Einleitung.
Zum besseren Verständnisse des folgenden Schreibens wollen wir uns in Kürze die in der abendländischen, zunächst römischen Kirche bezüglich der Osterfeier geltenden Principien vergegenwärtigen. Nach diesen ist das Osterfest an dem auf den 1. Vollmond nach der Frühjahrs-Tag-und Nachtgleiche folgenden Sonntag zu feiern, wobei zu bemerken ist, daß die Lateiner das Frühjahrs-Äquinoktium auf den 18. März ansetzten, während die Alexandriner hiefür den 21. März annahmen, ferner, daß, wenn der Vollmond auf einen Sonntag fällt, nicht dieser, sondern der folgende Sonntag der Ostersonntag sein müsse und zwar aus 2 Gründen: 1. weil der Vollmond den Todestag des Herrn darstellt, das Auferstehungsfest aber diesem nachfolgen muß, und 2. weil ja sonst die Christen in all den Jahren, wo der Vollmond auf einen Sonntag fällt, ihr Pascha wieder mit den Juden haben würden, was von jeher die Praxis der abendländischen Kirche und später ausdrücklich das nicänische Concil verboten hatte. Demnach waren bei den Römern der 16. und 22. Mondestag die äussersten Grenzen für den Ostersonntag. Im Jahre 414 fiel nach dem lateinischen Cyklus der Neumond oder 1. Mondestag auf den 7. März um 2 Uhr 21 Min. Nachmittags ein, der 16. Mondestag also d. i. derjenige Tag, an welchem alsdann am frühesten Ostern gefeiert werden konnte, auf den 22. März, und da S. 85 dieser ein Sonntag war, so hätte er ohne Bedenken als Ostersonntag betrachtet werden müssen, wenn nicht die 16. Luna erst Nachmittag voll geworden wäre. Die Schwierigkeit wurde weiters noch dadurch erhöht, daß nach dem alexandrinischen Cyclus der Osterneumond dieses Jahres erst am 8. März eintrat, der 22. März also die 15. Luna war; wäre diese Rechnung richtig, so hätten die Lateiner sich durch die Osterfeier am 22. März den Alexandrinern angeschlossen, welche auch an der 15. Luna das Osterfest begingen, und so Ostern an einemTage gefeiert, an welchem sie es nie feiern wollten und durften. Andererseits jedoch hätten sie, wenn sie Ostern auf den folgenden Sonntag, auf den 23. März, verschoben hätten, dieses am 23. Mondestage (nach ihrer Berechnung) gefeiert, was in der lateinischen Praxis unerhört war. Darum wollte P.Innocentius Ostern lieber am 22. März feiern, an welchem ja doch, wenn auch erst Nachmittag, die 16. Luna einfiel, als am 29. März, wo schon die 23. Luna begann.1
Cf. (Hagen) Observationes in veterum Patrum et Pontificium Prologos et Epistolas paschales; Amstelodami 1734, pag. 36 sqq. ↩
