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De Anima
X. DE SIMPLICITATE SVBSTANTIAE QVOD ET SPIRITVS IPSA SIT.
[1] Pertinet ad statum fidei simplicem animam determinare secundum Platonem, id est uniformem, dumtaxat substantiae nomine. Viderint artes et disciplinae, uiderint et effigies. [2] Quidam enim uolunt aliam illi substantiam naturalem inesse spiritum, quasi aliud sit uiuere, quod uenit ab anima, aliud spirare, quod fiat a spiritu. Nam et animalibus non omnibus utrumque adesse; pleraque enim uiuere solummodo, non etiam spirare, eo quod non habeant organa spiritus, pulmones et arterias. [3] Quale est autem in examinatione humanae animae culicis atque formicae argumenta respicere, quando et uitalia pro cuiusque generis dispositione omnibus propria animalibus temperauerit artifex deus, ut nulla inde coniectura captanda sit? Nam neque homo, si pulmonibus et arteriis structus est, idcirco aliunde spirabit, aliunde uiuet, neque formica, si membris huiusmodi caret, idcirco negabitur spirare, quasi solummodo uiuens. [4] Cui uero tantum patuit in dei opera, ut alicui haec deesse praesumpserit? Herophilus ille medicus aut lanius, qui sexcentos exsecuit, ut naturam scrutaretur, qui hominem odiit, ut nosset, nescio an omnia interna eius liquido explorarit, ipsa morte mutante quae uixerant, et morte non simplici, sed ipsa inter artificia exsectionis errante. [5] Philosophi pro certo renuntiauerunt culicibus et formicis et tineis deesse pulmones et arterias. Dic mihi, inspector curiosissime, oculos habent ad uidendum? Atquin et pergunt quo uolunt, et uitant et appetunt quae uidendo sciunt: designa oculos, denota pupulas. Sed et exedunt tineae: demonstra mandibulas, deprome genuinos. Sed et personant culices, ne in tenebris quidem aurium caeci: tubam pariter et lanceam oris illius ostende. Quoduis animal, unius licet puncti, aliquo alatur necesse est: exhibe pabuli transmittendi decoquendi defaecandique membra. (6.) Quid ergo dicemus? Si per haec uiuitur, erunt haec in omnibus utique quae uiuent, etsi non uidentur, etsi non apprehenduntur pro mediocritate. Hoc magis credas, si deum recogites tantum artificem in modicis quantum et in maximis. [6] Si uero non putas capere tam minuta corpuscula dei ingenium, sic quoque magnificentiam eius agnoscas, quod modicis animalibus sine necessariis membris nihilominus uiuere instruxerit, saluo etiam uisu sine oculis et esu sine denticulis et digestu sine alueis, quemadmodum et incedunt quaedam sine pedibus manante impetu, quod angues, et insurgente conatu, quod uermes, et spumante reptatu, quod limaces. [7] Ita et spirari cur non putes sine pulmonum follibus et sine fistulis arteriarum, ut pro magno amplectaris argumento idcirco animae humanae spiritum accedere, quia sint quae spiritu careant, et idcirco ea spiritu carere, quia de flaturalibus artibus structa non sint? Viuere sine spiritu existimas aliquid, spirare sine pulmonibus non putas? Quid est, oro te, spirare? Flatum, opinor, ex semetipso agere. Quid est uiuere? Flatum, opinor, ex semetipso non agere. Hoc enim respondere debebo, si non idem est spirare quod uiuere. Sed mortui erit non agere flatum: ergo uiuentis est agere flatum. Sed et spirantis est agere flatum: ergo et spirare uiuentis est. Vtrumque si sine anima decurrere potuisset, non fuisset animae spirare, sed solummodo umere. At enim uiuere spirare est et spirare uiuere est. Ergo totum hoc et spirare et uiuere eius est cuius et uiuere, id est animae. [8] Denique si separas spiritum natura, separa et opera: agant in discreto aliquid ambo, seorsum anima, seorsum spiritus; anima sine spiritu uiuat, spiritus sine anima spiret; alterum relinquat corpora, alterum remaneat, mors et uita conueniant. Si enim duo sunt anima et spiritus, diuidi possunt, ut diuisione eorum alterius discedentis, alterius inmanentis, mortis et uitae concursus eueniat. Sed nullo modo eueniet; ergo duo non erunt, quae diuidi non possunt, quae diuidi possent, si fuissent. [9] 'Sed licet et duo esse concreta'. Sed non erunt concreta, si aliud est uiuere, aliud spirare: distinguunt substantias opera. Et quanto nunc firmius est, ut unum credas, cum distantiam non das, ut ipsa sit anima spiritus, dum ipsius est spirare cuius et uiuere? Quid enim, si diem aliud haberi uelis, aliud lucem, quae accedat diei, cum dies ipsa lux sit? Plane erunt et alia genera lucis, ut ex ignium ministerio. Erunt enim et aliae spiritus species, ut ex deo, ut ex diabolo. Ita cum de anima et spiritu agitur, ipsa erit anima spiritus, sicut ipsa dies lux. Ipsum est enim quid, per quod est quid.
