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Damit du aber nicht glaubst, daß der Vorwurf der Juden völlig aus der Luft gegriffen sei, so untersuche, Statthalter, genauer, was man über die Taten des Herrn Jesus weiß, und was von seiner Macht bekannt ist! Blinden gab er das Augenlicht1 , Tauben das Gehör2 , Lahmen den Gebrauch der Füße3 und Stummen den der Sprache4 wieder. Er heilte Fieberkranke5 , befreite von Schmerzen, bannte unreine Geister6 und rief Tote ins Leben zurück7 . Wind und Wellen legten sich auf sein Geheiß8 . Solche Werke deuten freilich auf einen großen König hin, der sich aber nicht durch menschliche Macht, sondern durch göttliche Kraft auszeichnete. Darum mögen auch die Juden ihre Anklage ändern und dem Herrn diese Wunderkraft zum Vorwurf machen! Darum mögen sie auch S. 320offen vorbringen, was sie gegen ihn im Herzen haben!9 Warum klagen ihn nun die wegen weltlicher Dinge an, die ihn doch wegen seiner überirdischen Macht verfolgen? Obgleich Pilatus wohl fühlte, wie schwer und gehässig der Vorwurf der Juden war, daß er die Freundschaft des Kaisers hintansetze, versuchte er dennoch eine Zeitlang, ihre Wut zu mildern. In dieser Absicht gestattete oder befahl er, den Herrn Jesus mit allerlei Schmach zu überhäufen, damit sich ihre Ungerechtigkeit an den einem Schuldlosen zugefügten Unbilden sättige und nicht noch weiter gehe. Allein ihre hartnäckigkeit und Bosheit steigerte sich aus sich selbst immer mehr: Sie forderten nunmehr auch den T o d dessen, den zu verspotten sie das Recht bekommen hatten. Als darum die Hohenpriester, die Vornehmsten der Juden und das gesamte Volk immer und immer wieder schrien: „Kreuzige, kreuzige ihn!“10 , überlieferte er Jesus der Willkür seiner Verfolger und gab er ihnen den Räuber Barabbas frei11 . So ging denen zuliebe, die am Osterfeste den Urheber des Lebens mordeten, ein Mörder straflos aus.