Edition
ausblenden
De carne Christi
XII
[1] Ostensa sit nunc anima per carnem, si constiterit illam ostendendam quoquo modo fuisse, id est incognitam sibi et nobis: quanquam in hoc vana distinctio est, quasi nos seorsum ab anima simus, cum totum quod sumus anima sit. denique sine anima nihil sumus, ne hominis quidem sed cadaveris nomen. si ergo ignoramus animam, ipsa se ignorat. [2] ita superest hoc solummodo inspicere, an se anima sic ignorarit ut nota quoquo modo fieret. opinor sensualis est animae natura: adeo nihil animale sine sensu, nihil sensuale sine anima, et ut impressius dixerim animae anima sensus est. [3] igitur cum omnibus anima sentire praestet et ipsa sentiat omnium etiam sensus, nedum qualitates, cui verisimile est ut ipsa sensum sui ab initio sortita non sit? unde illi scire quod interdum sibi sit necessarium ex naturalium necessitate, si non scit suam qualitatem, cui quid necessarium est? hoc quidem in omni anima recognoscere est, notitiam sui dico, sine qua notitia sui nulla anima se ministrare potuisset. [4] puto autem magis hominem, animal solum rationale, compotem et animam esse sortitum quae illum faciat animal rationale, ipsa in primis rationalis. porro quomodo rationalis quae efficit hominem rationale animal, si ipsa rationem suam nescit ignorans semetipsam? sed adeo non ignorat, ut auctorem et arbitrum et statum suum norit. [5] nihil adhuc de deo discens deum nominat: nihil adhuc de iudicio eius admittens deo commendare se dicit: nihil magis audiens quam spem nullam esse post mortem et bene et male defuncto cuique imprecatur. plenius haec prosequitur libellus quem scripsimus DE TESTIMONIO ANIMAE. [6] alioquin si anima semetipsam ignorans erat ab initio, nihil a Christo cognovisse debuerat nisi qualis esset. nunc autem non effigiem suam didicit a Christo sed salutem. propterea filius dei descendit et animam subiit, non ut ipsa se anima cognosceret in Christo sed Christum in semetipsa: non enim se ignorando de salute periclitabatur sed dei verbum. [7] Vita inquit manifestata est, non anima: et Veni inquit animam salvam facere, non dixit ostendere. ignorabamus nimirum animam, licet invisibilem, nasci et mori, nisi corporaliter exhiberetur. ignoravimus plane resurrecturam cum carne. hoc erit quod Christus manifestavit: sed et hoc non aliter in se quam in Lazaro aliquo, cuius caro non erat animalis, ita nec anima carnalis. quid ergo amplius innotuit nobis de animae ignoratae retro dispositione? quid invisibile eius fuit quod visibilitatem per carnem desideraret?
Übersetzung
ausblenden
Über den Leib Christi. (BKV)
12. Cap. Jenes war überdies nicht einmal notwendig, da die Seele von Natur aus mit Empfindungen und Selbstbewusstsein begabt ist.
Gut, möge für jetzt die Seele als vermittelst des Fleisches geoffenbart gelten, wenn es nur feststeht, dass sie, die sich selbst und uns unbekannte Seele, auf irgend eine Weise geoffenbart werden musste. Doch auch in diesem Punkte ist die Unterscheidung eine grundlose und nimmt sich so aus, als wenn wir von der Seele getrennt existierten, da doch alles, was wir sind, die Seele ist. Mit Einem Worte, ohne die Seele sind wir nichts, nur Leichname, und verdienen nicht einmal den Namen Menschen. Wenn wir uns also in betreff der Seele in Unwissenheit befinden, so kennt sie sich selber nicht.
