1. Cap.
Leo, der Bischof, (entbietet) der Kaiserin Pulcheria (seinen Gruß.1
Welch' große Zuversicht die Kirche Gottes sich von dem Glauben euerer Milde versprechen darf, bewiesen wir oft durch viele Zeugnisse, da ihr nach der Unterweisung des heiligen Geistes euere Gewalt jenem in allem unterwerfet, durch dessen Gnade und (unter dessen) Schutz ihr regieret. Weil ich also aus dem Berichte meines Bruders und Mitbischofes Flavianus erfahren habe, dass in der Kirche von Konstantinopel gegen den wahren Glauben durch Eutyches ein Streit entstanden sei, dessen ganzen Verlauf die Synodalakten darstellen, ist es eueres Ruhmes würdig, dass der Irrtum, welcher mehr aus Unwissenheit als aus Verschmitztheit hervorgegangen, beseitigt werde, bevor er noch durch die Zustimmung Unwissender zu einem hartnäckigen Übel erstarken kann. Denn soweit Nestorius dadurch die Wahrheit verließ, dass er behauptete, der Herr Jesus Christus sei von der jungfräulichen Mutter nur als Mensch geboren, ebenso weit wich dieser von der katholischen Lehre ab, da er glaubt, dass der von derselben Jungfrau geborene nicht von unserer Natur sei, so dass das, dass er die Knechtsgestalt trug, dass er uns ähnlich und gleichförmig war, gewissermaßen ein Bild unseres Fleisches gewesen sei, S. 216 aber nicht die Wahrheit. Es nützt aber nichts, unsern Herrn, den Sohn der seligen Jungfrau Maria, einen Menschen zu nennen, wenn man nicht glaubt, er sei ein Mensch jenes Geschlechtes und Samens gewesen, als dessen Sprosse er im Anfange des Evangeliums selbst verkündigt wird. Daher schmerzt und betrübt es mich sehr, dass der, welcher vorher durch den Vorsatz der Demut lobenswert erschien, gegen unsere und unserer Väter einzige Hoffnung Eitles und allzu Verkehrtes zu behaupten wagt. Als er sah, dass seine törichte Gesinnung katholischen Ohren mißfalle, hätte er seine Meinung aufgeben, nicht aber die Vorsteher der Kirche dahin bringen sollen, dass er das Urteil der Verdammung erhielt. Von diesem kann ihn, wenn er in seiner Gesinnung verharren will, niemand lossprechen; denn der apostolische Stuhl beobachtet bei seinen Entscheidungen den Vorgang, dass er gegen Verstockte mit aller Strenge verfährt, Gebesserten aber Nachsicht angedeihen lassen will.
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Im Griech.: Der glorreichsten und gütigsten Tochter Pulcheria (sendet) Leo, der Bischof (seinen Gruß). ↩