Übersetzung
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Über die Seele. (BKV)
10. Cap. Nach den Lehren der Offenbarung ist die Seele eine einheitliche Substanz und das Prinzip des physischen Lebens. Seele und Lebensodem sind nicht zwei verschiedene Substanzen.
Es gehört zum Wesen des Glaubens, die Seele mit Plato zu bestimmen als einfach, d. h. als eingestaltig wenigstens hinsichtlich der S. 301 Substanz.1 Mögen die Künste und Wissenschaften, mögen auch die Bilder dazu sagen, was sie wollen!
Einige Leute wollen nämlich, dass sich in ihr noch als eine andere geistige Substanz der Odem befinde, in dem Sinne, dass es etwas anderes sei zu leben, was von der Seele herkomme, und wieder etwas anderes zu atmen, was durch den Odem geschehe. Denn nicht alle lebenden Wesen besitzen beides. Sehr viele nämlich leben bloss, atmen aber nicht, deswegen, weil sie keine Atmungsorgane, keine Lungen und Luftröhren besitzen. Wozu aber sollte es dienen, bei der Untersuchung über die menschliche Seele sich bei kleinlichen, von der Mücke und Ameise hergenommenen Spitzfindigkeiten aufzuhalten, da ja doch der göttliche Schöpfungskünstler allen Tieren Lebensorgane gegeben hat, entsprechend der Beschaffenheit jeglicher Gattung, so dass man daraus keine Schlüsse ziehen kann. Denn der Mensch, wenn er mit Lungen und Luftröhren ausgerüstet ist, wird darum nicht mit etwas anderem atmen und anders leben, noch wird hinsichtlich der Ameise, wenn sie dieser Organe entbehrt, in Abrede gestellt werden dürfen, dass sie atme und bloss lebe. Wem aber ist so viel Einblick in die Werke Gottes gestattet, dass er bei irgend einem davon auf diesen Mangel schliessen könnte? Ob Herophilus, der bekannte Arzt oder auch Fleischhacker, der sechshundert Personen seziert hat, um die Natur zu erforschen, der den Menschen mit Hass verfolgte, um ihn kennen zu lernen, ob er alle seine inneren Teile bis zur Evidenz erkannt hat, ich weiss es nicht; denn der Tod verändert ja das, was Leben gehabt hat, zumal ein nicht gewöhnlicher Tod, und er selbst irrte sich wohl auch zwischen den Handgriffen des Sezierens.2
Die Philosophen haben als ausgemacht behauptet, dass die Mücken, Ameisen und Motten keine Lungen haben. — Sage mir, sorgsamer Forscher, haben sie Augen zum Sehen? Sie laufen aber doch nach jeder Richtung, wohin sie wollen; sie vermeiden und erstreben, was sie durch das Gesicht erkannt haben. Zeige mir nun die Augen, lege mir die S. 302 Pupillen vor! Die Motten nagen ja auch; zeige mir ihre Kinnladen, weise mir ihre Backen! Die Mücken geben doch Laute von sich und sind nicht einmal im Dunkeln blind; denn sie wissen die Ohren zu finden. Wo ist nun ihre Sprachröhre und ihr Mundstück? Jegliches Tier, und wenn es auch nur so gross wie ein Pünktchen wäre, muss von irgend etwas leben. Zeige mir seine Organe zum Unterschlucken, Verdauen und zur Scheidung der Speisen!
Was werden wir also sagen? Wenn diese Organe zum Leben gehören, so werden sie sich natürlich auch bei allem, was lebt, vorfinden, wenn sie auch nicht sichtbar, nicht bemerkbar sind wegen ihrer Kleinheit. Man wird dies um so glaublicher finden, wenn man sich erinnert, dass Gott ein grosser Künstler ist im kleinen sowohl als im allergrössten. Wenn man dagegen glaubt, dass so kleine Körperchen dem Erfindungsgeiste Gottes keinen Raum böten, so müsste man seine Grösse darin erkennen, dass er die kleinen Tierchen doch mit Leben ausgerüstet hat, ohne die erforderlichen Glieder dazu, dass sie Sehkraft besitzen ohne Augen, fressen ohne Zähne, verdauen ohne Bauchhöhlen, so gut, wie manche andere sich auch ohne Füsse fortbewegen in wellenförmiger Bewegung, wie die Schlangen, sich im Ansprung emporheben, wie die Würmer, oder im Kriechen Schaum absondern, wie die Schnecken.
