Edition
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Regulae pastoralis liber
Caput VIII.
Ne placere rector suo studio
hominibus appetat, sed tamen ad quod
placere debeat, intendat.
Inter haec quoque necesse est ut rector solerter invigilet, ne hunc cupido placendi hominibus pulset; ne cum studiose interiora penetrat, cum provide exteriora subministrat, se magis a subditis diligi quam veritatem quaerat; ne cum, bonis actibus fultus, a mundo videtur alienus, hunc auctori reddat extraneum amor suus. Hostis namque Redemptoris est, qui per recta opera quae facit, ejus vice ab Ecclesia amari concupiscit, quia adulterinae cogitationis reus est, si placere puer sponsae oculis appetit, per quem sponsus dona transmisit. Qui nimirum amor proprius cum rectoris mentem ceperit, aliquando hanc inordinate ad mollitiem, aliquando vero ad asperitatem rapit. Ex amore etenim suo mens rectoris in mollitiem vertitur; quia cum peccantes subditos respicit, ne erga hunc eorum dilectio torpeat, corripere non praesumit; nonnunquam vero errata subditorum quae increpare debuerat, adulationibus demulcet. Unde bene per prophetam dicitur: Vae his qui consuunt pulvillos sub omni cubito manus, et faciunt cervicalia sub capite universae aetatis ad capiendas animas (Ezech. XIII, 18). Pulvillos quippe sub omni cubito manus ponere, est cadentes a sua rectitudine animas, atque in hujus mundi se delectatione reclinantes, blanda adulatione refovere. Quasi enim pulvillo cubitus, vel cervicalibus caput jacentis excipitur, cum correptionis duritia peccanti subtrahitur, eique mollities favoris adhibetur, ut in errore molliter jaceat, quem nulla asperitas contradictionis pulsat. Sed haec rectores, qui semetipsos diligunt, his procul dubio exhibent, a quibus se noceri posse in studio gloriae temporalis timent. Nam quos nil contra se valere conspiciunt, hos nimirum asperitate rigidae semper invectionis premunt, nunquam clementer admonent, sed pastoralis mansuetudinis obliti, jure dominationis terrent. Quos recte per prophetam divina vox increpat, dicens: Vos autem cum austeritate imperabatis eis et cum potentia (Ezech. XXXIV, 4). Plus enim se suo auctore diligentes, jactanter erga subditos se erigunt, nec quid agere debeant, sed quid valeant attendunt; nil de subsequenti judicio metuunt, improbe de temporali potestate gloriantur; libet ut licenter et illicita faciant, et subditorum nemo contradicat. Qui ergo et prava studet agere, et tamen ad haec vult caeteros tacere, ipse sibimet testis est, quia plus veritate se appetit diligi, quam contra se non vult defendi. Nemo quippe est qui ita vivat, ut aliquatenus non delinquat. Ille ergo se ipso amplius veritatem desiderat amari, qui sibi a nullo vult contra veritatem parci. Hinc etenim Petrus increpationem Pauli libenter accepit (Galat. II, 11); hinc David correptionem subditi humiliter audivit (II Reg. XII, 7); quia rectores boni dum privato diligere amore se nesciunt, liberae puritatis verbum a subditis obsequium humilitatis credunt. Sed inter haec necesse est ut cura regiminis tanta moderaminis arte temperetur, quatenus subditorum mens cum quaedam recte sentire potuerit, sic in vocis libertatem prodeat, ut tamen libertas in superbiam non erumpat; ne dum fortasse immoderatius linguae eis libertas conceditur, vitae ab his humilitas amittatur. Sciendum quoque est quod oporteat ut rectores boni placere hominibus appetant, sed ut suae aestimationis dulcedine proximos in affectum veritatis trahant, non ut se amari desiderent, sed ut dilectionem suam quasi quamdam viam faciant, per quam corda audientium ad amorem Conditoris introducant. Difficile quippe est, ut quamlibet recta denuntians praedicator qui non diligitur, libenter audiatur. Debet ergo qui praeest, et studere se diligi, quatenus possit audiri, et tamen amorem suum pro semetipso non quaerere, ne inveniatur ei cui servire per officium cernitur, occulta cogitationis tyrannide resultare. Quod bene Paulus insinuat, cum sui nobis studii occulta manifestat, dicens: Sicut et ego per omnia omnibus placeo (I Cor. X, 33). Qui tamen rursus dicit: Si adhuc hominibus placerem, Christi servus non essem (Galat. I, 10). Placet ergo Paulus, et non placet, quia in eo quod placere appetit, non se, sed per se hominibus placere veritatem quaerit.
