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Während dieser Worte nun zog er den Mantel aus. Noch ließ jedoch sein Gebahren sowohl den Schergen wie den Lüstling vermuten. Die Jungfrau bietet den Nacken, der Krieger den Mantel dar. Welches S. 358 Schauspiel war das, welch herrlicher Anblick, als sie an der Stätte des Lasters um die Palme des Martyriums stritten! Man stelle sich die Personen gegenüber: einen Krieger und eine Jungfrau, von Natur einander so unähnlich, doch durch Gottes Erbarmen ähnlich! Es sollte sich der Ausspruch erfüllen: „Dann werden Wölfe und Lämmer mitsammen weiden“1. Doch sieh, Lamm und Wolf weiden nicht bloß, sondern opfern sich auch mitsammen! Wozu noch mehr? Nach Vertauschung des Kleides entrinnt das Mädchen dem Fallstrick2, nicht mehr wie von eigenen, nein, wie von geistigen Fittichen getragen, und verläßt, was keine Jahrhunderte je geschaut, als Jungfrau, freilich als Christi Jungfrau, die Stätte der Lust.
