dieser Bistumsgeschichte stand Gregor die mündliche Tradition seiner eigenen Familie zu Gebote, der, wie er mit Stolz erwähnt (Bd. II. S. 104), alle seine Vorgänger bis auf fünf angehört hatten. An schriftlichen Quellen besaß er fortlaufende Notizen nur für die Zeit seit Volusianus; erst mit diesem beginnen die regelmäßigen Angaben nach Jahren, Monaten und Tagen für die einzelnen Pontifikate, die dann mit Gregors zweitem Vorgänger wieder ihr Ende erreichen und ungefähren Schätzungen Platz machen. Theodorus und Proculus fehlten in dieser Aufzeichnung. Die genaue Berechnung der Amtsdauer setzt bei ihnen plötzlich aus. Dies und Gregors Schwanken, der sie B. III. Kap. 17 an die dreizehnte, B. X. Kap. 31 an die zehnte Stelle fetzt, ihnen dort drei, hier zwei Jahre gibt, läßt in Verbindung mit dem, was er über ihre Erhebung sagt, erraten, daß sie ursprünglich als Usurpatoren betrachtet und in den offiziellen Aufzeichnungen nicht mitgezählt wurden. Für die Zeit vor Bolusianus hatte Gregor außer einer Aufzeichnung aus der Zeit des Bischofs Perpetuus über die in Tours zu beobachtenden Fasten und Vigilien (vgl. S. 158 f.) jedenfalls nur wenige Notizen zur Hand; die zurückhaltende Form, in der er von den Kirchweihen des Bricius und Eustochius spricht (vgl. S. 156,157) und die Berufung auf den Brief des Paulinus von Nola (S. 157) zeigt, daß diese Nachrichten nicht sehr eingehend gewesen sein können. Sie enthielten Angaben über die Weihen der ersten vier Bischöfe, auf Jahre der römischen Kaiser datiert, dann auch wohl über die Dauer von Martins Pontifikat (die Gregor Vs virtt. Llartlnil, 3 aber wieder anders ansetzt). Die Tradition, die dem ersten Bischof, Catianus, fünfzig Jahre gab, erfüllte Gregor mit Zweifel, er ließ für die Zahl zunächst eine Lücke frei, die später von einzelnen Abschreibern ausgefüllt wurde. Die Sedisvakanz von 37 Jahren zwischen Catianus und Litorius war nur ein Verlegenheitsprodukt (V. vuVÜ68QS, k'usbss sxi8oops.ux äs l'Lnoisnlls Os-uls II2, 286). Der vierte Bischof, Bricius, war nach längerer Amtsdauer — sie wird oben B. II. Kap. 1 auf 33 Jahre bemessen, wie diejenige des zweiten, Litorius — abgesetzt worden; ihm folgte, von den Zeitgenossen anerkannt (vgl. Duchesne a. a. O. 303, 304), Justinianus, dann Armenttus. Allein eine spätere Tradition, deren Reflex sich auch bei Gregor B. II. Kap. 1 findet, betrachtet sie als Usurpatoren und läßt Bricius restituiert werden. Indem sie für sein Exil und die nachexilische Zeit zweimal die legendarische Siebenzahl ansetzte, kam sie auf eine Pontifikatsdauer von 33 -s7 -s7 — 47 Jahren, die keinen Glauben verdient. Mit Bricius. also schon gegen die Mitte des 5. Jahrhunderts, hörten in Gregors Quellen die Ansätze nach Kaiserjahren auf. Für Perpetuus besaß er dessen Testament (nicht das uns heute vorliegende, das eine Fälschung ist); es mag sich als im dreißigsten Jahre des Bischofs abgefaßt gegeben haben, und Gregor nahm dieses Jahr zugleich als Todesjahr des Perpetuus, das durch die mit VolusianuS beginnenden Aufzeichnungen datterbar war. Damit war auch ein fester Ansatz für die Weihe des Perpetuus gewonnen, und zwischen diesem und dem fabelhaften Ende des Bricius blieben für Eustochius noch die siebzehn Jahre, die ihm Gregor gibt. Die Angaben des Schluhkapitels stimmen mit denen, die Gregor in früheren Abschnitten macht, nicht immer überein. Für Theodorus und ProculuS ist dies bereits angemerkt worden; auch für Ommatins und Leo gibt Gregor B. III. Kap. 17 andere Pontifikatszahlen als hier. Woher diese Abweichungen stammen, läßt sich nicht sagen. ↩
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Vgl. B. I. Kap. 36. ↩
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Vgl. B. I. Kap. 48. ↩
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B. I. Kap. 39. ↩
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B. I. Kap. 43. Gegen die Irrlehre der PriScillianisten schritt Maximus auf die Aufforderung des Bischofs JthaciuS mit dem Schwerte ein; vgl. Bd. II. S. 38 Anm. 1, S. 87. Anm. 2. ↩
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Vgl. B. I. Kap. 48. ↩
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Vgl. Bd. I. S. 36. Anm. 1. ↩
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Es ist das später berühmte Stift Marmoutier (D6P. Jndre-et-Lotre). ↩
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Vielleicht identisch mit dem B. IV. Kap. 48 erwähnten Kloster Latta; vgl. Longnon 270. ↩
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Tournon-Saint-Pierre bet Tours, ↩
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Sämtlich im Gebiet von Tours, ↩
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Bgl. B. II. Kap. 1. ↩
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Dieser Zwischensatz ist vielleicht später eingeschoben; er unterbricht den Zusammenhang in störender Weise. ↩
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Die heutige Benennung des Ortes ist nicht zu bestimmen; vgl. Longnon 267 f. ↩
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Briotreidis. Die Identifizierung mit Brizay ist nicht ganz sicher: vgl. Longnon 264 ff. ↩
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Vgl. B.V. Kap. 17 und B.Vl. Kap. 13. An letzterer Stelle wird einer Burg daselbst gedacht, in dem lüder in Aloria. eonksssorum o. 22 eines Klosters, das dort von Maximus, einem Schüler des heiligen Martinus, gestiftet worden war. ↩
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Vgl. B. II. Kap. 1 und 14. ↩
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„Senatorischem Geschlecht". ↩
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Jetzt Retgnac. ↩
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Vgl. B.VI. Kap. 12. ↩
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In einem seiner Briefe sXXXII, 17. 08LI.. XXIX, 293) berichtet PaulinuS von Nola <3ö3—431), den Gregor mit Paulinus von P6rigueux svgl. Bd. I. S. 36. Anm. 1) verwechselt (vgl. Bonnet 64). daß die von ihm gestiftete Kirche in Fondi sin MittelItalien) auch Reliquien der heiligen Gervasius und Protasius enthalten werde. In dem gleichen Briefe ist wiederholt auch von dem Hl. MartinuS die Rede. Vielleicht erkärt das,die Verwirrung, deren sich Gregor hier schuldig macht. ↩
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B. II. Kap. 14. ↩