5.
„Wir haben euch gesungen und ihr habt nicht getanzt, wir haben Klagelieder angestimmt und ihr habt nicht geweint‟1. Wohl mag das dem Naturell der Kinder nicht unangemessen erscheinen, die auf reiferen Ernst sich noch nicht verstehen und darum leichte Körperbewegung machen; gleichwohl doch kann es, wie ich vermute, auf einen höheren Sinn bezogen werden. Augenscheinlich nämlich haben die Juden weder zuvor den Psalmen noch nachher den Klageliedern Glauben geschenkt: durch die Psalmen zu Belohnungen angeeifert, durch die Klagelieder von Verwirrung abgehalten. David hat gesungen, auf daß wir unsere eigenen Harfen an die Weiden hingen2. Und auch er hat nicht aus Leichtfertigkeit, sondern aus religiöser Begeisterung gesungen und vor der Lade des Herrn getanzt3. Nicht ein Tanzen, bei welchem der Leib nach Gauklerart sich dreht und windet, ist gemeint, sondern die vom Eifer beschwingte Beweglichkeit des Geistes und die vom Frommsinn beflügelte des Leibes. Doch keine Besserung, keine auf die Triumphe, keine auf die Vernichtungsschläge, folgte bei den Juden. Und doch hätten sie, durch die Gnadenerweise des göttlichen Erbarmens hierzu ermuntert, den Geist erheben, den S. 271 Körper aufrichten, das Irdische verlassen, das Himmlische suchen sollen; hätten, durch die Leiden der Gefangenschaft mürbe, die Sünden beweinen sollen, nachdem Schuld die Urheberin des Leidens war.