Edition
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De Anima
I.
[1] De solo censu animae congressus Hermogeni, quatenus et istum ex materiae potius suggestu quam ex dei flatu constitisse praesumpsit, nunc ad reliquas conuersus quaestiones plurimum uidebor cum philosophis dimicaturus. [2] Etiam in carcere Socratis de animae statu uelitatum est, nescio iam hoc primum, an oportuno in tempore magistri, etsi nihil de loco interest. Quid enim liquido saperet anima tunc Socratis, iam sacro nauigio regresso, iam cicutis damnationis exhaustis, iam morte praesente utique consternata ad aliquem motum secundum naturam, aut exsternata, si non secundum naturam? Quamuis enim placida atque tranquilla, quam nec coniugis fletus statim uiduae nec liberorum conspectus exinde pupillorum lege pietatis inflexerat, uel in hoc tamen mota, ne moueretur, ipsa constantia concussa est aduersus inconstantiae concussionem. Quid autem aliud saperet uir quilibet iniuria damnatus praeter iniuriae solamen, nedum philosophus, gloriae animal, cui nec consolanda est iniuria, sed potius insultanda? [3] Denique post sententiam obuiae coniugi et muliebriter inclamanti: 'iniuste damnatus es, Socrates!' iam et de gratulatione responderat: 'uolebas autem iuste?' Quo nihil mirandum, si et in carcere inuiscatas Anyti et Meliti palmas gestiens infringere ipsa morte coram immortalitatem uindicat animae necessaria praesumptione ad iniuriae frustrationem. [4] Adeo omnis illa tunc sapientia Socratis de industria uenerat consultae aequanimitatis, non de fiducia compertae ueritatis. Cui enim ueritas comperta sine deo? Cui deus cognitus sine Christo? Cui Christus exploratus sine spiritu sancto? Cui spiritus sanctus accommodatus sine fidei sacramento? Sane Socrates facilius diuerso spiritu agebatur, siquidem aiunt daemonium illi a puero adhaesisse, pessimum reuera paedagogum, etsi post deos et cum deis daemonia deputantur penes poetas et philosophos. [5] Nondum enim Christianae potestatis documenta processerant, quae uim istam perniciosissimam nec unquam bonam, atquin omnis erroris artificem, omnis ueritatis auocatricem sola traducit. Quodsi idcirco sapientissimus Socrates secundum Pythii quoque daemonis suffragium scilicet negotium nauantis socio suo, quanto dignior atque constantior Christianae sapientiae adsertio, cuius adflatui tota uis daemonum cedit? [6] Haec sapientia de schola caeli deos quidem saeculi negare liberior, quae nullum Aesculapio gallinaceum reddi iubens praeuaricetur, nec noua inferens daemonia, sed uetera depellens, nec adulescentiam uitians, sed omni bono pudoris informans, ideoque non unius urbis, sed uniuersi orbis iniquam sententiam sustinens pro nomine ueritatis tanto scilicet et perosioris quanto plenioris, ut et mortem non de poculo per habitum iocunditatis absorbeat, sed de patibulo et uiuicomburio per omne ingenium crudelitatis exhauriat, interea in isto tenebrosiore carcere saeculi inter suos Cebetas et suos Phaedonas, si quid de anima examinandum est, ad dei regulas diriget, certa nullum alium potiorem animae demonstratorem quam auctorem. A deo discat quod a deo habeat, aut nec ab alio, si nec a deo. Quis enim reuelabit quod deus texit? Vnde sciscitandum est? Vnde et ignorare tutissimum est. Praestat per deum nescire, quia non reuelauerit, quam per hominem scire, quia ipse praesumpserit.
Übersetzung
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Über die Seele. (BKV)
1. Cap. Die Philosophen haben vielfach Untersuchungen über das Wesen der Seele angestellt. Doch sind auch auf diesem Gebiete ohne die Offenbarung keine rechten Resultate zu erzielen.
S. 287 Nachdem ich früher gegen Hermogenes bloss in betreff der Frage nach dem Ursprunge der Seele in die Schranken getreten bin, insoweit derselbe ihn lieber aus Einflüssen der Materie als aus dem Hauche Gottes ableitet, werde ich mich jetzt zu den übrigen Fragen wenden und dabei wohl meistens mit Philosophen zu kämpfen haben.