Warum wolltest du also nicht auch glauben, dass sie atmen ohne die Blasbälge der Lunge und ohne eine Luftröhre? sondern vermeinst, einen gewaltigen Griff in dem Argumente gethan haben, dass du sagst, der menschlichen Seele sei auch der Odem beigegeben, weil es Geschöpfe gebe, die des Atmens entbehren, und deswegen des Atmens entbehren, weil sie nicht mit Atmungswerkzeugen ausgerüstet seien. Du nimmst an, dass etwas ohne zu atmen leben könne; dass es aber ohne Lunge atmen könne, willst du nicht glauben?! Was ist denn, ich bitte dich, das Atmen? Einen Hauch aus sich ausstossen, denke ich. Was heisst nicht leben? Keinen Hauch mehr aus sich ausstossen, denke ich. So würde ich antworten müssen, wenn atmen und leben nicht ein und dasselbe wäre. — Der Tote wird keinen Hauch mehr aus sich ausstossen, der Lebende wird also einen solchen ausgehen lassen. — Ja, aber auch der Atmende wird einen Hauch ausstossen, folglich wird der Lebende auch atmen. Wenn beides ohne die Seele vor sich gehen könnte, so würde der Seele nicht das Atmen, sondern bloss das Leben zuzuschreiben sein. Aber leben ist atmen und atmen ist leben. Also ist das Leben und Atmen zusammen miteinander Sache dessen, dem das Leben eignet, d. h. der Seele.
Will man Seele und Odem auseinanderhalten, so halte man auch deren Thätigkeiten auseinander. Beide sollten doch einmal etwas in unterschiedlicher Weise thun, die Seele für sich und der Odem für sich! Die Seele sollte doch einmal ohne den Odem leben und der Odem ohne S. 303 die Seele atmen. Das eine sollte doch einmal den Körper verlassen und das andere darin bleiben; Tod und Leben sich zusammenthun! Denn wenn Seele und Odem zwei Wesen sind, so können sie auch getrennt werden, und kann durch ihre Trennung, indem das eine geht, das andere bleibt, sich ein Zusammentreffen von Tod und Leben ereignen. Aber das wird niemals vorkommen. Folglich sind sie nicht zwei Wesen, da sie nicht getrennt werden können. Sie würden aber getrennt werden können, wenn sie zwei wären.
Aber es können doch zwei Dinge zusammengewachsen sein. — Gut, sie würden aber nicht zusammengewachsen sein, wenn leben etwas anderes wäre als atmen. Ihre bezüglichen Thätigkeiten setzen den Unterschied zwischen den Substanzen.
Um wie viel sicherer ist nun die Wahrheit gestellt, dass beide nur ein Wesen sind, da du keine Scheidung zulässest, indem Seele und Atmungsseele dasselbe sind, und das, was atmet und lebt, eines und dasselbe ist! Wie wäre es, wenn man den Tag für etwas anderes ausgeben wollte, als das Licht, indem dieses zum Tage noch hinzutrete, da doch der Tag selbst das Licht ist? Es mag allerdings auch andere Arten von Licht geben, wie zum Beispiel das mit Hilfe des Feuers erzielte Licht. Es mag auch andere Arten von Atmungsseelen geben, wie z. B. die aus Gott oder die aus dem Teufel stammenden. Daher wird, wenn von der Seele und dem Lebensodem gehandelt wird, Seele und Atmungsseele dasselbe sein, so gut wie Tag und Tageslicht. Denn ein Ding ist etwas durch das, wodurch es zu etwas wird.
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Tertullian kommt im folgenden auf die Einheit der Seele im Menschen und die Frage, ob die Seele auch physisches Lebensprinzip sei, oder ob es das gebe, was Neuere die Tierseele, Blutseele, Lebensseele genannt haben. Die ganze Erörterung operiert mit den Ausdrücken anima und spiritus. Da bei letzterem Ausdruck Gewicht auf die Etymologie gelegt ist, so kommt man etwas in Verlegenheit mit der Übersetzung. Ich habe mir damit zu helfen gesucht, dass ich für spiritus durchgehends Odem oder Lebensodem brauche, für anima Seele und animus Geist. Für die höhere Seele behält Tertullian anima bei, für die niedere aber spiritus, weil ihr das spirare, das Atmen, beigelegt wird. Unten c. 11 spricht er dann auch noch über den animus, νοῦς [nous], wofür es im Deutschen an einem genügenden Ausdruck fehlt. ↩
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Diese Stelle wird verschieden aufgefasst und interpungiert. Ich halte für das einfachste für sed ipsa zu lesen sed et ipso und es auf Herophilus zu beziehen. ↩