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Works Zeno of Verona (300-371) Sermones seu Tractatus Predigten und Ansprachen (BKV)
Buch 2

Traktat X. Von Abraham I.1

1. Geliebte Brüder! Welch ein Geschenk Abraham von der göttlichen Liebe empfangen, bezeugen die im Alten Testament erzählten Tatsachen. Welch einen Sohn seine Gattin Sara, die ihm nicht nachstand, noch ge- S. 226 boren, nachdem schon ein langes Leben in seinem Lauf vorübergegangen, hat sie bei der Geburt selbst erfahren.2 Aber nachdem beiden ihr vorgerücktes Alter die Hoffnung auf Nachkommenschaft genommen, verdienten sie noch als Ersatz ein spätgeborenes Kind. Ihr Glaube errang, was die Zeit entzogen; ihre Gläubigkeit erzwang, was die Natur versagt hatte. Abraham, von Gott als unser Patriarch ausersehen, empfing im Greisenalter seinen einzigen Sohn. Es gab nichts, was dem Vater solche Sorge schuf,3 der in einem Alter war, in dem die Jahre sich bald dem Untergang zuneigen, dem die Zeit zur Erziehung nur mehr knapp bemessen war, dem als Greis der Tod bereits nahe stand. Aber es ist der erste Beweis der Gottesfurcht, wenn man freudig annimmt, was spät gegeben wird, und wenn man in beschwerlichem Greisenalter sich über überkommene Sorgenlast freut. Denn auch Sara lachte, als sie in ihrem Alter noch die Aufgabe der Jugend auf sich nahm. Davon erhielt denn auch das Kind seinen Namen,4 das später den Beweis erbringen sollte, daß das Sinnen Abrahams Gott geweiht war.

2. Und dieser einzige Sohn des sorgenden Greises, noch ein Kind, dem um so mehr Liebe und Mitleid gebührte, wird zum Opfer verlangt. Wäre bei ihm bei der menschlichen Gebrechlichkeit irgendeine leibliche Krankheit aufgetreten oder hätte ihn das menschliche Todesschicksal getroffen — der Vater hätte bei diesen Schlägen, wenn der Sohn in seinem zarten Alter hätte S. 227 sterben müssen, kaum weiter zu leben vermocht. Und dieses Kind, an dessen Leben die Liebe des Vaters und der Mutter hing, wird zur Erprobung seines Glaubens durch die Stimme Gottes zum Opfer verlangt. „Abraham„, so sprach Gott, „ich will, daß mir durch deine Hände auf dem Berge ein Opfer dargebracht wird in deinem Sohne: das ist das Opfer, das mir wohlgefällig ist, das ist das Blut, mit dem du mich versöhnen sollst; er gebührt meinem Altar, ihn befehle ich dir jetzt zu schlachten.“ Und Abraham in seiner Gottesfurcht zeigt keine Trauer in seinem Angesicht, und der Schmerz überwältigt den Vater nicht zu Tränen; er freut sich vielmehr und jubelt. Er hat auch keine Befürchtung, daß ihm das als Mord an seinem Sohne angerechnet werde; in dem Drange, seiner Gottesfurcht nachzukommen, erfüllte ihn vielmehr dieser Befehl Gottes mit Freude. So bereitet er in seinem Sohne ein Opfer, und er beeilt sich, das Opfer zur Ausführung zu bringen, damit nicht eine Verzögerung ihm zur Sünde werde. Sofort werden die notwendigen Vorbereitungen für die heilige Handlung getroffen. Man besteigt den Berg. Als dort alles für das geheimnisvolle Opfer 5 hergerichtet war, wurde auch durch den erfreuten Vater nicht minder erfreut der Sohn herbeigeführt, er, der von der Rechten des Vaters getötet werden sollte. Vor der Ankunft auf dem Berg hatte er den Vater gefragt, wo denn das Opfertier sei, das er zubereiten und schlachten werde. Der Vater, sicher des Glaubens seiner Nachkommenschaft, 6 eröffnete dem Sohne, an dem er nicht zweifelte, was der Herr von ihm gefordert, und gab ihm zugleich kund, was er selbst dem Herrn versprochen. Da freute sich der Sohn über den gläubigen Vater, er, der selbst auch sehr starken Glauben besaß. Und er sträubte sich nicht S. 228 gegen den Tod, den Gott, der ihm das Leben gegeben, befahl. Der Vater freute sich seinerseits über die Freude des Sohnes, und freudig band er die Hände seines einzigen Kindes, die dieser ihm mit größter Willigkeit zur Fesselung bot. Auch die Füße band er ihm zusammen, damit nicht etwa im letzten Augenblick des Todes der zu Opfernde in der Aufregung sich sträube; denn trotz seiner Sicherheit fürchtete der gute Vater,7 daß der Schmerz dem Tod gegenüber in etwa zum Durchbruch käme.