Sogar im Kerker des Sokrates wurde noch über den Zustand der Seele gestritten. Obschon auf den Ort nichts ankommt, so ist mir doch S. 288 erstens nicht klar, ob, was die Person des Lehrmeisters angeht, die Zeit eine gelegene war. Denn was sollte wohl die Seele des Sokrates in jenem Augenblick noch mit Evidenz erkennen, nachdem das heilige Schifflein schon vom Lande abgestossen, der Schierlingsbecher, wozu er verurteilt, bereits getrunken und sie, wenn es nach der Ordnung der Natur ging, durch die Nähe des Todes in jedem Falle zu einer gewissen Erregung aufgeschreckt war? Wofern es aber nicht nach dem Laufe der Natur ging, war sie ausser sich. Wie heiter und ruhig sie sich auch befand, wie wenig sie auch durch das Weinen der Gattin, die bald eine Witwe, oder durch den Anblick der Kinder, die nun Waisen werden sollten, unter das Gesetz der Verwandtenliebe sich beugen liess, so war sie doch beunruhigt durch das Streben, nicht unruhig werden zu wollen. Ihre Standhaftigkeit war erschüttert durch das Ankämpfen gegen den Mangel an Standhaftigkeit.
Wofür aber wird ein mit Unrecht Verurteilter sonst noch Sinn haben als nur für Tröstungen über das Unrecht? Und nun gar erst der Philosoph, der geborne Sklave der Ruhmbegier, der nicht sowohl die Aufgabe hat, über Unrecht zu trösten, als vielmehr es sogar verachten soll! So hatte Sokrates gleich nach der Verurteilung seiner Gattin, die ihm begegnete und nach Weiberart schrie: „Sokrates, deine Verurteilung ist eine ungerechte!” auf diese Gratulation geantwortet: „Wünschest du denn etwa, dass sie eine gerechte wäre?” Darum ist es nicht zu verwundern, wenn er im Bestreben, die fragwürdigen Lorbern des Anytus und Melitus zu nichte zu machen, im Kerker und angesichts des Todes selbst die Unsterblichkeit der Seele aufrecht erhält, um der Ungerechtigkeit ihren Erfolg zu rauben.
Deshalb stammte die ganze damalige Weisheit des Sokrates aus dem Streben eines absichtlich angenommenen Gleichmuts, nicht aus der zuversichtlichen Überzeugung von der Wahrheit. Denn wer kann zur Überzeugung von der Wahrheit gelangen ohne die Hilfe Gottes? Wer Gott erkennen ohne Christus? Wer hat Christus gefunden ohne den heiligen Geist? Wem ist der heilige Geist zu teil geworden ohne das Sakrament des Glaubens? In Wirklichkeit wurde Sokrates eher von einem weit verschiedenen Geiste bewegt. Denn man sagt ja, dass von seiner Kindheit an beständig ein Dämonium um ihn gewesen sei. Wahrhaftig, ein schlechter Erzieher! wenn die Dämonen bei den Dichtern und Philosophen auch als Wesen gelten, die gleich nach den Göttern kommen und sich in der Gesellschaft der Götter befinden. Noch waren nämlich die Belege der Macht des Christentums nicht erschienen, welches allein imstande ist, jene so verderblichen Mächte zu beschämen, die niemals gut sind, sondern jeglichen Irrtum erzeugen und alle Wahrheit fernhalten.
Wenn nun Sokrates nach dem Urteile des Pythischen Dämons, der freilich nur seinem Bundesgenossen beistand, schon aus der angegebenen S. 289 Ursache der allerweiseste war, um wie viel mehr Würde und Bestand haben nicht die Aussagen der christlichen Weisheit, bei deren Anhauch die ganze Macht der Dämonen zurückweicht! Sie ist die Weisheit aus der Schule des Himmels, die sich allerdings die Freiheit nimmt, die heidnischen Götter zu leugnen, und sich nicht durch den Befehl, dem Äskulap ein Hahnopfer zu bringen, zweideutig erweist, keine neuen Dämonen einführt, sondern die alten beseitigt, auch die Jugend nicht verführt, sondern sie zur Tugend der Schamhaftigkeit anleitet. Darum, als die Wahrheit, hat sie ungerechte Verurteilung auch nicht bloss von seiten einer Stadt, sondern des ganzen Erdkreises zu tragen, und wird um so viel mehr gehasst, als sie vollkommener ist. Sie hat den Tod nicht in festlichem Anzuge aus einem Becher zu schlürfen, sondern am Kreuze oder auf dem Scheiterhaufen ihn nebst allen Erfindungen der Grausamkeit durchzukosten und stellt in dem viel finstereren Kerker dieser Welt mittlerweile ihre etwaigen Untersuchungen über die Seele mit ihren Gebeten und Phädonen1 nach den Anweisungen Gottes an.
Du bist sicherlich nicht imstande, einen besseren Nachweiser der Seele anzugeben2 als den Urheber derselben. Durch Gott magst du kennen lernen, was du von Gott erhalten hast, oder wenn nicht von Gott, dann auch von keinem andern. Denn wer vermöchte zu enthüllen, was Gott zugedeckt hat? Man muss seine Belehrung da suchen, wo man selbst beim Nichtwissen ganz sicher geht. Es ist besser, etwas nicht wissen um Gottes willen, weil er es nicht geoffenbart hat, als es durch einen Menschen erfahren, weil dieser selbst es gemutmasst hat.