LIX. Kapitel: Von der Zerknirschung des Herzens während des heiligen Geheimnisses und von der Sammlung des Geistes, die darauf folgen soll
Es ist aber notwendig, daß wir während dieser heiligen Handlung uns selbst Gott schlachten in Zerknirschung des Herzens; denn wenn wir das Geheimnis des Leidens des Herrn feiern, müssen wir nachahmen, was S. 271 wir begehen. Dann wird das heilige Opfer, das wir Gott darbringen, wirklich zum Opfer für uns, wenn wir uns selbst zu einem Opfer machen. Wir müssen uns ferner bestreben, auch nach den Gebetszeiten, soweit wir es mit Gottes Hilfe vermögen, die Seele in ihrem Ernst und in ihrer Kraft zu erhalten, damit nicht nachher flüchtige Gedanken sie zerstreuen oder eitle Freude ins Herz sich einschleiche und so die Seele durch sorglose und flüchtige Gedanken den Segen der Zerknirschung verliere. Denn auf diese Weise verdiente Anna zu erhalten, um was sie gebeten hatte, dadurch nämlich, daß sie nach ihren Tränen in derselben Seelenkraft verblieb. Von ihr steht nämlich geschrieben: „Und ihr Angesicht veränderte sich nicht mehr.”1 Da sie nicht vergaß, um was sie gebeten hatte, ging sie der Gabe, die sie heischte, nicht verlustig.
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1 Kön 1,18 ↩