3. Brüder, oh, was ist das für eine vertrauensvolle Gottesfurcht! Oh, was für ein Vater,8 der nur auf den Geist sich richtet, Leib und Tod verachtet! Oh, was für ein Vater, der sich seiner Stellung als Diener des Herrn so gut erinnert, daß er vergißt, daß er Vater ist! Was gilt ihm noch der Vater? Siehe, vor seinen Augen liegt der Sohn, mit Stricken gebunden! Wo sind Tränen bei ihm? Wo der Schmerz, wie er sich bei menschlichen Empfindungen geltend zu machen pflegt? Bei so schwerem Geschick seines Sohnes freut er sich und jubelt; er triumphiert, daß er den Herrn dafür gewonnen! Er empfängt auch alsbald den Lohn, den er verdient. Es werden bereits die Vorbereitungen zur Ausführung der von Gott bestimmten Prüfung getroffen.9 Er entblößt zwar das Schwert, und die damit bewaffnete Rechte hebt bereits die Hand. Aber die Stimme dessen, der das Opfer gefordert, erhebt Einspruch. „Schau rückwärts,„ spricht Gott; "und bevor du rückwärts schaust, halt ein!“ S. 229 Siehe, es ist ein besonderes Verdienst, wenn man sich die göttliche Barmherzigkeit unter dem Druck von schwierigen Verhältnissen verdient. Denn als Abraham rückwärts blickte, fand er ein Opfertier, das er, ohne jemandem zu schaden, opfern sollte. Mit demselben Messer, mit dem er den Sohn zu töten bereits im Begriffe war, schlachtete er den Widder, Vom Sohne weg führte er die Rechte zum Lamm, immer in Freude und Jubel. Der Opfer gegenständ änderte sich — seine Miene änderte sich nicht. Die Freude, mit der er den Widder opferte, war ebenso groß als die Freude, mit der er den Sohn zum Opfer darbot. Wo solcher Glaube war, da gab es keinen Schmerz. Bei diesem Opfer hat nur Gott Mitleid empfunden, der denn auch für ein anderes Opfer Sorge trug. Denn Abraham hatte mit seinem Sohn die Probe so bestanden, daß er, ohne Barmherzigkeit zu erbitten, dieselbe verdiente.

4. Und nun laßt uns sehen, Brüder, was in dem Gesetz verborgen liegt, und laßt uns einen höheren Sinn suchen? Abraham stand nicht unter dem Gesetz, und doch erfüllte er allein das Gesetz. Er, der durch keine Bestimmung des Gesetzes gebunden war, hat das göttliche Recht in seinem ganzen Umfang beobachtet. An seinem Opfer durfte sich auch der erfreuen, der zum Opfer bestimmt wurde. Der Widder blieb im Dornbusch hängen, in die Dornen verwickelt, am Kopfe festgehalten; Er ist es, der an Stelle Isaaks dem Herrn geopfert wurde. Ihn brachte Abraham dar; ihn zu opfern wurde ihm befohlen…10


  1. Vgl. Gen. 22, 1—13. ↩

  2. Bezieht sich wohl auf Gen. 21, 6: Dixit Sara: Risum fecit mihi Dens etc. ↩

  3. Die Ballerini bieten die Lesart; Nihil tarnen sollicitum patri, cuius aetas in annis vergentibus in occasus sui terminum versabatur. Die Lesart von Giuliari: Nihil tarn sollicitum patri... scheint zwar handschriftlich weniger begründet, doch dem Sinn entsprechend, da im nächsten Satze von Abraham gesagt ist: in tristissima senectute suscepta sollicitudinis mole gaudere..., und der weiter folgende Satz ihn als sollicitus senex bezeichnet. ↩

  4. Gen. 21, 3. Isaak = Er lacht. ↩

  5. Nach der Lesart der Ballerini: Omni mysterio sacrifcioque disposito. Die Lesart von Giuliari: Omni ministerio sacrificioque ist handschriftlich nicht begründet. ↩

  6. Vgl. Gen. 17, 7. ↩

  7. So muß wohl der Satz übersetzt werden: securus enim pater optimus timuit, ne dolori aliquid liceret in mortem, wenn ein Widerspruch vermieden werden soll. ↩

  8. Nach der Lesart der Ballerini: O, fratres, secura devotio. O, pater spiritum captans... Giuliaris Text lautet: O, patris secura devotio. O puer spiritum captans... Die usführungen gelten nur Abraham. ↩

  9. Nach der Lesart der Ballerini: Divinae enim explorationis tentamina porriguntur. Giuliäri: Dum enim explorationis ten-tamina porriguntur, exserit quidem ferrum ... ↩

  10. Das Traktat bricht hier unvermittelt ab. Die letzten Sätze lassen erkennen, daß Zeno ausführte, daß das Opfer Isaakti beziehungsweise des Widders ein Vorbild des Opfertodes Christi war. Auch der Schluß des nächsten Traktates bringt das zum Ausdruck. Vgl. Augustinus contra Maximinum II, 26, 9: Nam quis alius erat ille aries, qui cornibus tenebatur in vepre, nisi Christus crucifixus vel spinis etiam coronatus… ↩

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Predigten und Ansprachen (BKV)

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