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De Anima
XXV. ANIMAM ET CARNEM SIMVL CONCIPI.
[1] Iam nunc regrediar ad causam huius excessus, uti reddam, quomodo animae ex una redundent, quando et ubi et qua ratione sumantur; de qua specie nihil refert, a philosopho an ab haeretico an a uulgo quaestio occurrat. [2] Nulla interest professoribus ueritatis de aduersariis eius, maxime tam audacibus quam sunt primo isti, qui praesumunt non in utero concipi animam nec cum carnis figulatione compingi atque produci, sed et effuso iam partu nondum uiuo infanti extrinsecus inprimi; ceterum semen ex concubitu muliebribus locis sequestratum motuque naturali uegetatum compinguescere in solam substantiam carnis; eam editam et de uteri fornace fumantem et calore solutam, ut ferrum ignitum et ibidem frigidae immersum, ita aeris rigore percussam et uim animalem rapere et uocalem sonum reddere. Hoc Stoici cum Aenesidemo et ipse interdum Plato, cum dicit perinde animam extraneam alias et extorrem uteri prima adspiratione nascentis infantis adduci, sicut exspiratione nouissima educi. Videbimus an ex sententia finxerit. Ne ex medicis quidem defuit Hicesius, et naturae et artis suae praeuaricator. [3] Puduit, opinor, illos id statuere quod feminae agnoscerent. Et quanto ruboratior exitus a feminis reuinci quam probari! In ista namque specie nemo tam idoneus magister arbiter testis quam sexus ipsius. Respondete, matres, uos quae praegnantes, uos quae puerperae, steriles et masculi taceant, uestrae naturae ueritas quaeritur, uestrae passionis fides conuenitur, an aliquam in fetu sentiatis uiuacitatem alienam de uestro, de quo palpitent ilia, micent latera, tota uentris ambitio pulsetur, ubique ponderis regio mutetur; an hi motus gaudia uestra sint et certa securitas, quod ita infantem et uiuere confidatis et ludere; an si desierit inquies eius, illi prius pertimescatis; an et audiat iam in uobis, cum ad nouum sonum excutitur; an et ciborum uanitates illi desideretis, illi etiam fastidiatis; an et ualetudinibus inuicem communicetis, ille quidem usque et contusionibus uestris, quibus et ipse intus per eadem membra signatur, rapiens sibi iniurias matris. [4] Si liuor ac rubor sanguinis passio est, sine anima non erit sanguis; si ualetudo omnis accessio est, sine anima non erit ualetudo; si alimonia inedia crementa decrementa pauor motus tractatio est animae, his qui fungitur uiuet. Denique desinit uiuere qui desinit fungi. Denique et mortui eduntur; quomodo, nisi et uiui? Qui autem et mortui, nisi qui prius uiui? Atquin et in ipso adhuc utero infans trucidatur necessaria crudelitate, cum in exitu obliquatus denegat partum, matricida, ni moriturus. [5] Itaque est inter arma medicorum et cum organo, ex quo prius patescere secreta coguntur tortili temperamento, cum anulocultro, quo intus membra caeduntur anxio arbitrio, cum hebete unco, quo totum facinus extrahitur uiolento puerperio. Est etiam aeneum spiculum, quo iugulatio ipsa dirigitur caeco latrocinio; ἐμβρυοσφάκτην appellant de infanticidii officio, utique uiuentis infantis peremptorium. Hoc et Hippocrates habuit et Asclepiades et Erasistratus et maiorum quoque prosector Herophilus et mitior ipse Soranus, certi animal esse conceptum atque ita miserti infelicissimae huiusmodi infantiae, ut