Traduction
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Buch der Pastoralregel (BKV)
VIII. Kapitel: Der Seelsorger soll nicht eigens darauf ausgehen, den Leuten zu gefallen, sondern den Grund im Auge behalten, weswegen er gefallen soll
Dabei muß der Seelsorger auch sorgfältig darüber wachen, daß ihn nicht die Sucht, den Menschen zu gefallen, beherrscht, daß er nicht bei der eifrigen Pflege des inneren Lebens und bei der Sorgfalt in der Verwaltung der äußeren Angelegenheiten mehr die Liebe seiner Untergebenen als die Wahrheit sucht; denn so würde ihn die Eigenliebe dem Schöpfer entfremden, während er nach außen reich an guten Werken und der Welt ganz entfremdet zu sein scheint. Denn der ist ein Feind des Erlösers, der um seiner guten Werke willen statt von ihm von der Gemeinde geliebt zu werden verlangt; macht sich doch auch der Diener, durch welchen der Bräutigam seine Geschenke überschickt, eines ehebrecherischen Gedankens schuldig, wenn er den Augen der Braut zu gefallen sucht. Wenn diese Eigenliebe einmal das Herz des Seelsorgers eingenommen hat, verleitet sie ihn bald zu ungeordneter Nachgiebigkeit, bald zu ungeordneter Strenge. Der Seelsorger verfällt aus Eigenliebe in Nachgiebigkeit, wenn er die Untergebenen sündigen sieht und sie nicht zu tadeln wagt, damit ihre Liebe zu ihm nicht erkalte; ja manchmal findet er noch schöne Worte und entschuldigt bei den Untergebenen die Fehler, gegen die er ernstlich auftreten müßte.
Darum heißt es mit Recht beim Propheten: „Wehe denen, die Pölsterchen machen unter alle Ellenbogen und Kissen unter das Haupt der Menschen jeden Alters, um Seelen zu fangen.“1 Pölsterchen unter jeden Ellen- S. 117 bogen legen, heißt diejenigen, die vom rechten Weg abweichen und sich den Vergnügungen dieser Welt in die Arme werfen, mit schmeichelnden und schönen Worten beruhigen. Denn wie der Ellenbogen auf dem Pölsterchen oder das Haupt auf den Kissen ruht, so wird dem Fehlenden der harte Tadel erspart und ihm dagegen weichliche Nachsicht zugewendet, damit er süß auf seinem Irrtum ruhen kann und ihn kein harter Widerspruch berührt.
Das aber tun Seelsorger, die voll von Eigenliebe sind, nur solchen gegenüber, von denen sie einen Nachteil in ihrem Streben nach irdischer Ehre zu befürchten hätten. Denn diejenigen, die ihnen nichts anhaben können, lassen sie allezeit mit harten und rauhen Worten an, gönnen ihnen niemals eine gütige Mahnung, sondern herrschen sie an in ihrem ganzen Machtgefühl und vergessen dabei vollständig alle seelsorgerliche Sanftmut. Sie tadelt Gottes Stimme mit Recht durch den Propheten: „Mit Strenge und Gewalt herrschet ihr über sie.“2 Sie lieben sich selbst mehr als ihren Schöpfer, erheben sich prahlerisch über die Untergebenen, schauen nicht auf ihre Pflicht, sondern auf ihre Macht und fürchten sich nicht vor dem kommenden Gericht, sondern pochen gottlos auf ihre zeitliche Macht; es freut sie, daß sie unbehindert auch etwas Unerlaubtes tun können, ohne daß ein Untergebener etwas dagegen sagen darf. Wer also etwas Unrechtes tun will und doch verlangt, daß die andern dazu schweigen und stille sind, der ist sich sein eigener Zeuge, daß er mehr als die Wahrheit geliebt sein will, welche er gegen sich nicht verteidigt haben will. Es ist nämlich unmöglich, ganz ohne Fehler zu leben. Der aber will die Wahrheit mehr als sich selbst geliebt sehen, der von niemanden Schonung seiner Person zu ungunsten der Wahrheit verlangt. Darum nahm auch Petrus den Tadel des Paulus bereitwilligst an3 und hörte David demütig auf die Zurechtweisung eines Untergebenen;4 S. 118 und so hält der gute Seelsorger, der keine Eigenliebe kennt, gerade ein Wort freimütiger Aufrichtigkeit von Seiten eines Untergebenen für ein Zeichen demütigen Gehorsams. Dabei muß aber die Seelsorge mit einer solchen Überlegung und Klugheit ausgeübt werden, daß der Untergebene, wenn er in einem Falle das Richtige herauszufühlen vermochte, sich frei aussprechen darf, ohne daß dabei die Freimütigkeit in Hochmut umschlägt; denn würde ihm etwa eine zu große Freiheit im Reden eingeräumt, ginge seinem Leben die Demut verloren.
Auch ist zu bemerken, daß guten Seelsorgern allerdings daran gelegen sein muß, den Menschen zu gefallen, aber nur, um durch den guten Klang ihres Namens die Mitmenschen zur Liebe der Wahrheit anzulocken, nicht aus Verlangen, selbst geliebt zu werden, sondern um die ihnen erwiesene Liebe gleichsam als Weg zu benützen, auf dem sie die Herzen der Gläubigen zur Liebe des Schöpfers führen können. Denn schwerlich wird man einen Prediger, obschon er die Wahrheit verkündet, gerne hören, wenn er nicht beliebt ist. Der Vorsteher muß also darnach trachten, daß man ihn liebe, um gern gehört zu werden, darf aber doch diese Liebe nicht für sich selbst suchen, damit er nicht in geheimen Gedanken gegen den sich auflehne, als dessen Diener er in seinem Amte erscheint. Dies gibt Paulus deutlich zu verstehen, wenn er uns sein geheimes Streben mit den Worten enthüllt: „Gleichwie auch ich allen in allem zu Gefallen bin.“5 Aber dessen ungeachtet sagt er auch: „Wenn ich noch den Menschen gefallen würde, so wäre ich Christi Diener nicht.“6 Paulus will also gefallen und will es nicht; denn wenn er zu gefallen sucht, so will er nicht selbst gefallen, sondern er will, daß seinetwegen die Wahrheit den Menschen gefalle.