XXX. Kapitel: Vom Tode Theodorichs, des arianischen Königs
Gregorius. Nachdem es dich so viel Mühe gekostet hat, zu glauben, denke ich, es sei die Erzählung eines Gesichtes von Nutzen, das mir von glaubwürdigen Männern berichtet wurde, Julian, zweiter Defensor der römischen Kirche, der ich nach Gottes Ratschluß diene, ist vor ungefähr sieben Jahren gestorben. Als ich noch im Kloster war, kam er häufig zu mir, um sich mit mir über das Heil seiner Seele zu besprechen. Eines Tages erzählte er mir dabei folgendes: „Zur Zeit des Königs Theodorich hatte der Vater meines Schwiegervaters die Jahressteuer in Sizilien eingehoben und befand sich bereits wieder auf der Heimreise nach Italien. Dabei wurde das Schiff an die Insel Liparis verschlagen. Und weil dort ein sehr tugendhafter Einsiedler wohnte, beschloß der Vater meines Schwiegervaters, während die Matrosen das Segelwerk des Schiffes ausbesserten, den Mann Gottes zu besuchen und sich seinem Gebete S. 226 anzuempfehlen. Als der Mann Gottes sie1 gesehen hatte, redete er sie freundlich an und sagte unter anderm zu ihnen: „Wißt ihr, daß der König Theodorich gestorben ist?” „Nein”, antworteten sie ihm, „wir haben ihn lebend verlassen, und bis jetzt ist uns nichts Derartiges über ihn mitgeteilt worden.” Der Mann Gottes aber sagte ihnen noch: „Ja, er ist gestorben; denn gestern um die neunte Stunde wurde er ohne Gürtel und Schuhe und mit gebundenen Händen zwischen Papst Johannes und dem Patrizier Symmachus hergeführt und in den nahen Krater des Vulcanus2 geworfen.” Als sie dies vernahmen, schrieben sie den Tag genau auf; als sie nach Italien zurückkehrten, erfuhren sie, daß der König Theodorich an demselben Tag starb, an dem sein Tod und seine Bestrafung dem Diener Gottes gezeigt worden war. Weil er nämlich den Papst Johannes3 im Kerker dahinschmachten ließ und den Patrizier Symmachus mit dem Schwerte hatte hinrichten lassen, erschien er gerechterweise von jenen ins Feuer geworfen, die er in diesem Leben ungerecht verurteilt hatte.
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d.i. ihn und seine Begleiter ↩
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Es ist gemeint der noch tätige feuerspeiende Berg Volcano auf der gleichnamigen Insel, 2 km von Lipari entfernt. In der griechischen Übersetzung des Zacharias heißt es: „Er wurde auf der benachbarten Insel des Vulkanus in das dort in der Tiefe sich befindliche Feuer geworfen.” ↩
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Papst Johann I. stand bei Theodorich im Verdacht des Hochverrates. Als der Papst im Frühjahr 526 von seiner Reise an den byzantinischen Hof nach Rom zurückkehrte, wurde er von Theodorich gefangen gesetzt und starb am 18. Mai. Der Senator Symmachus wurde Ende 524 oder Anfang 525 in Ravenna hingerichtet. ↩