prius occidatur, ne uiua lanietur. [6] De qua sceleris necessitate nec dubitabat, credo, Hicesius, iam natis animam superducens ex aeris frigidi pulsu, quia et ipsum uocabulum animae penes Graecos de refrigeratione respondens. Num ergo barbarae Romanaeque gentes aliter animantur, quia animam aliud quid quam ψυχήν cognominauerunt? Quantae uero nationes sub feruentissimo axe censentur colorem quoque excoctae? Vnde illis animam, quibus aeris rigor nullus? Taceo cubiculares aestus et omnem illic caloris paraturam enitentibus necessariam, quas afflari uel maxime periculum est. In ipsis paene balneis fetus elabitur, et statim uagitus auditur. [7] Ceterum si aeris rigor thesaurus est animae, extra Germanias et Scythias et Alpes et Argaeos nemo debuit nasci. Atquin et populi frequentiores apud orientalem et meridialem temperaturam et ingenia expeditiora, omnibus Sarmatis etiam mente torpentibus. Et animi enim de rigoribus scitiores prouenirent, si animae de frigusculis euenirent; cum substantia enim et uis. [8] His ita praestructis possumus illos quoque recogitare qui exsecto matris utero uiui aerem hauserunt, Liberi aliqui et Scipiones. Quodsi qui, ut Plato, perinde non putat duas animas in unum conuenire, sicut nec corpora, ego illi non modo duas animas in unum congestas ostendissem, sicut et corpora, in fetibus, uerum et alia multa cum anima conserta, daemonis scilicet
Übersetzung
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Über die Seele. (BKV)
25. Cap. Die Seele tritt nicht erst bei der Geburt des Menschen zu seinem Leibe hinzu, sondern die Erfahrung des gewöhnlichen Lebens sowie die Arzneiwissenschaft beweisen, dass schon die Frucht im Mutterleibe empfindet, also auch lebt und daher ihre Seele hat.
Ich kehre nun zur Veranlassung dieser Abschweifung zurück, um anzugeben, wie die Seelen aus der einzigen ausströmen, wann, wo und auf welche Weise sie entnommen werden. In betreff dieses Gegenstandes liegt nichts daran, ob die Frage von einem Philosophen, einem Häretiker oder dem grossen Haufen aufgeworfen wird. Es liegt den Bekennern der Wahrheit nichts an ihren Gegnern, zumal an so frechen Gegnern, wie zuerst die sind, welche annehmen, die Seele werde nicht im Mutterschoosse empfangen und nicht mit der Bildung des Leibes gefestigt und hervorgebracht, sondern erst nach erfolgter Geburt dem noch leblosen Kinde von aussen eingedrückt. Es werde nämlich der Same durch den Beischlaf in die weiblichen Organe aufgenommen, durch die natürliche Bewegung angemuntert und verdichte sich zur festen1 Fleischessubstanz. Diese werde S. 327 geboren, von der Wärme des Mutterleibes noch dampfend; von seiner Glut befreit, werde sie wie ein glühendes Eisen, das schnell in kaltes Wasser getaucht wird, von der Kälte getroffen, nehme dadurch die seelische Kraft an und gebe Laute von sich. Das behaupten in Gemeinschaft mit Änesidemus die Stoiker und zuweilen Plato selbst, wenn er die sonsthin abwesende und ausserhalb des Mutterschoosses weilende Seele durch das erste Einatmen des geborenen Kindes herbeigeholt sowie sie durch das letzte Ausatmen ausgestossen werden lässt. Wir wollen zusehen, ob er das als seine Ansicht hingestellt hat.2 Von den Ärzten fehlt nicht einmal Hikesius, der immer die Grenzen der Natur und seiner Kunst überschreitet.