Somit ist nur noch die Frage zu untersuchen übrig, ob sich die Seele darum nicht gekannt habe, damit sie auf irgend eine Weise bekannt werde. Ich bin der Ansicht, die Seele ist ihrer Natur nach mit Wahrnehmungsvermögen begabt. Also es existiert nichts Seelisches ohne Wahrnehmungsvermögen und nichts mit Wahrnehmungsvermögen Begabtes ohne Seele. Und um es noch ausdrücklicher zu sagen, das Empfinden ist die Seele der Seele. Da also die Seele in Ansehung des Empfindens alle Dinge übertrifft, und da sie nicht bloss die Eigenschaften, sondern auch die Eindrücke aller Dinge wahrnimmt, wer möchte da wohl glauben, sie habe nicht von Anfang an Bewusstsein von sich selbst empfangen? Woher kommt ihr das Wissen, was ihr vermöge des naturnotwendigen Verlaufs der Dinge zuweilen unentbehrlich ist, wenn sie ihre eigene Beschaffenheit, und was dieser unentbehrlich ist, nicht kennt?
Diese Eigentümlichkeit, ich meine das Bewusstsein ihrer selbst, ohne welches sich eine Seele gar nicht zu leiten vermag, kann man bei einer jeden Seele wahrnehmen. In betreff des Menschen aber, des einzigen mit Vernunft begabten Wesens, glaube ich es noch mehr, dass er eine ihrer selbst mächtige Seele empfangen habe, die ihn zum vernünftigen Wesen S. 399 machen kann, indem sie vor allen Dingen selbst mit Vernunft begabt ist. Aber wie könnte sie, die den Menschen zum vernünftigen Wesen macht, mit Vernunft begabt sein, wenn sie selbst ihr eigenes Verhältnis nicht kennte und nichts von sich selbst wüsste?
Sie kennt sich aber so gut, dass sie sogar ihren Urheber, ihren Richter und ihre Lage kennt. Schon wenn sie noch nichts über Gott gelernt hat, spricht sie den Namen: Gott aus. Wenn sie noch sein Gericht nicht zugibt, so sagt sie schon, sie empfehle sich Gott. Wenn sie noch nichts weiter gehört hat, als dass nach dem Tode alles aus sei, wünscht sie doch schon jedem Verstorbenen, dass es ihm gut, beziehungsweise schlecht gehen möge. Vollständiger findet sich dieser Gedanke in einem von uns verfassten Schriftchen: Vom Zeugnis der Seele erörtert.
Wenn die Seele übrigens anfänglich sich selbst nicht kannte, dann hätte sie weiter nichts von Christus zu lernen gebraucht, als wer und wie sie sei. Nun aber hat sie nicht ihr Aussehen von Christus kennen gelernt, sondern ihr Heil. Deswegen ist der Sohn Gottes vom Himmel herabgestiegen und hat eine Seele angenommen, nicht etwa, damit die Seele in Christo sich selbst kennen lerne, sondern umgekehrt in sich selbst Christum. Denn nicht dann befindet sie sich in Heilsgefahr, wenn sie sich selbst nicht kennt, sondern dann, wenn sie Christum nicht kennt. „Das Leben“, heisst es, „ist uns geoffenbart worden“,1 nicht die Seele. Und „ich bin gekommen,“ hat er gesagt, „um die Seele zu erretten“,2 — nicht, um sie sehen zu lassen, sagte er. Natürlich, wir wussten ja nicht, dass die Seele, da sie unsichtbar ist, geboren werde und sterbe, wenn sie uns nicht fleischlich dargestellt wurde. Wir wussten allerdings nicht, dass sie mit dem Fleische auferstehen werde. Das wird es sein, was Christus uns geoffenbart hat. Aber auch das offenbarte er uns an seiner Person eben in keiner andern Weise wie an Lazarus, dessen Fleisch nicht seelisch und dessen Seele nicht fleischern war.
Was ist uns nun also über den Zustand der früher unbekannten Seele weiter noch bekannt geworden? Was gab es an ihr Unsichtbares, das einer Sichtbarmachung vermittelst des Fleisches bedurft hätte?