XXXII. Kapitel: Von dem Tode eines Ratsherrn, dessen Leib im Grabe verbrannte
Der ehrwürdige Bischof Maximian1 von Syrakus, der lange in hiesiger Stadt Vorsteher meines Klosters war, erzählte mir oft von einem schrecklichen Vorgang, der sich in der Provinz Valeria2 abspielte. Er sprach: „Ein Ratsherr übernahm am heiligen Karsamstag bei der Taufe des Töchterleins eines Mannes die Patenstelle. Nach Beendigung des Fastens ging er nach Hause, trank viel Wein, bis er berauscht war, verlangte von dem Mädchen, daß es bei ihm bleiben solle und - man muß sich schämen, es zu sagen - verführte es in jener Nacht. Als der Verbrecher am Morgen aufstand, nahm er sich vor, in ein Bad zu gehen, wie wenn er im Bad mit dem Wasser die Sünde abwaschen könnte. Er ging also hin und nahm ein Bad, trug dann aber doch Bedenken, in die Kirche zu gehen. Allein, wenn er an einem so hohen Festtage nicht in die Kirche ging, mußte er sich vor den Leuten schämen; ging er aber hin, so mußte er sich vor Gottes Gericht fürchten. Es siegte die Menschenfurcht, und er ging in die Kirche. Aber zitternd und bebend stand er da, jeden Augenblick fürchtend, er könnte dem bösen Feind überliefert und vor allem Volke gequält werden. So sehr er sich fürchtete, so begegnete ihm doch bei dieser Meßfeier scheinbar kein Unglück. Froh ging er von dannen und betrat des andern Tages schon ganz beruhigt die Kirche. Und so S. 229 ging er sechs Tage nacheinander froh und sich sicher wähnend dahin, indem er dachte, der Herr habe seinen Frevel entweder nicht gesehen oder ihm Um in seiner Barmherzigkeit schon vergeben. Am siebenten Tage aber starb er eines plötzlichen Todes. Nachdem er begraben war, schlugen lange Zeit hindurch vor aller Augen Flammen aus seinem Grabe und zehrten solange an seinen Gebeinen, bis das ganze Grab verbrannt war und der Grabhügel einsank.” Das ließ der allmächtige Gott darum geschehen, um anzuzeigen, was die Seele des Mannes im Verborgenen leiden müsse, dessen Leib vor den Augen aller vom Feuer verzehrt wurde. Auch uns, die wir es hören, wollte er dadurch ein abschreckendes Beispiel geben, damit wir aus der Erwägung dieses Ereignisses den Schluß ziehen, was die lebende und fühlende Seele für ihre Schuld erdulde, wenn schon die gefühllosen Gebeine zur Strafe von solchem Feuer verzehrt werden.
Petrus. Ich möchte wissen, ob im Himmelreich ein Guter den andern und in der Pein ein Böser den andern erkennt.