Vermutlich war es Scham, was sie hinderte, etwas gutzuheissen, was Meinung der Weiber ist. Von den Weibern schliesslich widerlegt zu werden, ist aber viel schimpflicher, als von ihnen eine Bestätigung zu empfangen! Denn in diesem Punkte gibt es keine geeigneteren Lehrer, Richter und Zeugen als das weibliche Geschlecht. Gebt also Antwort, ihr Mütter, Schwangern und Gebärenden, die Unfruchtbaren aber und die Männer sollen schweigen! Man wünscht zu erfahren, wie sich eure Natur in Wirklichkeit verhalte, man forscht nach zuverlässigen Wahrnehmungen bei euch, ob ihr in eurer Leibesfrucht irgend eine der eurigen fremde, lebhafte Bewegung verspürt, infolge deren es in der Hüftgegend gribbelt, die Weichen erzittern, die ganze Bauchwandung Stösse fühlt und die Stelle der Last sich fortwährend ändert? Gewähren euch diese Bewegungen die sichere Gewissheit und vollkommene Sicherheit, weil ihr alsdann glaubet, das Kind lebe und spiele? Geratet ihr in Furcht, wenn die Unruhe der Frucht aufhört? Besitzt sie in euch bereits Gehör, denn sie schrickt bei ungewohntem Schall zusammen? Verspürt ihr verkehrte Gelüste nach Speisen für die Leibesfrucht? Empfindet ihr für sie Ekel? Teilt ihr euch die Krankheiten gegenseitig einander mit und zwar bis zu dem Grade, dass sie von den Verletzungen, die ihr bekommt, drinnen an denselben Gliedern gezeichnet wird, indem sie den Schaden, der der Mutter geschieht, sich annimmt. Rühren Blässe oder Röte vom Blute her, das Blut wird nicht ohne Leben sein. Ist Gesundheit ein Zuwachs des Lebens, keine Gesundheit wird es ohne Leben geben; wenn Nahrung Appetitlosigkeit, Wachstum, Abnahme, Furcht und Bewegung Lebensthätigkeiten sind, so wird der Leben haben, welcher diese Funktionen ausübt. Wer aufhört, sie zu üben, der hört auf zu leben.
Endlich werden auch Tote geboren. Wie wäre das möglich, wenn nicht auch Lebende geboren würden. Wer ist denn aber tot? Nur wer vorher gelebt hat. Nun aber wird das Kind sogar im Mutterleibe getötet, eine Grausamkeit, die notwendig ist, wenn es beim Heraustreten sich S. 328 querlegend die Geburt hindert. Es würde zum Muttermörder, wenn es nicht stürbe. Daher befindet sich unter den Geräten der Ärzte auch ein Instrument, womit zunächst die geheimen Teile gewaltsam geöffnet werden mit massig drehender Bewegung, ferner das sichelförmige Messer, womit die Glieder im Innern abgeschnitten werden unter banger Erwartung, endlich der stumpfe Haken, womit die böse Materie herausgezogen wird, in gewaltsamer Entbindung. Man hat auch eine Lanzette von Bronze, womit die Tötung selbst vorgenommen wird, ein unsichtbarer Raubmord. Sie führt den Namen Embryotöter3 von ihrer Bestimmung, das Kind zu töten; es ist also denn doch ein lebendes Kind, welches umgebracht wird. Ihrer bedienten sich schon Hippokrates, Asklepiades, Erasistratus, Herophilus, der auch Erwachsene sezierte, und sogar der menschlichere Soranus, in der gewissen Überzeugung, dass ein lebendes Wesen empfangen sei. Sie übten an diesen so unglücklichen Kindern in der Weise Erbarmen, dass sie sie vor der Geburt töteten, damit sie nicht lebend in Fetzen gerissen würden.
Dass dieses Verbrechen geboten sei, daran zweifelte auch Nikesius nicht, der die Seele über die bereits Gebornen kommen lässt infolge des Zutritts der kalten Luft; bei den Griechen entspricht dem auch die vom Erfrischen hergenommene Bezeichnung der Seele.4 Die Beseelung der Barbarenvölker geschieht darum wohl auf andere Weise als die der romanischen, weil sie der Seele irgendwelchen andern Namen gegeben haben als Psyche?! Wie viele Nationen werden aber in einem sehr heissen Klima geboren und sind auch in Hinsicht auf die Farbe wie verbrannt! Woher kriegen diese nun ihre Seele, da es bei ihnen keine kühle Luft gibt? Von der Zimmerhitze in den Gemächern der Kindbetterinnen und der ganzen Wärmevorrichtung, welche ihnen so notwendig ist, da es schon gefährlich ist, sie bloss anzublasen, schweige ich lieber. Fast in einem Schwitzbade kommt der Säugling zur Welt und auf der Stelle hört man ihn plärren.
Wenn dagegen die Kühle der Luft den Seelen das Dasein gibt, so würde ausserhalb Deutschlands, Russlands, der Alpenländer und Argos eigentlich niemand geboren werden dürfen. Nun sind aber die Einwohner zahlreicher gerade unter den orientalischen und mittäglichen Klimaten, und auch die Talente schneller, indem sämtliche Sarmaten geistig stumpf sind. Und doch müssten, wenn die Seelen aus den kalten Stoffen entsprängen, aus der dortigen Kälte begabtere Geister hervorgehen. Denn dem Stoffe entspricht die Kraft.
Dies vorausgeschickt, dürfen wir auch jener Personen gedenken, welche, aus dem Mutterleibe herausgeschnitten, doch lebten und atmeten, wie Liber und Scipio.
S. 329 Wenn jemand mit Plato der Ansicht ist, zwei Seelen könnten ebensowenig zusammen sein als zwei Körper, so wollte ich ihm nicht etwa bloss zwei Seelen zeigen, die vereinigt sind, so gut wie im Mutterleibe zwei Körper, sondern noch vieles andere, was schon mit der Seele in Verbindung getreten ist, nämlich Geister von Dämonen und nicht bloss von einem einzigen wie bei Sokrates, sondern sogar von einem siebenfältigen wie bei Magdalena, und einem, dessen Zahl Legion war, wie bei dem Gerasener. Dann wird man um so lieber glauben, dass eine Seele mit einer andern Seele zusammengesellt sein könne wegen der Gleichheit der Substanz, da sie mit einem bösen Geiste zusammengesellt war trotz der Verschiedenheit der Natur.
Plato gibt aber selber im sechsten Buch von den Gesetzen die Ermahnung, darauf zu sehen, dass nicht durch ein Fehlgehen des Samens infolge fehlerhaften Beischlafes ein Mangel für Körper und Geist entstehe.5 Da weiss ich denn doch nicht, ob er sich mehr von seiner früheren oder von seiner letztern Meinung entfernt hat. Denn er gibt damit zu erkennen, die Seele werde mit dem Samen, auf den er Acht zu haben ermahnt, eingeführt und nicht mit dem ersten Atemholen des Neugeborenen. Wie in aller Welt kommt es, dass wir in Hinsicht der Geistesanlagen durch Ähnlichkeit der Seele nach dem Zeugnisse des Kleanthes unsern Eltern entsprechen, wenn wir nicht aus dem Seelensamen hervorgehen? Warum haben denn die alten Astrologen als die Geburtszeit des Menschen den Anfangspunkt seiner Empfängnis festgehalten, wenn die Seele nicht von da an existiert? Auf sie bezieht sich der Stand der Gestirne, wenn er überhaupt etwas ist,6 ebenso sehr.
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Solidam. Solam wäre nichtssagend. ↩
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Oder bloss als Meinung eines Zwischenredners beim Dialog. ↩
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Ἐμβρυοσφάκτης [embryosphaktēs]. Das sichelförmige Messer heisst bei Hippokrates μαχαίριον[machairion], der stumpfe Haken ἑλκυστήρ [elkystēr]. ↩
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Ψυχή [psychē], Seele, ψυχόω [psychoō], abkühlen. ↩
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Plato, Legg. VI, §. 18, p. 775. ↩
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Ich muss der Verbesserung des Rigaltius und Ursinus, status statt des sinnlosen flatus zu lesen, trotz der Gegenbemerkungen Oehlers hier den Vorzug geben. ↩